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TAG DES FLÜCHTLINGS 1998

»Verfolgte Frauen schützen!«

Zwischenbilanz und Perspektiven der Kampagne

Günter Burkhardt

Herausgegeben zum Tag des Flüchtlings am 2. Oktober 1998

Herausgeber: PRO ASYL, Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge mit freundlicher Unterstützung der Deutschen Stiftung für UNO- Flüchtlingshilfe e. V., dem Deutschen Caritasverband e. V., dem Hessischen Ministerium für Umwelt, Energie, Jugend, Familie und Gesundheit und dem Interkulturellen Beauftragten der Ev. Kirche in Hessen und Nassau.

Der Tag des Flüchtlings findet im Rahmen der Woche der ausländischen Mitbürger (27. September bis 3. Oktober 1998) statt und wird von PRO ASYL in Zusammenarbeit mit dem Ökumenischen Vorbereitungsausschuß zur Woche der ausländischen Mitbürger vorbereitet.

INHALT

Zum Internationalen Frauentag 1997 haben der Deutsche Frauenrat und PRO ASYL in Zusammenarbeit mit Kirchen, Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbänden und Initiativgruppen die Kampagne »Verfolgte Frauen schützen!« gestartet.

Frauen im Lager Foto: Christian Jungeblodt / SIGNUM

Die Kampagne zielt auf drei Bereiche:

  1. die Lageberichte des Auswärtigen Amtes;
  2. die Anhörungs- und Entscheidungspraxis des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge;
  3. die asyl- und ausländerrechtlichen Rahmenbedingungen.

Anknüpfungspunkt ist ein einstimmiger Beschluß des Deutschen Bundestages vom 31. Oktober 1990. Darin wird die Bundesregierung aufgefordert,

  • »klarzustellen, daß wegen ihres Geschlechts oder wegen ihrer sexuellen Orientierung Verfolgte, also auch in Bedrängnis geratende Frauen in der Bundesrepublik Deutschland Aufnahme finden;
  • sicherzustellen, daß dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zusätzliche Informationen zu geschlechtsspezifischen Verfolgungen von Frauen für die Beurteilung der Asylgesuche von Frauen zur Verfügung gestellt werden, insbesondere über gesellschaftliche Folgen sexueller Gewalt an Frauen sowie Erkenntnisse über Verfolgungen wegen Übertretens gesellschaftlicher, kultureller und religiöser Normen in einigen Ländern;
  • der speziellen Situation von Frauen bei der Durchführung von Asylverfahren Rechnung zu tragen, insbesondere die Voraussetzungen zu verbessern, daß die Anhörung asylsuchender Frauen beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge grundsätzlich durch weibliche Bedienstete (Anhörerinnen und Dolmetscherinnen) durchgeführt wird.«

Durch die Kampagne von PRO ASYL und dem Deutschen Frauenrat wurde eine sich anbahnende Diskussion über die Situation verfolgter Frauen gebündelt und gestärkt. Zum Tag des Flüchtlings 1997 war die Thematik »Verfolgte Frauen schützen!« ein Schwerpunkt vieler Veranstaltungen. Im folgenden soll analysiert werden, zu welchen Zwischenergebnissen die Kampagne beigetragen hat und wie die Weiterarbeit aussehen soll.

1. Auswärtiges Amt

PRO ASYL und der Deutsche Frauenrat haben dem Auswärtigen Amt vorgeworfen, in den Lageberichten in den meisten Fällen dürftige Pflichtübungen abzuliefern. In vielen Fällen wird behauptet, geschlechtsspezifische Verfolgungstatbestände gebe es im jeweiligen Land nicht. Als Beispiel haben wir den Lagebericht zu Afghanistan vom 2. November 1995 genannt, in dem Menschenrechtsverletzungen gegen Frauen im Machtbereich der Taliban bagatellisiert werden. Dort hieß es lapidar: »Vor allem in den von Taliban kontrollierten Gebieten sind die Rechte der Frauen stark beeinträchtigt.« Der Bericht zu Afghanistan vom 25. April 1997 enthält diese Einschätzung nicht mehr und beschreibt auf fast einer DIN- A4- Seite die Menschenrechtsverletzungen gegenüber Frauen. Konkret heißt es: »Gegenüber Frauen und Mädchen kommt es zu massiven geschlechtsspezifischen Diskriminierungen und Menschenrechtsverletzungen.«

Auch in bezug auf die Türkei hat die Kritik offenbar zu Verbesserungen im Lagebericht geführt. Während im Bericht im August 1996 noch berichtet wird, daß geschlechtsspezifische Menschenrechtsverletzungen von erheblicher Intensität nicht bekannt seien, enthält der Lagebericht vom November 1997 Informationen über die Diskriminierung von Frauen und über Vergewaltigungen durch Polizei und Sicherheitskräfte.

