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TAG DES FLÜCHTLINGS 1991

Unterbringung von Flüchtlingen
durch kirchliche Wohnprojekte

Irmela Wiesinger

„Überfüllte Zelte in der Hessischen Gemeinschaftsunterkunft für ausländische Flüchtlinge in Schwalbach. – Die Gemeinde X belegt eine Turnhalle mit 50 Asylbewerbern. – Jugendliche in der Gemeinde Y protestieren gegen die Unterbringung von Asylsuchenden in ihrem Jugendzentrum. – Der Bürgermeister der Stadt Z klagt gegen die Zwangszuweisung von Flüchtlingen wegen fehlender Unterbringungsmöglichkeiten.“

Diese oder ähnliche Meldungen über den Unterbringungsnotstand von Asylbewerbern und über die angeblich bis über alle Maßen überstrapazierte Aufnahmebereitschaft der Bevölkerung sind keine Neuigkeit. Sie spiegeln ein Phänomen wider, das leider seit Jahren schon fast zum Alltag gehört, und sie suggerieren ein Bild, das politisch so gewollt ist: die gesetzlich nach Quoten festgelegte Aufnahmepflicht der Bundesländer, Landkreise und Gemeinden wird von Politikern dargestellt als eine alle Jahre wieder plötzlich und unerwartet hereinbrechende Katastrophe, für die ausschließlich die überraschend hohen Zugangszahlen verantwortlich gemacht werden, obwohl aufgrund der Zahlenentwicklung der vergangenen Jahre und der frühzeitig bekanntgegebenen Prognosen eine vorausschauende Planung möglich gewesen wäre. Auch die Tatsache, daß viele Landkreise und Kommunen bereits seit Jahren mit der Aufnahme von Asylbewerbern im Rückstand sind, wird in der Öffentlichkeit geflissentlich verschwiegen. Hinter dieser Katastrophenpolitik, die bei der Bevölkerung in der Tat Ängste und Abwehrreaktionen gegenüber Flüchtlingen hervorrufen muß, steht die herrschende Politikmeinung, daß

  1. die Tatsache, daß Menschen in zunehmendem Maße auch bei uns um Schutz nachsuchen werden, als die eigentliche Katastrophe angesehen wird, die es zu verhindern gilt, indem man am besten überhaupt keine Vorsorge trifft und suggeriert, daß die Aufnahmekapazität erschöpft sei. Dies fügt sich nahtlos ein in die Politik der Abschreckung und Zugangsverhinderung von Asylsuchenden.
  2. der Großteil der Asylbewerber unser Asylrecht ohnehin mißbrauche. Mit irreführenden Statistiken und Informationen will man der Bevölkerung glauben machen, daß sich Flüchtlinge nur vorübergehend bei uns aufhalten und nach einem schnellen erfolglosen Asylverfahren ebenso schnell wieder abgeschoben werden. Demzufolge reduziert sich das politische Handeln der Kommunen auf ein ad-hoc-Krisenmanagement zur kurzfristigen „Verwahrung“ von Menschen, für die nach gesetzlicher Vorgabe ohnehin keine integrationsfördernden Maßnahmen erbracht werden sollen.

Solch ein realitätsferner Politikansatz, der die Probleme, die sich aus mangelnder zukunftsorientierter Planung ergeben, immer nur den Flüchtlingen anlastet und damit flüchtlingsfeindliche Tendenzen in der Bevölkerung erst produziert, ist zwangsläufig zum Scheitern verurteilt.

Vielmehr geboten ist ein Akzeptieren und ein Sich-Einstellen darauf, daß Asylsuchende dauerhaft in unseren Städten und Gemeinden leben werden. In einer Zeit, in der das Thema Asyl fast nur noch unter dem Aspekt des sozialen Konflikts wahrgenommen wird, ist es umso dringlicher, mit Phantasie und Zähigkeit nach machbaren Alternativen für Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen zu suchen. Eines von vielen Beispielen ist das ökumenische Wohnprojekt der Christlichen Flüchtlingshilfe in Egelsbach (CFE), deren Anliegen es ist, Asylbewerber aus ihren Sammelunterkünften herauszuholen und sie unter menschenwürdigen Bedingungen in Wohngebieten der örtlichen Gemeinde unterzubringen. Wie ist das Projekt organisiert?

