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23.12.1997

Weihnachten: keine Idylle und kein Fest der Stille
PRO ASYL fordert ein Ende der Abwehrpolitik und
Diskriminierung von Flüchtlingen.
„Politik folgt mehr dem Taktstock des Marktes und der Macht
als der Moral und Menschlichkeit.“


„Die Kluft zwischen der Botschaft von Bethlehem und einer Politik zur Durchsetzung von Menschenrechten und Flüchtlingsschutz wird immer größer! Die Politik folgt mehr dem Taktstock des Marktes und der Macht als der Moral und Menschlichkeit.“ Dies erklärte Heiko Kauffmann, Sprecher der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL, am Dienstag in Frankfurt.

PRO ASYL fordert ein Ende der Abwehrpolitik und Diskriminierung von Flüchtlingen und Minderheiten und die Rückkehr zum Kernstück des internationalen Flüchtlingsschutzes, dem Verbot der Zurückweisung von Flüchtlingen in einen Verfolgerstaat, in Kriegsgebiete oder Staaten mit schweren Menschenrechtsverletzungen und Folter. Dies gelte zur Zeit besonders für Algerien, wo auch wenige Tage vor Weihnachten wieder Zivilisten, Frauen, Greise und Babys barbarisch hingemetzelt und bei lebendigem Leibe verbrannt worden seien. PRO AYL mahnt erneut einen sofortigen Abschiebestopp für algerische Flüchtlinge an.

Es grenze an Heuchelei, so Kauffmann, wenn der Außenminister die Massaker in Algerien als „nicht mehr zu überbietende Grausamkeiten“ bezeichne, gleichzeitig das ihm unterstellte Auswärtige Amt jedoch Lageberichte liefere, welche die Menschenrechtssituation in Algerien verharmlosten und beschönigten. Diese Berichte führten dazu, daß die Innenminister „ruhenden Gewissens“ Menschen abschieben könnten, weil es in Algerien angeblich keinen Bürgerkrieg, sondern nur „eine Gefahr allgemeiner Natur“ gäbe.

Statt durch eine aktive Friedenspolitik zu einer Globalisierung von Menschenrechten und Demokratie beizutragen, verschärfe die Bundesrepublik – etwa durch Waffenlieferungen an Verfolgerstaaten wie die Türkei und Indonesien – die Globalisierung von Flucht.

Kauffmann: „Deutschland trägt soviel Verantwortung für das Entstehen von Fluchtbewegungen, wie es selbst fortwährend Ursachenfaktor für die Verelendung vieler Menschen, die weitere Verarmung vieler Länder, für Waffenlieferungen, für die Zusammenarbeit mit Diktaturen und für die Stabilisierung von Terrorregimen ist!“

Die für die Abschottung Deutschlands verantwortlichen Politiker könnten eigentlich nicht ruhig „Stille Nacht, Heilige Nacht“ singen, sagte Kauffmann. Auf die frohe Botschaft des Weihnachtsfestes falle auch 1997 der Schatten des Kreuzes: In Algerien, Afghanistan, Ruanda, in den Folterzentren und Gefängnissen der Türkei, Chinas, Ost-Timors oder Syriens – aber auch in den Abschiebehaftanstalten und Sammelunterkünften für Flüchtlinge bei uns nebenan.

Es sei eine Hoffnung für die demokratische Zivilgesellschaft, daß viele Menschen – besonders im Bereich der Flüchtlingsarbeit – sich weigerten, die Grundlagen der Verfassung und Demokratie von der Politik weiter aushöhlen zu lassen. Gerade an der Schwelle zum neuen Jahrtausend sei eine Schärfung des Blicks, eine erhöhte Sensibilität und Wachsamkeit gegenüber einem autoritärer werdenden Staat, wirtschaftlicher Allmacht, bürokratischen „Sachzwängen“ und für Verfolgung, Unrecht und Menschenrechtsverletzungen in der Gegenwart dringend geboten.

Kauffmann abschließend: „Weihnachten darf heute nicht als Symbol der Resignation und des Rückzugs in die Idylle der Privatsphäre, sondern muß als Anstoß und Handlungsimpuls für eine neue Menschenrechts- und Sozialpolitik verstanden werden.“


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