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TAG DES FLÜCHTLINGS 1992

Türkei

Aus der Türkei kamen in den vergangenen Jahren mit die meisten Flüchtlinge. Viele von ihnen gehören der kurdischen Minderheit an, deren Sprache und Kultur die türkische Regierung unterdrückt. In der Grenzregion zum Irak gehen die irakische Armee und die türkische Regierung mit brutalem Militäreinsatz gegen Kurden vor. Doch auch die Bundesrepublik trägt Verantwortung für die Flucht von Menschen aus der Türkei: Einem Bericht der Frankfurter Rundschau vom 21.12.1991 zufolge erhielt die türkische Armee seit Juli 1991 von der Bundesrepublik Deutschland mehr als 256.125 Maschinenpistolen vom Typ Kalaschnikow, 5.000 Maschinengewehre, rund 450 Millionen Stück Munition unterschiedlicher Kaliber, fünf Luft-Boden-Raketen, 500.000 Stahlhelme und mehr als 100.000 Panzerfäuste aus dem Bestand der ehemaligen Nationalen Volksarmee.

Appelle an den NATO-Staat Türkei, der Mitglied der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit des Europarates ist, seine Menschenrechtspolitik zu ändern und die Unterdrückung der Kurden einzustellen, werden auf diese Weise konterkariert.

Andererseits haben Kurden in der Bundesrepublik keinen Asylanspruch nur aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit, wie zuletzt der Senat des niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts in Lüneburg“ Ende Januar 1992 urteilte, weil sie in der Türkei keiner staatlichen Verfolgung als Volksgruppe unterlägen.

Faktenübersicht:

Seit dem „Friedensvertrag von Lausanne“ 1923 ist Kurdistan, dessen Gebiet ungefähr die Größe Frankreichs hat, auf vier Staaten aufgeteilt:

  • in der Türkei: ca. 12 Millionen Kurden = ca. 25 % der Bevölkerung
  • im Irak: ca. 4,5 Millionen = ca. 21 % der Bevölkerung
  • in Syrien: ca. 1 Million = ca. 11 % der Bevölkerung
  • im Iran: ca. 7,5 Millionen = ca. 10% der Bevölkerung

Geschichte der Kurden:

Der verratene Traum vom eigenen Staat

Den Staat Kurdistan gab es nie, obwohl die zum Islam bekehrten Kurden schon über zwei Jahrtausende in weitgehend identischen Regionen in Westasien leben. Ihr größter Sohn war Sultan Saladdin, der 1187 Jerusalem eroberte.

Mit den Osmanen schlossen die kurdischen Fürsten 1515 einen Pakt-Autonomie gegen Soldaten. Das Abkommen sicherte ihnen 300 Jahre ein friedliches Zusammenleben.

Damit war es vorbei, als kurdische Führer Anfang des 19. Jahrhunderts vom Nationalstaaten-Virus der Französischen Revolution angesteckt wurden. Doch endgültig begann der Leidensweg der Kurden 1918 nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reichs, das im Ersten Weltkrieg an der Seite des Deutschen Reichs gekämpft hatte. Im Vertrag von Sevres versprachen die Siegermächte 1920 den Kurden Autonomie, den Armeniern, den Opfern des ersten Genozids dieses Jahrhunderts, gar die Unabhängigkeit. Beide Völker wurden betrogen, im „Vertrag von Lausanne“ war von ihnen keine Rede mehr. Die Briten zogen es vor, die kurdischen Erdölregionen Kirkuk und Mosul ihrem Mandatsgebiet Irak einzuverleiben, die Franzosen vergaßen die Kurden in ihrem Mandatsgebiet.

Bis auf den heutigen Tag sind die türkischen Kurden ein gedemütigtes, von mörderischen Armee- und Gendarmerie-Aktionen gepeinigtes Volk. „Bergtürken“ hießen sie offiziell, ihre Sprache war verboten.

Seit die Kurden auf fünf Staaten aufgeteilt sind, dienen sie als Spielball fremder Mächte. Sie suchten oftmals im Ausland Hilfe und mußten dafür bluten.

Bei den zahlreichen Kurden-Aufständen im Irak wiederum mischte der Iran häufig mit – und beim Kurdenkrieg 1975 waren auch die Amerikaner mit von der Partie, die dem Führer der Kurden Mustafa el- Barsani Unterstützung zugesagt hatten. Als der Schah jedoch in jenem Jahr gegen den Irak seine Grenzansprüche am Schatt el-Arab durchsetzen konnte, ließ Washington die Kurden fallen. Bagdad nahm furchtbare Rache mit Napalmbomben, 300.000 Kurden flohen nach Iran. Vom Beginn des jetzigen Baath-Regimes 1968 bis zum Anfang des Golfkrieges, schätzt die Gesellschaft für bedrohte Völker, sind im Irak 200.000 Kurden umgebracht worden.

