Franz Leuninger
ein Christ im Widerstand
Ein kurzes Lebensbild
von Ernst Leuninger
Nachwort
Am 1. März 1945 wurde Franz Leuninger – ein christlicher Gewerkschafter – in Berlin Plötzensee – hingerichtet. Am 26.2. wurde er durch den Volksgerichtshof zum Tode verurteilt. Mit ihm gingen zwei ehemalige Gewerkschaftskollegen aus Breslau in den Tod. Es waren Fritz Voigt, der ehemalige Polizeipräsident von Breslau und Oswald Wiersich, ehemaliger Bezirkssekretär des ADGB (Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund) in Schlesien. Franz Leuninger war für das Amt des Oberpräsidenten in Schlesien vorgesehen (oder hatte Lukaschek für dieses vorgeschlagen), das führte zu seiner Verurteilung nach dem Scheitern des 20. Juli.
Wer war dieser Franz Leuninger? (Folie 2) Er wurde am 28.12.1898 in Mengerskirchen im Westerwald als das dritte von neun Kindern geboren. Die Eltern waren Kleinlandwirte, der Vater übte im Winter das Handwerk eines Nagelschmiedes aus. Franz war schulisch sehr begabt, aber für Kinder armer Eltern gab es damals keine Chance, das Gymnasium zu besuchen. Die Familie war wie selbstverständlich in der katholischen Kirche verwurzelt. Tischgebet und Gottesdienstbesuch gehörten zu den unumstößlichen Regeln. So war er auch Ministrant. Frömmigkeit gehörte für ihn unverzichtbar zum Leben. Einmal sagte er einer Frau, die an der Bedeutung des Gebetes zweifelt, daß er als junger Mann auf dem Bau schwere Steine eine Leiter hinauf schleppen mußte. Manchmal hätten die Kräfte versagt, ein kurzes Verweilen, ein Stoßgebet, und es sei weiter gegangen. Von daher wird es auch verständlich, daß er beim Gang zur Hinrichtung nach den Aussagen des Gefängnispfarrers das Lied: „Großer Gott wir loben dich“ betete, das feierliche Lob- und Danklied der katholischen Kirche, das nur bei besonders festlichen Anlässen gesungen wird.
Die Jugend war hart. Nach der Schulzeit ging er in den Feldwegebau (Folie 3) in seiner Heimat. Da ihm der Stundenlohn mit 21 Pfennig zu gering war. wurde er, noch nicht 14 Jahre alt, Bauhilfsarbeiter. Sein Bruder hatte ihn in Remscheid aufgenommen. Er sollte am Bau Kaffee kochen, den Schlauch beim Betonieren halten und Botengänge durchführen. Abends kam der Bruder in die Baubude, da saß Franz da und weinte. Er hatte Zementsäcke tragen und schaufeln müssen und dafür bekam er 20 Pfennig die Stunde. Sein Bruder sagte dem Polier, er solle Franz 5 Pfennig mehr geben und ihm diese abziehen, aber Franz setzte sich durch und bekam sein Geld ohne Abzug beim Bruder. Der Heimattradition gemäß gehörte er den Christlichen Gewerkschaften an. In der schwierigen Zeit teilte ihn der Polier zu Schwarzarbeit ein und er verletzte sich mit 13 Jahren und 11 Monaten schwer. Im Winter erholte er sich in der Heimat und schmiedete mit seinem Vater und seinen Brüdern Nägel. Im Ersten Weltkrieg mußte er zu den Soldaten.
Er wurde Vertrauensmann des Christlichen Bauarbeiterverbandes (Folie 4) und warb Mitglieder für den Verband in seiner gering bemessenen Freizeit. 1922 wurde er Lokalsekretär in Aachen. Mit dem Fahrrad fuhr er von Baustelle zu Baustelle und bemühte sich um seine Kollegen. Der Sekretär erhielt damals 10% Zuschlag zum Maurerlohn. Danach war er Sekretär in Euskirchen und im Verbandssekretariat in Krefeld. 1927 wurde er als Bezirkssekretär nach Breslau berufen wo er, noch nicht 30 Jahre alt, als Bezirksleiter für den ganzen schlesischen Raum wirkte. Als er einmal wegen seiner Zugehörigkeit zum Zentrum angegriffen wurde sagte er dem, der ihn angegriffen hatte: „Ich habe keine Ursache, Ihnen gegenüber ein politisches Glaubensbekenntnis abzulegen. Ich kann Ihnen aber sagen, daß ich in erster Linie Gewerkschaftler bin und im gegebenen Fall auch gegen die Parteien ins Feld ziehen werden, welchen ich politisch nahestehe …“. Er war als tüchtiger, einsatzbereiter und redegewandter Sekretär bekannt. Bei Tarifverhandlungen spielte er seine besonderen Fähigkeiten aus. Zugleich war er ein Mensch mit viel Humor.
