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Presseerklärung
28. August 1998

30. August 1983: Zuflucht gesucht, den Tod gefunden

PRO ASYL erinnert an den Tod von Cemal Altun vor 15 Jahren
Rechtsstaatlich legitimierte Brutalisierung der Abschiebepraxis beenden!

Anlässlich des 15. Todestages von Cemal Altun am 30. August 1998 fordert die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL eine radikale Umkehr in der Abschiebungspolitik und eine Rückkehr zu menschenrechtlichen und humanitären Standards bei der Aufnahme und im Umgang mit Flüchtlingen.

„Cemal Altun ist in der Ära Kohl der erste Flüchtling gewesen, der in Deutschland Zuflucht gesucht und den Tod gefunden hat“, sagte PRO ASYL-Sprecher Heiko Kauffmann. Cemal Altun sei am 30. August vor 15 Jahren aus dem sechsten Stockwerk des Berliner Verwaltungsgerichts in den Tod gesprungen, weil er keine Hoffnung mehr gehabt habe, in Deutschland sein Recht zu finden und befürchten musste, von den deutschen Behörden in den Verfolgerstaat Türkei ausgeliefert zu werden.

Die Verzweiflungstat Altuns, der Freitod eines Flüchtlings – von damaligen Politikern der Regierung Kohl als „bedauerlicher Einzelfall“ bezeichnet – hat sich nach Angaben von PRO ASYL nach der „Außerkraftsetzung des Asylrechts am 1. Juli 1993“ in mehr als 30 Fällen wiederholt.

„Flüchtlinge, die in deutscher Abschiebungshaft oder aus Angst vor der Abschiebung lieber den Freitod wählen, als sich zwangsweise in ihr Herkunftsland zurückfliegen oder ihren Häschern ausliefern zu lassen, müssen triftige und wichtige Gründe gehabt haben, in Deutschland Zuflucht und Schutz zu suchen“, erklärte Kauffmann. Die gegenwärtigen Bedingungen der Abschiebungshaft und die Durchführung der Abschiebungen zeigten die inhumanen Auswirkungen des neuen Asylrechts in krassester Weise. Abschiebungshaft werde heute in Deutschland zu schnell, zu häufig und für zu lange Zeit verhängt. Sie sei kein Mittel zur Sicherstellung der Ausreise im Ausnahmefall, sondern für Flüchtlinge längst zum Regelfall geworden.

„Das Vertrauen in demokratische Institutionen und in die Parteien schmilzt dahin, wenn durch staatliche Abschreckungspolitik, mit autoritär-bürokratischem Verwaltungshandeln und immer ausgefeilteren gesetzlichen Regelungen versucht wird, Menschenrechte und Flüchtlingsschutz zu unterlaufen und völkerrechtsverbindliche, humanitäre und demokratische Standards zu blockieren“, so Kauffmann weiter. „Der Tod Cemal Altuns vor 15 Jahren ist eine eindringliche Mahnung, die rechtsstaatlich legitimierte Brutalisierung der gegenwärtigen Abschiebungspraxis unverzüglich zu beenden.“

Zu den unabdingbaren Inhalten eines 100 Tage-Programms jeder neuen Bundesregierung müsse laut PRO ASYL eine grundsätzliche Revision des gesamten Asylrechts gehören. Dazu zähle insbesondere die Einstellung der Abschiebungshaft als unverhältnismäßige und menschenrechtswidrige Form eines Freiheitsentzugs ohne Straftatbestand.


CHRONOLOGIE

An einen Beamten gefesselt, wird Cemal Altun am 30. August 1983 in den Gerichtssaal geführt. An dem heissen Sommertag sind die Fenster des Saales im 6. Stock geöffnet.. Die Handschellen werden gelöst und er nimmt neben seinem Anwalt Wolfgang Wieland Platz.


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