5.000 Dörfer im Norden wurden zerstört, unzählige Kurden in den Süden deportiert aus Rache dafür, dass irakische Kurden sich im iranisch- irakischen Krieg von Iran aufwiegeln ließen. Dasselbe hatte der Irak mit iranischen Kurden getan, weshalb auch sie neuerlichen Verfolgungen ausgesetzt waren.

Der Golfkrieg zur Befreiung von 680.000 Kuwaitern stürzte vier Millionen irakische Kurden in den Abgrund. Für die über 20 Millionen in Kurdistan hat der Krieg eines ihrer ältesten Sprichwörter wieder einmal bestätigt: „Die Kurden haben keine Freunde.“

(zusammengefaßt nach: Spiegel-Artikel „Verfolgt-Verjagt-Vergast“, Nr.15/1991)

Krieg in Türkisch-Kurdistan

Dorfschützersystem

In den kurdischen Provinzen der Türkei herrscht faktisch Kriegs- und Ausnahmezustand. Die Rechtsstaatlichkeit ist weitgehend außer Kraft gesetzt, der Supergouverneur (Supervali) Hayri Kozakcioglu hat umfangreiche Sondervollmachten – mit denen eines Kriegsrechtskommandanten vergleichbar. Seit 1985 werden Milizionäre aus den kurdischen Dörfern rekrutiert, die als orts- und sprachkundige Hilfstruppen mit der Armee gegen die Guerilla kämpfen oder „verdächtige Personen und Vorfälle“ zur Anzeige bringen sollen. Damit werden Dorfbewohner in einer völlig ausweglosen Situation zwischen Militär und Guerilla aufgerieben.

Die Rekrutierung erfolgt, wenn nicht willig, dann unter extremen Zwangsbedingungen, wie öffentlicher Folter und entwürdigender Behandlung, Umzingelung von Dörfern durch das Militär mit dem Verbot, das Dorf zu verlassen und die Felder zu bestellen, oder der Vernichtung der NahrungsmitteIvorräte. Als Teil des Militärs sind Dorfschützer und ihre Dörfer Angriffsziele der kurdischen Guerilla.

Zwangsevakuierungen

Gebiete in der Nähe der Grenzen zu Irak und Syrien werden entvölkert, um menschenleeres Gebiet zu schaffen, in dem das Militär leicht operieren kann.

Über 2.000 Dörfer sind auf diese Weise bereits „geräumt“ worden – allein zwischen August 1990 und dem Beginn des Golfkriegs verloren ca. 100.000 Menschen ihre Existenzgrundlage. Nach Beginn des Golfkriegs wurden 40.000 Soldaten in die Grenzregion zum Irak verlegt. Die türkische Regierung gibt eine Zahl von 200.000 bis 300.000 Soldaten an. Weite Gebiete, Felder und Anbauflächen werden vom türkischen Militär blockiert; in der Grenzregion zum Irak wurden nach Berichten des türkischen Menschenrechtsvereins mehrere tausend Hektar Wald verbrannt. Seit dem 2. August 1991 sind mehr als 50.000 Menschen vertrieben worden. Die Flüchtlinge leben unter menschenunwürdigen Bedingungen entweder in den kurdischen Provinzen oder Regionalstädten. Manche sind weitergewandert bis in die türkischen Großstädte am Mittelmeer oder noch weiter nach Westen. Sie sind Opfer der militärischen Auseinandersetzungen zwischen dem türkischen Staat, seinen Sondereinheiten und der sich ausweitenden Bewegung der kurdischen Guerilla in der Region. Auch die Fluchtburgen der kurdischen Bevölkerung, Städte wie Cirnak, werden vom türkischen Militär angegriffen.

Aufhebung wichtiger Menschenrechte

Die Aufhebung der Menschenrechte zeigte die türkische Regierung am 6. August 1990 dem Europarat an, also vier Tage nach der Besetzung Kuwaits durch die irakischen Truppen. Begründet wurde dieser Schritt mit terroristischen Aktivitäten in dieser Region. Dieses Vorgehen hat zu einer weiteren Zuspitzung der Situation in Türkisch-Kurdistan geführt.

Am 12. April 1991 wurde das Gesetz Nr. 3713 „Gesetz zur Bekämpfung des Terrorismus“ verabschiedet. Zwar wurden die alten Gesinnungsartikel 141, 142 und 163 und das Sprachverbotsgesetz aufgehoben und viele politische Häftlinge konnten danach freikommen, doch bietet das neue Gesetz durch etliche unbestimmte Rechtsbegriffe die Möglichkeit der Kriminalisierung politischer Aktivitäten. So ist der Begriff „Terror“ so weit gefaßt, daß sämtliche politischen Aktionen, die öffentlichen Druck erzeugen, als „Terror“ mit besonders hohen Strafen belegt werden können.