In Breslau (Folie 5) hatte er ein gutes Verhältnis zum Gesellenverein (heute Kolpingfamilie). Er hatte in Gesellenhäusern gewohnt. In Krefeld gehörte er dem dortigen katholischen Arbeiterverein an.
Er hatte eine spontane Art der christlichen Haltung. Einmal nahm er einen armen Mann mit nach Hause zum Essen, anschließend fehlte seine Brieftasche; das konnte seine Grundeinstellung aber nicht ändern. Einer schwangeren Frau, die in der Straßenbahn in die Wehen kam, besorgte er ein Taxi ins Krankenhaus und bezahlte es auch gleich.
Als Hitler im Januar 1933 an die Macht kam sah der das Ende der Demokratie und die Zerschlagung der Gewerkschaften voraus. (Folie 6) So geschah es auch. Er war vor 1933 schon ehrenamtlicher Geschäftsführer einer im christlich-sozialen Bereich angesiedelten Heimstätte. Er übernahm nun hauptberuflich die Leitung. Es liegen Berichte vor, daß er einer ganzen Reihe von systemkritischen Menschen Arbeit in dieser Institution bot. Fritz Voigt betätigte sich auf Anregung von Franz Leuninger als Grundstücksmakler und es ist anzunehmen, daß der Hauptgeschäftspartner das genannte Siedlungswerk war. Ein ehemaliger Freigewerksachfter, der 1938 bei der Siedlungsgesellschaft Arbeit als Polier fand, sagte: „Franz Leuninger war mir einer der liebsten Menschen, denen ich damals im Rahmen meiner beruflichen Tätigkeit begegnet bin.“
Franz Leuninger mußte mit 40 Jahren am Polenfeldzug teilnehmen. Er schrieb später an einen seiner Brüder: „Es gibt nichts, was einen Krieg rechtfertigt, und es ist jedes Mittel erlaubt, das einen Krieg verhindert.“
Nach seiner Entlassung aus dem Kriegsdienst baute er den Widerstand in Breslau und Schlesien mit auf. Die Gewerkschafter Fritz Voigt und Oswald Wiersich gehörten zu seinen Partnern. Im Herbst traf er sich in Berlin u.a. mit Carl Friedrich Goerdeler, dem ehemaligen Oberbürgermeister von Leipzig, vorgesehener Reichskanzler des Widerstandes und Jakob Kaiser. Der Bruder von Goerdeler wurde auch am 1. März hingerichtet. Es ging bei diesem Gespräch um sozial- und ernährungspolitische Fragen nach einem Umsturz. Über Goerdeler kam er auch in Kontakt mit Ludwig Beck, der als Generalstabschef des Heeres die gesamte Generalität 1938 zum Rücktritt aufforderte, um damit dem Kriegstreiben Hitlers ein Ende zu setzen. Über Fritz Voigt sind Kontakte zu Wilhelm Leuschner und Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg anzunehmen.
Er hat verständlicherweise über diese seine Arbeit und Kontakte nicht viel gesprochen. In seiner Heimat sprach er einmal im engsten Kreis seiner Verwandten über die Schrecken der Konzentrationslager und der Gewaltherrschaft. Er sagte: „Die Verbrechen sind so furchtbar, daß sie nur mit dem Blut der Besten gesühnt werden können.“
Wenige Wochen nach dem 20. Juli 1944 wurde er verhaftet. (Folie 7) Im Haftbefehl war u.a. zu lesen: „Leuninger hat bereits 1941/42 von dem ihm von früher gut bekannten ehemaligen sozialdemokratischen Gewerkschaftssekretär Fritz Voigt erfahren, daß gewisse Kreise des Adels und der Wirtschaft zur Herbeiführung eines Sonderfriedens mit den Westmächten eine Änderung der Regierung anstrebten. … Auch Leuninger erklärte sich zur Mitarbeit für die neue Regierung durch Überwachung der wirtschaftlichen Organisation bereit.“ Während er im Gefängnis war, befand sich seine Frau auf der Flucht von Breslau in den Westen und seine drei Söhne waren beim Militär.
In einem seiner letzten Briefe aus dem Gefängnis schrieb er: „Ich habe mein Schicksal in die Hände des Herrgotts gelegt. Wie er es macht, so wird es schon richtig sein.“
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