Vor der Verschärfung des Ausländergesetzes:
Kanthers Kampagne „unredlich und wohl kalkuliert“
PRO ASYL fordert Widerstand der SPD-regierten Länder im Bundesrat
Als „unredliche Offensive“ bewertet der Sprecher der bundesweiten Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL, Heiko Kauffmann, den Versuch Innenminister Kanthers eine Woche vor der entscheidenden Sitzung des Bundesrates am 19. Dezember 1996 zur Änderung des Ausländerrechtes, Ausländer als zunehmende Gefahr für die innere Sicherheit darzustellen und im Rahmen einer aggressiven Kampagne die Mitglieder des Bundesrats öffentlich in die Pflicht zu nehmen, Kriminalpolitik mit Ausländerpolitik zu verschränken.
Zu den erst am Ende der Beratungen in die geplante Gesetzesverschärfung eingeflossenen Änderungen gehören auch solche, die Flüchtlinge betreffen. So will die Regierungskoalition im Ausländer- und im Asylverfahrensgesetz konkretisiert sehen, daß ein Ausländer, der die Grenzkontrollstelle zu einem bestimmten, vorübergehenden Zweck, etwa einem Krankenhausaufenthalt, passieren darf, nicht als eingereist gelten soll. Notwendig werde dies, so die Begründung aus der Bundestagsdrucksache 13 / 5986, weil immer wieder Menschen im Flughafenasylverfahren aus medizinischen Gründen in Krankenhäuser und Psychiatrien eingeliefert werden müßten, etwa in Folge von Hungerstreiks und Selbstmordversuchen und eine Vorführung bei den Botschaften der Herkunftsländer im Inland oft nötig sei. Das Flughafenverfahren mit seinen verkürzten Fristen soll so gegebenenfalls auch am Krankenbett weitergeführt werden. Diesem Änderungsantrag zur Gesetzesvorlage haben SPD, Bündnis 90/GRÜNE und die PDS im Innenausschuß passieren lassen.
PRO ASYL fordert den Bundesrat auf, dieser und anderen Änderungen nicht zuzustimmen; die wenigen Verbesserungen im geänderten Ausländerrecht seien zu teuer erkauft.
„Verabschiedet der Bundesrat diese Änderung, so wird mit dem Begriff der Einreise auch der der Grenze fließend. Grenze ist dann auch im Inland. Grenze ist am Krankenbett, selbst wenn nicht mehr der Bundesgrenzschutz davorsteht, wie er dies in Einzelfällen bislang schon getan hat,“ kommentierte Heiko Kauffmann die geplante Verschärfung. Die Änderung betreffe im übrigen relativ wenige, aber sehr dramatische Fälle. Insbesondere betreffe sie nicht nur Asylsuchende während des laufenden Verfahrens, sondern auch solche, die nach Ablehnung ihres Asylantrages oft viele Monate weiter in den Transitzonen der Flughäfen festgehalten werden, weil zum Beispiel Paßersatzpapiere nicht zu beschaffen sind. Bei diesen Menschen häuften sich Einlieferungen in die Psychiatrie und in die Krankenhäuser sowie Verzweiflungstaten (Hungerstreiks und Selbstmordversuche).
„Diese Probleme will der Gesetzgeber gar nicht lösen. Statt dessen will er die geschlossene Psychiatrie als Anhängsel der Grenzkontrollstelle“, so Heiko Kauffmann.
Kanther hatte am Montag abend der Justiz vorgehalten, sie müsse sich „einigermaßen in Übereinstimmung mit der vernünftigen Meinung des ganzen Volkes“ befinden und als „Baustein in der Sicherheitsarchitektur“ verstehen. Verbunden hatte er dies mit einem Angriff auf das Oberlandesgericht Frankfurt, das den langen Zwangsaufenthalt von Flüchtlingen im Flughafentransit als Haft bezeichnet hatte, die nur richterlich angeordnet werden könne.
Heiko Kauffmann: „Nachdem es Kanther gelungen ist, durch eine öffentliche Kampagne das Bundesverfassungsgericht im Vorfeld der Grundsatzentscheidung zum neuen Asylrecht unter Druck zu setzen, knöpft er sich jetzt öffentlich den Bundesrat und einzelne Gerichte und Kammern vor.“