Generic selectors
Nur exakte Ergenisse
Suchen in Titel
Suche in Inhalt
Post Type Selectors

TAG DES FLÜCHTLINGS 1996

Beispiele und Anregungen

Was ist los in Zaire?

Zairische Flüchtlinge gehören zur Zeit zu denjenigen, die trotz katastrophaler Zustände im Herkunftsland wenig Chancen auf Asyl in Deutschland haben. Umstritten ist dabei insbesondere, ob man in einem Staat, in dem eine funktionierende öffentliche Verwaltung praktisch nicht mehr existiert und staatliche Gewalt in chaotischer Weise durchgesetzt wird, von politischer Verfolgung sprechen kann. Denn politische Verfolgung ist nach deutscher Rechtsprechung immer vom Staat ausgehende oder vom Staat geduldete Verfolgung. Viele Verwaltungsgerichte sind der Auffassung, daß die in ihren Urteilen durchaus beschriebenen Gefahren, die große Teile der Bevölkerung treffen, Berücksichtigung finden könnten, wenn sich die Bundesländer zu einem allgemeinen Abschiebestopp entschließen könnten, aber im einzelnen Asylverfahren nicht relevant seien. So bleiben viele zairische Flüchtlinge ohne Schutz.

Sie sollen zurück in ein Land, in dem »das Recht auf Leben ständig von der Willkür der Militär- und Polizeibehörden abhängt, während die Regierung des Premierministers Kengo nicht die geringste Möglichkeit hat, diesen Exzessen ein Ende zu bereiten, sie zu verhindern oder, noch weniger, sie zu bestrafen, indem die Verantwortlichen vor Gericht gebracht werden …«. Dies schreibt der UN-Sonderberichterstatter Roberto Garreton in einem Bericht, den er zur Sitzung der UN-Menschenrechtskommission im Mai 1995 vorgelegt hat.

Der Sonderberichterstatter stimmt mit Berichten von Menschenrechtsorganisationen überein, wenn er über Hunderte von geheimen Internierungszentren berichtet, in denen zahlreiche weibliche Gefangene vergewaltigt worden sein sollen mit Billigung der Militärs. Willkürliche Hinrichtungen, Verschwinden lassen von Menschen, Repressionen gegen Richter sind an der Tagesordnung. Garreton bezeichnet Zaire als einen Staat, in dem »mit Ausnahme der Machthaber des Landes selber niemand die Sicherheit des Lebens, der Freiheit, seines Privateigentums oder seiner körperlichen und geistigen Unversehrtheit oder der Gleichheit vor dem Gesetz genießt«.