Trotz dieser Verbesserungen muß jedoch festgestellt werden, daß die Lageberichte des Auswärtigen Amtes allzuoft noch mangelhaft sind. Im Lagebericht zum Irak vom Dezember 1997 finden sich keine Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen an Frauen. Dort heißt es nur: »Geschlechtsspezifische Menschenrechtsverletzungen von beachtlicher Intensität im Irak sind nicht bekannt.« Im Lagebericht zu Algerien vom 18. November 1997 wird bagatellisie rend von Diskriminierungen anstatt von

geschlechtsspezifischen Verfolgungen berichtet. Wörtlich heißt es: »Das algerische Familienrecht ist von islamischen Grundsätzen geprägt. Eine nach westlichem Verständnis soziale und rechtliche Diskriminierung von Frauen ist daher die Regel: Ihre Intensität wird individuell unterschiedlich empfunden.« Dies steht in krassem Widerspruch zu Berichten über Menschenrechtsverletzungen, die sich gezielt gegen Frauen richten. In dem Menschenrechtsbericht der USA aus dem Jahr 1997 werden neben den Informationen über Diskriminierungen auch Verfolgungen von Frauen herausgestellt: »Islamische Extremisten nahmen sich besonders Frauen zum Ziel. Zum Beispiel töteten sie Frauen von Mitgliedern von Sicherheitskräften und weibliche französische Sprachlehrer … Bewaffnete islamistische Gruppen entführten einige junge Frauen in entlegene Gebiete und behielten sie als Sex-Sklaven für Gruppenführer.«

2. Anhörungs- und Entscheidungspraxis des Bundesamtes

Die in Ansätzen festzustellende Verbesserung bei den Lageberichten des Auswärtigen Amtes zieht nicht unmittelbar eine Veränderung der Entscheidungspraxis des Bundesamtes nach sich. Dies belegen die beiden folgenden Fälle:

Eine Frau aus Afghanistan gibt zur Begründung ihres Asylantrags an, sie habe sich nach dem Einmarsch der Taliban in Kabul nur noch zu Hause aufhalten und nicht mehr zur Arbeit gehen können, nachdem eine Kollegin geschlagen und verschleppt worden sei. Das Bundesamt prüfte überhaupt nicht die Frage, ob Frauen in Taliban- Gebieten besondere Verfolgungsmaßnahmen drohen oder etwa im Fall der Berufsausübung akut gefährdet sind (Entscheidung des Bundesamtes, Februar 1997).

Eine andere Frau, die nach einer Demonstration gegen die Taliban für mehrere Tage festgenommen wurde und zur Begründung des Asylantrags angibt, mit der Herrschaft der Taliban und deren Fundamentalismus nicht einverstanden zu sein und die befürchtet, bei erneuter Aktivität gesteinigt und getötet zu werden, erhält vom Bundesamt kurz und knapp den Bescheid:

»Die Antragstellerin konnte eine politische Verfolgung nicht glaubhaft darlegen. Soweit sie sich auf eine Festnahme im November 1996 in Kabul durch die Taliban beruft, kann sie daraus weiter nichts für eine Asylberechtigung herleiten, da sie freigelassen wurde und sich verpflichten mußte, nichts mehr gegen die Taliban und deren Vorstellungen zu unternehmen. Befürchtungen der Antragstellerin hielten sich allgemein. Die Antragstellerin hatte sich an die Sharia und die islamischen Regeln, kontrolliert durch die Taliban, zu halten. Eine konkrete Verfolgung ist ihr nicht mehr entstanden. Der Asylantrag war damit abzulehnen.« (Entscheidung des Bundesamtes, August 1997)

Von zentraler Bedeutung ist die Anhörungssituation beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge. Beispielhaft sei hier der Verlauf einer Anhörung einer Frau aus Zaire im Juli 1997 am Frankfurter Flughafen dokumentiert:

Frage: Wann wurden Sie vergewaltigt?

