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HERBERT LEUNINGER ::: ARCHIV PRO ASYL PRESSEERKLÄRUNG 1992 :::
8.6.1992

Protest gegen Visa-Prozedur für Balkan-Flüchtlinge


Offener Brief

per Telefax

An den
Bundesminister des Innern
Herrn Rudolf Selters
Graurheindorfer Str. 198

5300-Bonn 1

Protest gegen Visa-Prozedur für Balkan-Flüchtlinge

Sehr geehrter Herr Bundesminister Seiters!

Hiermit protestiere ich als Sprecher der Arbeitsgemeinschaft „Pro Asyl“ in aller Schärfe gegen die bürokratischen Hürden, die Sie für die Erteilung eines Visums für Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina errichtet haben.

Ein Frankfurter Mitglied von „Pro Asyl“, das in der vergangenen Woche versucht hat, einen mit ihm verwandten Flüchtling aus Bosnien am deutsch/österreichischen Grenzübergang Suben/Neuhaus (BAB) abzuholen, hat unserem Büro unter dem 5.6.1992 folgende Vorgänge zu Protokoll gegeben!

1. Juni Frankfurt

  • Nachricht, daß dem Verwandten die Flucht nach Österreich geglückt ist.
  • Beratung durch Rechtsanwälte und das Büro des Flüchtlingshochkommissariates in Bonn.

2. Juni, Nachmittag, Grenzübergang Suben/Neuhaus (BAB)

  • Fahrt nach Österreich unter Mitnahme einer Verdienstbescheinigung, einer Kostenübernahmegarantie und einer Kopie des Hessischen Duldungserlasses für Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina.
  • Der Beamte am Grenzübergang Suben/Neuhaus verweigert die Ausstellung eines Visums.
  • Der Grenzbeamte führt ein Telefongespräch mit Ihrem Haus. Er wird angewiesen, die Zurückweisung zu verfügen.
  • Information durch den Beamten: Ein Visum könne nur ausgestellt werden, wenn die Ausländerbehörde von Frankfurt eine „Vorabzustimmung“ erteilt und an die Grenzstation faxt.
  • Inzwischen ist es 18.00 Uhr. Übernachtung in Österreich.

3. Juni, Grenzübergang Suben/Neuhaus

  • Die erforderlichen Unterlagen werden über das Fax-Gerät einer hilfsbereiten Baufirma nach Frankfurt gefaxt. (Die umliegenden Postämter verfügen über keine entsprechenden Geräte).
  • Die Frankfurter Ausländerbehörde erklärt sich gegen 12 Uhr grundsätzlich dazu bereit, eine „Vorabzustimmung“ zu erteilen. Zuvor müsse aber beim Ausländerzentralregister in Bonn angefragt werden.
  • Gegen 13 Uhr teilt die Frankfurter Behörde mit, wegen eines technischen Defektes könne die Auskunft beim Ausländerzentralregister derzeit nicht eingeholt werden.

4. Juni, Grenzübergang Suben/Neuhaus

  • Um 8.30 liegt die Vorabzustimmung bei der Grenzbehörde vor. Die Grenzbehörde erteilt gegen eine Gebühr von DM 40,– ein touristisches Ausnahmevisum mit dem Vermerk „Erwerbstätigkeit nicht gestattet“.

Sehr geehrter Herr Minister, dieser Vorgang spottet jeder Beschreibung und erinnert eher an die Abschottungspraxis der früheren DDR. Dies alles hat nichts mehr mit der durch unsere Verfassung und die Genfer Flüchtlingskonvention gebotenen Aufnahme von Flüchtlingen zu tun. Wie soll ein „normaler“ Flüchtling, der keinen Asylexperten zur Seite hat, unter diesen Bedingungen auf legale Weise in die Bundesrepublik kommen? Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir und der Öffentlichkeit dies erläutern könnten.

Mit freundlichen Grüßen!

gez. H. Leuninger
Sprecher


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