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HERBERT LEUNINGER ::: ARCHIV ASYL 1991 ::: ARCHIV PRESSE 1991 :::

29. Oktober 1991

Schreiben Bistum Limburg

BISTUM LIMBURG – BISCHÖFLICHES ORDINARIAT

Limburg, 29.10.1991

An die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
im Bereich des Dezernates Erwachsenenarbeit

Sehr geehrte Damen und Herren,

in der letzten Konferenz der Referentinnen und Referenten haben wir uns mit dem wachsenden Rechtsradikalismus in unserem Land beschäftigt und dessen brutalen Folgen für die Asylbewerber. Dazu wurde eine Arbeitsgruppe gegründet und eine Pressenachricht erstellt.

In den letzten Tagen habe ich nun unmittelbar erlebt, was dies bedeutet. Ich habe von Freitag auf Samstag und von Samstag auf Sonntag bei meinem Bruder in Hofheim übernachtet, damit er in den Bedrohungen, die an ihn gerichtet wurden und den Angriffen auf das Haus, nicht allein ist. So etwas wird in einem zivilisierten Land notwendig. Ich halte dies für eine erschreckende Entwicklung, die schnell beendet werden muß, damit wir Deutsche nicht im Ausland unsere letzte Reputation verlieren. Das darf doch nicht die Frucht der deutschen Einheit sein.

Nach meiner Einschätzung verschätzt die Politik die Entwicklung und liefert durch die Diskussion des Asylparagraphen des Grundgesetzes den Rechtsradikalen noch Oberwasser. Die weltweite Problematik ist so nicht zu ändern. Es bedarf eines grundsätzlichen Umdenkens von uns allen. Nur so können die Probleme der Zukunft gemeistert werden. Lesen Sie dazu den Bericht an den Club of Rome „Die globale Revolution“! Diese Fragen werden uns längerfristig beschäftigen.

Es geht um die Grundlagen unseres demokratischen Gemeinwesens. Für dieses werde ich mich nach den Erfahrungen des Dritten Reiches mit allen Kräften einsetzen. Ein solches Gemeinwesen kann aber nicht mehr in nationalistischer Beschränktheit überleben, sondern nur noch in einer umfassenden Solidarität.

Der 9. November erinnert uns an die Reichspogromnacht. Rechtsradikale suchen, diesen Termin in ihrer wahnsinnigen Verblendung für sich auszunützen. Es muß unser Termin sein, ein Termin, an dem wir uns für Freiheit, Gerechtigkeit und Menschenwürde für alle einsetzen.

Ich bin bemüht, Ihnen weitere Informationen zukommen zu lassen. Bitte nehmen Sie sich dieses Anliegens in Ihrer Arbeit an. Reagieren Sie nach Möglichkeit auch kurzfristig. Es gibt gelungene Aktivitäten, z.B. Nachtwache vor Häusern, es werden Einladungen ausgesprochen, wir führen in unserem Bereich Kurse durch. Über solche gelungene Aktivitäten sollte berichtet werden. Informieren Sie auch uns darüber, daß wir uns um eine Berichterstattung gleichermaßen bemühen können. Für die mittel- und längerfristige Arbeit werden sicher in der Arbeitsgruppe Überlegungen angestellt.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Ernst Leuninger
Ordinariatsrat


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