Während die Lageberichte des Auswärtigen Amtes immerhin anerkennen, daß in zairischen Gefängnissen weiterhin gefoltert wird, wird ansonsten die Auffassung vertreten, daß es eine unmittelbare staatliche Verfolgung bestimmter Personengruppen wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung verbunden mit Gefahr für Leib und Leben oder Beschränkung der persönlichen Freiheit nicht gibt. Statt dessen gäbe es eine allgemeine Unsicherheit im Menschenrechtsbereich, die von der überwiegend undisziplinierten Armee ausgehe. »Sie ist gegenwärtig mehr ein Faktor innerer Repression als ein Schutz gegen Angriffe von außen«, so der Lagebericht vom 1. Dezember 1995. Vom Urheber der Repression ist in dem Lagebericht nicht die Rede. Im Gegensatz dazu läßt der Sonderberichterstatter der UN keinen Zweifel: »Die wirkliche Macht liegt in den Händen des Präsidenten Mobutu Sese Seko, der die Streit- und Sicherheitskräfte des Landes und die Währungs- angelegenheiten kontrolliert. Theoretisch regiert der Premierminister das Land, in der Praxis herrscht jedoch der Wille des Präsidenten, da der Premierminister keine Kontrolle über Armee und Polizei hat und da die >politische Familie< des Präsidenten im Hohen Rat der Republik über die Mehrheit verfügt. Der in Zaire operierende Staatssicherheitsapparat besteht aus einem komplexen Gewirr von zivilen Behörden und militärischen Einheiten, dessen effektive Kontrolle durch die Präsidentschaft ausgeübt wird.« Und an anderer Stelle: »Obwohl der Staat in Bereichen, die die Versorgung der Gemeinschaft angehen, nicht existiert, ist er sehr wohl präsent, wenn es gilt, politische Repressionen auszuüben. Die in diesem Bericht beschriebenen Menschenrechtsverletzungen wurden alle von Staatsbediensteten begangen.« Viele Verwaltungsgerichte schließen sich jedoch der Interpretation des Auswärtigen Amtes an, daß in Zaire faktisch kein Staat mehr existiere und mithin auch keine staatliche Verfolgung. Opfer von Mißhandlung und Folter sehen sich in ihren Asylverfahren mit Ablehnungsbegründungen konfrontiert, wie der folgenden des Verwaltungsgerichtes Braunschweig: »... Beeinträchtigungen, die nicht unmittelbar Leben oder persönliche Freiheit gefährden, stellen nur dann eine politische Verfolgung dar, wenn sie nach ihrer Intensität und Schwere die Menschenwürde verletzen oder über das hinausgehen, was die Bewohner des Herkunftslandes aufgrund des dort herrschenden Systems allgemein hinzunehmen haben. Die von der Klägerin geltend gemachten Mißhandlungen begründen keine politische Verfolgung. Mißhandlungen begründen einen Anspruch nach § 51 Abs.l AuslG nur dann, wenn ihnen die Betroffenen gerade wegen ihrer durch das Asylrecht geschützten persönlichen Merkmale oder Überzeugung ausgesetzt sind.« In ihren Lagebeurteilungen stimmen sich die Botschaften der EU-Länder nicht nur in Hinblick auf Zaire zunehmend ab. So schreibt der Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 1. Dezember 1995 zur Ermordung von Demonstranten der zairischen Partei PALU im Zusammenhang mit einer Demonstration: »Nach übereinstimmender Einschätzung der EU-Botschaften in Kinshasa handelt es sich bei den Ereignissen nicht um eine gezielte, von der Regierung angeordnete Aktion (...), sondern um den brutalen Exzeß des eingesetzten Militärs, über das die Regierung nach wie vor keine wirksame Kontrolle ausübt.« Europaweit stellt man sich offenbar dumm. Denn ist es nicht geradezu das Kennzeichen eines Militärregimes, daß nicht eine Pseudoregierung die Macht ausübt, sondern das Militär? Machtbefugnisse der Regierung Kengo wa Dondo hören genau da auf, wo die Herrschaftsinteressen von Mobutu und seinen Militärs berührt sind. Sonderberichterstatter Garreton sieht es klarer: Nach seinen Angaben ist eine Unterabteilung der zairischen Zivilbrigade spezialisiert auf die Unterdrückung von öffentlichen Demonstrationen. Sie ist unmittelbar dem Präsidenten Mobutu unterstellt. Die ZEIT vom 19.1.1996 beschreibt den zairischen Gesellschaftsaufbau so: »Die Gesellschaft ist einfach aufgebaut: Ganz oben der Großinquisitor Mobutu und die herrschende Klasse, in der Mitte die schützende Soldatenkaste sowie rund 600. 000 parasitäre Bürokraten, ganz unten die Masse der Plebejer. Ihren Staat aber gibt es eigentlich gar nicht mehr.« Nicht nur Mitglieder der zairischen Oppositionsparteien im deutschen Exil protestieren zunehmend gegen die deutsche Asylrechtsprechung zu Zaire. Auch einige engagierte Kirchengemeinden bieten inzwischen den Schutz des Kirchenasyls. Eine weitere deutsche Verantwortung gibt es ohnehin: Mobutu, einer der zehn reichsten Männer der Welt, ist Aktionär auch bei Daimler-Benz und Lufthansa.


Nach oben