Antwort: Das war im August 1996, als ich im Wald war.

Frage: Sind Sie sicher, daß das im August 1996 war?

Antwort: Ja.

Vorhalt: Wie kommt es, daß Sie bei Ihrer Befragung durch den Bundesgrenzschutz angegeben haben, daß Sie im Juni 1996 vergewaltigt wurden, während Sie jetzt behaupten, daß das im August war?

Antwort: Das kann nicht sein, ich habe nur gesagt, daß ich im Juni den Ort … verlassen habe und in den Wald gelaufen bin.

Frage: Mit wie vielen anderen Frauen befanden Sie sich in dem Wald?

Antwort: Viele andere Frauen.

Frage: Ich möchte Sie bitten, meine Fragen etwas konkreter zu beantworten; bei Ihrem Bildungsniveau kann ich das erwarten.

Vermerk: Die Antragstellerin wird nochmals über ihre Mitwirkungspflicht belehrt.

Antwort: Als die Männer kamen, waren wir aufgeregt und wollten fliehen. Wir waren ungefähr zwanzig Frauen, als sie kamen.

Frage: Wie viele Frauen außer Ihnen wurden noch vergewaltigt?

Antwort: Also, als ich vergewaltigt wurde, lagen neben mir noch drei andere Frauen, die auch vergewaltigt wurden.

Frage: Warum wurden ausgerechnet Sie vier vergewaltigt und die anderen sechzehn Frauen nicht?

Antwort: Nein, nein, ich habe nicht gesagt, daß die anderen sechzehn nicht vergewaltigt wurden …

Dieses Interview gleicht mehr einem Verhör. Das Ziel ist es offensichtlich, die Frau in Widersprüche zu verwickeln, um sie so als unglaubwürdig darzustellen. Eine seriöse Sachverhaltsaufklärung findet nicht statt. Aufgabe von PRO ASYL und Initiativgruppen muß es weiterhin sein, solch skandalöse Anhörungsformen zu thematisieren. Sie stehen in krassem Widerspruch zu der Außendarstellung der Bundesrepublik Deutschland. In dem Bericht der Regierung der Bundesrepublik für die 4. Weltfrauenkonferenz des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom August 1994 hatte die Bundesregierung formuliert: »Im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten erfolgt auf Wunsch einer Asylbewerberin deren Anhörung durch eine Frau. Die Entscheider und Entscheiderinnen des Bundesamtes sind durch ihre Ausbildung und intensive Einarbeitung darauf vorbereitet und qualifiziert, auch die von Frauen vorgetragenen Schicksale und Asylgründe in der gebotenen Weise aufzunehmen und zu würdigen.«

Eine der Forderungen von PRO ASYL und dem Deutschen Frauenrat ist es, daß Frauen auf Wunsch durch Anhörerinnen und Dolmetscherinnen und auf Wunsch auch getrennt von ihren Ehepartnern befragt werden. Die Forderung wird auch von der Frauenministerinnenkonferenz unterstützt. Viele Frauen haben Hemmungen, fremden Männern Demütigungen, die ihren Intimbereich betreffen, un mittelbar bei der Anhörung offenzulegen.

Allein die Anhörung durch eine Entscheiderin und die Übersetzung durch Dolmetscherinnen garantieren jedoch nicht faire und verständnisvolle Anhörungen. Die oben dokumentierte Anhörung erfolgte durch eine Frau. Grundlegende Änderungen im Anhörungsverfahren sind erforderlich.

