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HERBERT LEUNINGER ::: ARCHIV KIRCHE 1972 :::

Kirchenzeitung DER SONNTAG, Oktober 1972

Seminarrektor als Viehzüchter und Landwirt

Ein Bericht aus Ostafrika von Herbert Leuninger

Bei einer internationalen Begegnung in Tansania, die das Katholische Jugendamt Wiesbaden veranstaltet hatte, kam es zu einem interessanten Treffen mit dem Rektor des philosophischen Seminars von Kibosho. An die Adresse war ich durch einen Brief gelangt, den der Rektor im Juli an die Frauengemeinschaft von Eddersheim geschickt hatte. Darin bedankte er sich für die finanzielle Hilfe, die die Frauen seit 1964 dem Seminar hatten zukommen lassen. Es studieren dort für 2 Jahre nahezu 100 Studenten Philosophie. Das Theologiestudium wird anschließend an einem anderen Seminar fortgesetzt. In seinem Brief berichtete Rektor Ndekimo von der Schwierigkeit, den Lebensunterhalt für die Studenten aufzubringen. Um nicht alles kaufen zu müssen, hat er in diesem Jahr einen Garten angelegt.

siehe auch: Vom Westen verwöhnt – Über die Neuorientierung der Kirche in Tansania

Als er hört, daß wir gerne Kontakt mit ihm aufnehmen möchten, lädt er uns zum Mittagessen ins Seminar ein. Bei Tisch stellt er uns den Studenten und Dozenten als eine Gruppe vor, die nicht nach Ostafrika gekommen sei, um auf Safari zu gehen, sondern um Kontakte mit der Bevölkerung aufzunehmen. Dieser Hinweis wird mit großem Beifall quittiert. Im Anschluß an das Essen führt uns der Rektor zu den Stallungen für die Hühner, Kühe und Schweine. Den Hühnerstall hat er, wie er uns mit Genugtuung mitteilt, selbst gezimmert. Seine Kenntnisse in Viehzucht und Landwirtschaft hat er während seines Studiums in Rom gewonnen. In den Semesterferien ist er nach Deutschland gefahren, um landwirtschaftliche Betriebe zu besichtigen. Daher wundern wir uns auch nicht mehr, daß er so gut deutsch spricht. Seine Studenten hatte Ndekimo damit überrascht, dass er ihnen Arbeiten in Stall und Garten auftrug. Das kam für die Studenten, die solche Tätigkeiten nicht gewohnt waren, überraschend. Anfangs hätten sie sich gegen diese Zumutung gewehrt: „Wir wollen nicht arbeiten“. Mittlerweile ist es aber selbstverständlich,  daß jeder der Studenten einige Stunden in der Woche mit Hand anlegt. So arbeiten z.B. 6 Studenten regelmäßig im Schweinestall. Ndekimo, der Kirchengeschichte doziert, geht allerdings mit gutem Beispiel voran.

Der Rektor verfolgt mit diesen Arbeiten verschiedene Ziele. Das Seminar soll auf die Dauer möglichst unabhängig von finanzieller Unterstützung werden. Das ist ein ziemlich neuer Gedanke in der Kirche Tansanias, die mit finanziellen Mitteln aus dem Ausland überraschend gut versorgt ist. Die Bestrebungen des Rektors entsprechen der Politik des Präsidenten Nyerere. Dieser möchte von seinen Landsleuten erreichen, daß sie in Selbständigkeit und Selbstvertrauen ihre sozialen und wirtschaftlichen Probleme bewältigen und immer unabhängiger von Hilfen werden, die von außen kommen. Dieser Gedanke findet auch allmählich in der Kirche Eingang, wenigstens in einigen fortschrittlichen Köpfen.

In diesem Zusammenhang steht ein weiterer Gedanke, der den jungen Priester bewegt. Er weiß nur zu gut, daß die meisten Landsleute schlechter leben als die Kleriker. Um uns diesen Unterschied zu verdeutlichen, nimmt er uns zu einer Nachbarsfamilie mit, die unter sehr primitiven Umständen leben muß. In einem kleinen Bananenhain stehen drei armselige Hütten, die besonders in der Regenzeit unzulänglich sind. Der Vater der sechsköpfigen Familie hat keine Arbeit. Die Mutter verdient durch eine Beschäftigung im Seminar monatlich 50,- DM (zum Vergleich: ein einziger Autoreifen kostet 100,- DM). Wir verstehen den Rektor jetzt besser, wenn er sagt: „Ich bin nicht froh, daß ich in einem so großen Haus wohne“. Die Diskrepanz zwischen seinem Lebensstandard, der, gemessen an unserem, als sehr einfach zu bezeichnen ist, und dem der meisten Leute, bereitet ihm großes Unbehagen. Er gibt uns zu verstehen, daß er später wieder unter diesen Menschen als einfacher Priester leben will. Solange er Rektor ist, versucht er, seinen Studenten klarzumachen, daß sich die Kirche wieder stärker mit den Menschen solidarisieren muß und keine eigene bessere Welt daneben aufrichten darf.

Für uns ist die Begegnung mit diesem afrikanischen Priester ein großes Erlebnis. Beim Abschied trägt er uns noch auf, die Frauen von Eddersheim besonders zu grüßen.


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