Juristischer Träger ist eine gemeinnützige GmbH. Ihre vier Gesellschafter sind die evangelische Kirchengemeinde, die katholische Kirchengemeinde, das evangelische Dekanat Dreieich und der Caritas- Verband. Als Geschäftsführer handeln die Pfarrer der katholischen und evangelischen Kirchengemeinde.

Wie entstand die Idee zu diesem Projekt? Als das Asylbewerberwohnheim „Wildpark“ am Rande Egelsbachs eingerichtet wurde, merkten wache Bürger schnell, daß dort Menschen über Jahre hinweg unter beengten Verhältnissen einfach „geparkt“ werden. Deshalb haben sie sich zur Initiative „Arbeitskreis Flüchtlinge“ zusammengeschlossen mit dem Ziel, den Asylsuchenden in ihrer fremden Umgebung praktische Lebenshilfen zu geben und sie in das normale Gemeindeleben zu integrieren. Doch vieles von ihrer Initiative blieb im nervigen Behördendschungel oder aufgrund mangelnder Einflußmöglichkeiten stecken. Sie suchten nach Möglichkeiten weitergehender Betreuung und stießen auf die „Christliche Flüchtlingshilfe Mörfelden /Walldorf“, eine gemeinnützige GmbH, die von den beiden evangelischen Kirchengemeinden dieser Orte getragen wird. Sie betreibt drei Häuser, in denen Flüchtlinge leben können.

Damit stand das Vorbild vor Augen. Doch in Egelsbach sollte das Projekt auf ökumenische Beine gestellt werden. Also wurden die evangelische und katholische Kirchengemeinde angesprochen und über viele Gespräche hinweg für das Projekt gewonnen. Nachdem ein geeignetes Wohnhaus gefunden wurde, mit dem zumindest für drei Familien ein neuer Anfang geschaffen werden sollte, wurden die Nachbarn zu Gesprächen eingeladen und über das Vorhaben informiert. Dadurch sollten bereits im Vorfeld Abwehrreaktionen bei der Bevölkerung abgebaut werden. Den anfänglichen Befürchtungen einiger Bürger konnte schon dadurch begegnet werden, indem man der Bevölkerung klarmachte, daß es sich bei dem Projekt nicht um eine Massenunterkunft mit all ihren bekannten sozialen Folgeproblemen handelte, sondern um eine dezentrale Unterbringung in einem kleinen und überschaubaren Rahmen.

Aufgrund der aktiven Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit sagte auch die politische Gemeinde ihre Unterstützung zu und beteiligte sich mit einem Zuschuß an der Finanzierung des Projektes.

Sowohl die Finanzierung des Hauses als auch die laufenden Ausgaben kosten viel Geld. Woher kommt es?

Die CFE hat mit dem Kreis Offenbach einen Vertrag abgeschlossen, in dem dieser sich verpflichtet, für die Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen den üblichen Tagessatz von DM 25,- zu zahlen. Private Geschäftsleute haben die Unterbringung von Asylbewerbern mit Hilfe von staatlichen Geldern schon lange als Einkommensquelle entdeckt, -mit der sich auf Kosten der Asylbewerber viel verdienen läßt, denn in der Regel werden diese Mittel nicht für eine Verbesserung der Wohn- und Betreuungsbedingungen in den Gemeinschaftsunterkünften eingesetzt. Die Träger unseres Wohnprojektes denken jedoch anders herum: Diese staatlichen Gelder, die ohnehin für diese Arbeit eingeplant waren, sollen so sinnvoll wie möglich in Lebenschancen für Flüchtlinge umgesetzt und gemeinnützig angewandt werden, so daß damit das Haus, die Sozialarbeit und Betreuung finanziert werden kann.