Traumatisierte Frauen haben vielfach Schwierigkeiten, gleich zu Beginn des Asylverfahrens umfassend und im Detail über ihre Verfolgungssituation zu berichten. Deshalb fordern wir, daß frauenspezifische Fluchtgründe auch nach der Anhörung noch vorgebracht werden können, ohne daß dies als sogenanntes »gesteigertes Vorbringen«, das zur Ablehnung des Asylantrages führt, gewertet wird. Auch diese Forderung von PRO ASYL und dem Deutschen Frauenrat wird von der Frauenministerinnenkonferenz unterstützt. Die Beschlüsse vom Juni 1997 wurden mit überwältigender Mehrheit, auch mit Zustimmung vieler Frauenministerinnen aus dem Bereich der CDU, getroffen. Mit ihrer Forderung stellen sie sich gegen die Meinungsbildung des Bundesfrauenministeriums. In einem Schreiben an PRO ASYL und den Deutschen Frauenrat vom 31. Juli 1997 äußert das Ministerium die Meinung, daß diese Forderung »an den hierzu bereits bestehenden Regelungen des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) wie auch an der im Bundesamt geübten Praxis vorbei« gehe. In der Tat ist es so, daß diese dringend nötige Forderung nur durch eine Änderung des Asylverfahrensgesetzes realisiert werden kann. In § 25 Abs. 3 AsylVfG heißt es: »Ein späteres Vorbringen des Ausländers kann unberücksichtigt bleiben, wenn andernfalls die Entscheidung des Bundesamtes verzögert würde.«

Auch das Gericht kann diese Umstände in einem späteren Verfahren unberücksichtigt lassen. § 36 Abs. 4 AsylVfG sagt: »Ein Vorbringen, das nach § 25 Abs. 3 im Verwaltungsverfahren unberücksichtigt geblieben ist, sowie Tatsachen und Umstände im Sinne des § 25 Abs. 2, die der Ausländer im Verwaltungsverfahren nicht angegeben hat, kann das Gericht unberücksichtigt lassen, wenn andernfalls die Entscheidung verzögert würde.«

Damit werden die gesetzlichen Voraussetzungen geliefert, daß verfolgten Frauen der nötige Schutz des Asylrechts verweigert wird. Es sollte an dieser Stelle betont werden, daß von dieser Ausschlußregelung nicht nur Frauen betroffen sind. Psychologinnen und Psychologen sowie Ärztinnen und Ärzte haben wiederholt darauf hingewiesen, daß auch z. B. gefolterte Männer oft nicht in der Lage sind, zu Beginn ihres Asylverfahrens im Detail die Folterungen zu schildern. Entscheidend ist also eine Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen.

3. Zur Rechtsprechung und zur Auslegung der Genfer Flüchtlingskonvention

Es ist zunehmend festzustellen, daß politisch verfolgte Frauen wie Männer immer seltener Asyl nach Artikel 16a Grundgesetz erhalten. Einer der Hauptgründe hierfür ist die Drittstaaten- Regelung. In den letzten Jahren ist ein Anstieg der Anerkennungen nach § 51 Ausländergesetz festzustellen. Dort sind die Asylgründe der Genfer Flüchtlingskonvention fixiert. Er heißt: »
(1) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist.«

Im Unterschied zum Grundgesetz ist nach der Genfer Flüchtlingskonvention nicht erforderlich, daß die Verfolgung unmittelbar vom Staat ausgeht. Im Asylverfahren geht das Bundesamt jedoch ebenso wie die Rechtsprechung davon aus, daß eine Verfolgung von staatswegen vorliegen müsse. Die Verfolgung von Frauen wird oft als nicht staatlich, nicht politisch und damit als für das Asylverfahren unerheblich deklariert.

Beispiele:

  • Entgegen aller Erfahrungen aus dem Krieg in Bosnien werten deutsche Gerichte Vergewaltigungen im Rahmen von Kriegshandlungen oft noch als nicht asylrelevante Exzesse einzelner. Beispiel Sri Lanka: »Die vorwiegend bei der Großoffensive… verübten Vergewaltigungen sind … nicht dem Tatbestand an dem Staat zuzurechnenden Verfolgung, sondern dem Bereich der Exzesse einzelner zuzuweisen. Auch wenn die Kampfführung der Truppen insbesondere bei der Großoffensive allgemein durch Rücksichtslosigkeit und Brutalität gegenüber der Zivilbevölkerung bestimmt war, werden die Vergewaltigungen nach übereinstimmenden Auskünften den unteren Rängen der Streitkräfte zugeschrieben und mit – auch alkoholbedingter – Disziplinlosigkeit in Zusammenhang gebracht.« (OVG NRW, Urteil vom 14.06.1996, 21 A 5046/ 94. A)
  • Somalia: Entscheidung des Bundesamtes vom 23.02.1996 (AZ: E 2 003 231- 273). Eine somalische Antragstellerin trug zur Begründung ihres Asylantrags u. a. vor, Angehörige einer anderen Miliz seien in ihre Wohnung gekommen und hätten drei ihrer Brüder erschossen. Dann seien sie noch einmal gekommen und hätten sie und ihre Schwester vergewaltigt. Aus der Entscheidung: »Die von der Antragstellerin vorgetragenen Repressalien und Schikanen durch Angehörige vom Stamme … sind allein Ausfluß der bürgerkiegsähnlichen Verhältnisse, in denen es neben den militärischen Auseinandersetzungen auch zu einzelnen Übergriffen auf die Zivilbevölkerung kommt. … Nach einhelliger Auffassung der Rechtsprechung ist somalischen Antragstellern die Asylgewährung im Sinne des Art. 16a Abs. 1 Grundgesetz zu versagen, da politische Verfolgung grundsätzlich staatliche Verfolgung ist. … Auch der Verfolgungsbegriff des § 51 Abs. 1 S. 1 AuslG setzt … als staatliche Verfolgung die effektive Gebietsgewalt eines Staates voraus und ist somit für die Situation in Somalia auch nicht zutreffend. … Auch Abschiebungshindernisse nach § 53 Ausländergesetz sind zu verneinen, da die hierfür erforderlich individuell- konkrete Gefährdung nicht vorliegt, vielmehr von einer lediglich allgemeinen Gefährdung aufgrund der Bürgerkriegssituation auszugehen ist.«

Eine der zentralen Forderungen von PRO ASYL ist, daß Flüchtlinge nach § 51 Abs. 1 Schutz erhalten, auch wenn die Verfolgung nicht unmittelbar vom Staat ausgeht.

Zwar ist es im Grundsatz auch bisher möglich, daß eine Verfolgung aus geschlechtsspezifischen Gründen zur Anerkennung nach Art. 16 oder § 51 AuslG führt. Da Bundesamt und Gerichte allzuoft den Begriff der politischen Verfolgung zu eng auslegen, ist eine Klarstellung im Ausländergesetz sinnvoll. Mit folgender Gesetzesänderung würden die Beschlüsse des Exekutivkomitees des UNHCR und die Beschlüsse der Frauenministerinnenkonferenz vom 25. / 26. Juni 1997 in geltendes Recht umgesetzt werden:

»Die Voraussetzungen des Absatzes 1 liegen vor bei:

  1. Asylberechtigten,
  2. Ausländerinnen und Ausländern, die harte oder unmenschliche Behandlung zu erwarten haben, weil sie gegen den sozialen Sittenkodex in der Gesellschaft ihres Herkunftslandes verstoßen haben, und deshalb eine bestimmte soziale Gruppe im Sinne von Art. 1A (2) der UN- Flüchtlingskonvention von 1951 darstellen,
  3. Ausländerinnen und Ausländern, denen Verfolgung durch sexuelle Gewalt, wegen der Rasse, Religion, Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen der politischen Überzeugung droht und deren begründete Furcht davor den Anspruch auf den Rechtsstatus nach § 3 AsylVfG begründet,
  4. sonstigen Ausländerinnen und Ausländern, die im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. In den Fällen des Absatzes 2, Nr. 2 und 3 und in sonstigen Fällen, in denen sich der Ausländer auf politische Verfolgung beruft, stellt das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in einem Asylverfahren nach den Vorschriften des Asylverfahrensgesetzes fest, ob die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylverfahrensgesetzes angefochten werden.«

(blau: die wesentlichen Änderungsvorschläge)


Günter Burkhardt ist Geschäftsführer von PRO ASYL.

1 Margit Gottstein hat eine Analyse der aktuellen Entwicklung in der Rechtsprechung für PRO ASYL erarbeitet. Dieser grundlegende Text ist abgedruckt im Reader »Verfolgte Frauen schützen!«.
Reader »Verfolgte Frauen schützen!«

Reader »Verfolgte Frauen schützen!«

Dieser Reader enthält grundlegende Texte wie z. B. Beschlüsse des Deutschen Bundestages, Beschlüsse der Frauenministerinnenkonferenz, Empfehlungen der Härtefallkommission des Landes Nordrhein- Westfalen, die kanadischen Richtlinien zur geschlechtsspezifischen Verfolgung, Beschlüsse des Exekutivkomitees des UNHCR etc. und kann bei PRO ASYL bestellt werden.


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