Wie wirkt sich die dezentrale Unterbringung in Wohnungen auf die Lebenssituation und Sozialarbeit mit ihnen aus? Dazu folgende fünf Thesen:

  1. Wohnen unter menschenwürdigen Bedingungen heißt zunächst einmal für uns ganz selbstverständlich über Privatsphäre, Rückzugsmöglichkeiten und Freiräume zu verfügen. Dies ist eine grundlegende Voraussetzung für eine selbstbestimmte, eigenverantwortliche Lebensführung.
  2. Erst ein für Flüchtlinge und Deutsche sozialverträglich gestaltetes Wohnkonzept läßt ein Klima der gegenseitigen Akzeptanz entstehen, in dem die soziale Isolation aufgebrochen werden kann. Eine Integration, die sich nicht als Assimilation, sondern als Teilhabe am Gemeindeleben bei Bewahrung der eigenen kulturellen Identität versteht, bedeutet aber auch, daß die Flüchtlinge selbst entscheiden, welche und wieviele Schritte sie in diese Richtung gehen wollen. Die Voraussetzungen dafür sind jedoch geschaffen.
  3. Auf diese zwei Grundpfeiler des Wohnkonzeptes kann Sozialarbeit aufbauen und ist nicht länger wie in sonstigen Gemeinschaftsunterkünften sozialer Reparaturbetrieb für die durch staatliche Vorgaben im Zustand der Entmündigung gehaltenen Flüchtlinge. Wenngleich die Restriktionen wie Residenzpflicht und Arbeitsverbot und die Angst vor dem ungewissen Ausgang des schwebenden Asylverfahrens auch die Familien in unserem Projekt belasten, sind sie durch ihre selbstbestimmte Lebensführung jedoch psychisch in der Lage, präventive Angebote von Sozialarbeit aufzugreifen und sich eigeninitiativ für ihre Anliegen einzusetzen.
  4. Eine wichtige Aufgabe von Sozialarbeit ist es deshalb, in Zusammenarbeit mit den ehrenamtlichen Mitarbeitern/ -innen des Arbeitskreises nach sinnvollen Beschäftigungsangeboten zu suchen und Kontaktmöglichkeiten zu schaffen, z. B. durch Hausaufgabenhilfe, Spielkreise, Deutschunterricht, verschiedene Kursangebote, gemeinsame Feste und Informationsabende, d. h. Vermittlungs- und Vernetzungsstelle zu sein für Flüchtlinge und Deutsche.
  5. Die Begleitung der Sozialarbeit durch den Kreis der Ehrenamtlichen stellt ein wesentliches Bindeglied zur kirchlichen und politischen Gemeinde dar. Durch vielfältige Kontakte entsteht somit ein enges Netz von sozialen Bindungen, das auch positive Rückwirkungen auf das kirchliche Gemeindeleben hat.

Durch die Erfahrungen mit dem Projekt und die Einbeziehung von politisch Verantwortlichen und Bevölkerung konnte zumindest erreicht werden, daß das Phänomen „Asylantenproblem in unserer Stadt“ in Egelsbach aus den Schlagzeilen verschwunden ist. Zweifellos ist dieses Konzept nicht mehr als der berühmte Tropfen auf den heißen Stein und ersetzt keineswegs das weitere Einklagen einer menschenwürdigeren Asylpolitik. Ich wünsche mir jedoch, daß die positiven Erfahrungen mit diesem Projekt anderen Gemeinden und Initiativen Mut machen, auf Städte und Kommunen zuzugehen, um gemeinsam nach gangbaren Wegen zu einer humanen Flüchtlingsunterbringung zu suchen.

Januar 1991
Irmela Wiesinger
Christliche Flüchtlingshilfe Egelsbach Woogstraße 1 c, 6073 Egelsbach

Meine Heimat

Meine Heimat war ein schönes Land
Mit hohen Gebirgen
Blauem Himmel und lauter
Weitem und breitem Land

Und lebender See,
Immer fließendem Fluß,
Netten und gutherzigen Menschen.

Meine Heimat war das Land der Sonne,
Der immer schimmernden Sonne,
Der immer die Erde wärmenden Sonne,
Wärmend die kalten Herzen unseres
Volkes.

Aber schade!

Schade!
Daß die häßlichen Lämmergeier
Dieses grüne Land in ein schwarzes
Und den blauen Himmel in einen
wolkigen
Und unsere lebende See in eine ruhige verwandeln,

Daß weiße und schöne Vögel unseres Landes
Gefangen im Bauer sitzen gelassen werden.
Und die Geier sind frei!

Die häßlichen Schreie der Eulen
schallen wie aus Ruinen vom Iran,
und der nette und angenehme Gesang
der Vögel,
still … und erloschen.

Anahita A. (aus dem Iran) Teilnehmerin von Sprachkursen des DRK Kreisverbandes Bonn

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