Artikel 1 (Definition von Terror): „Die in der Verfassung festgelegte Beschaffenheit der Republik, die politische, rechtliche, soziale, laizistische oder wirtschaftliche Grundordnung unter Anwendung von Druck, Nötigung und Gewalt, Verbreitung von Angst und Schrecken, Einschüchterung oder Drohung zu verändern oder die unmittelbare Einheit von Gebiet Nation des türkischen Staates und Republik zu zerstören. Alle Aktionen von Mitgliedern einer Organisation oder Einzelpersonen, die darauf abzielen, die Existenz des türkischen Staates und der Republik zu gefährden, die staatliche Autorität zu schwächen…“.

Aus einer Bewertung von Prof. Nevzat Toroslu an den Vorstand der Rechtsanwaltskammer Istanbuls: „So wichtig die Bekämpfung des Terrors für den Schutz des Rechtsstaates ist, so auch daß dieser Kampf mit legitimen Rechtsmitteln geführt wird. Nicht nur die Bestrafung von Handlungen, die praktisch aus der Wahrnehmung und Benutzung der Menschenrechte resultieren, sondern auch die Nichtbestrafung von Straftaten, die unter dem Vorwand des Staatsschutzes begangen werden, verletzen die Rechtsstaatlichkeit.“

Folter

Es wird in der Türkei systematisch gefoltert. Amnesty International gibt an, daß von 1988 bis 1989 500 Personen in türkischen Gefängnissen gefoltert wurden. Führende türkische Regierungsbeamte bestreiten jedoch, daß in ihrem Land gefoltert wird.

Allein in den ersten Monaten des Jahres 1991 kamen zwölf Menschen in Polizeigewahrsam um. Auch der jährliche Bericht des Menschenrechtsvereins von Ankara, der Folterfälle dokumentiert, ist ein deutliches Beispiel für die Allgegenwart der Folter. Obwohl Folter nach dem türkischen Strafgesetzbuch strafbar ist, verlaufen die wenigen Ermittlungsverfahren gegen Folterbeamte im Sande. Die beteiligten Anwälte und Ärzte haben Angst. Artikel 15 des „Antiterrorgesetzes“ sieht ausdrücklich vor, daß gegen Mitarbeiter der Sicherheitskräfte, denen Straftaten vorgeworfen werden, die sie bei Erfüllung ihrer Aufgaben begangen haben, keine Untersuchungshaft verhängt werden darf.

Eine tödliche Chronologie

Im Juni und Juli 1991 wurden im Südosten der Türkei mehrere Lokalpolitiker unter ungeklärten Umständen ermordet, wobei Vorwürfe erhoben wurden, daß es sich um staatliche Morde handelte. Im gleichen Zeitraum kam es zu einer Reihe von Bombenanschlägen gegen Mitglieder des türkischen Menschenrechtsvereins.

Amnesty International listet in einer Dokumenation (ai-Index: EUR 44/114/ 91) folgende „Fälle“ auf. Sie werden hier zusammenfassend wiedergegeben:

18. Juni nachts um 2.10 Uhr: Bombenexplosion im Auto des Rechtsanwalts Mustafa Özer vor seinem Haus in Diyarbakir. Özer ist Mitglied des Menschenrechtsvereins und ehemaliger Vorsitzender der Anwaltskammer von Diyarbakir.

25. Juni mitternachts: Das Büro des Menschenrechtsvereins in Diyarbakir wird durch eine Explosion zerstört.

2. Juli morgens: Bombenexplosion im Auto von Sidik Tan in Batman, kurz nachdem Tan, Vorstandsmitglied des Menschenrechtsvereins in Batman, den Wagen geparkt hatte. Sein 10jähriger Sohn, ein Freund und Tan wurden verletzt.

Bei keinem dieser Anschläge ist bekannt, wer sie ausgeführt hat.

5. Juli um Mitternacht: Vedat Aydin wird von mehreren bewaffneten Männern, offenbar Polizisten in Zivil, aus seiner Wohnung in Diyarbakir abgeholt. Am Montag, den 8. Juli wird seine Leiche mit mehreren Schußwunden und deutlichen Folterspuren an einem Ort, etwa 60 Kilometer von Diyarbakir entfernt, gefunden. Vedat Aydin, ein ehemaliger Lehrer, 37 Jahre alt und verheiratet, war Mitglied des Menschenrechtsvereins und Vorsitzender der „Arbeitspartei des Volkes“ (HEP) von Diyarbakir. Gegen ihn lief ein Verfahren vor dem Staatssicherheitsgericht Ankara, da er auf der Jahresversammlung des Türkischen Menschenrechtsvereins im Oktober1990 eine Rede in kurdischer Sprache gehalten hatte. Dies war nach einem im April 1991 aufgehobenen Gesetz strafbar. An der Beerdigung von Vedat Aydin am 10. Juli 1991 nahmen Tausende Menschen teil, sieben Demonstranten starben, getroffen von Kugeln von maskierten Angehörigen der „Spezialeinheiten“, die über und in die Menge schossen.

Kurz nach den Schüssen stürmten Polizisten und Angehörige der Spezialeinheiten einen Bus, in dem sich Journalisten, Fotografen und Abgeordnete der HEP befanden, und warfen Tränengasbomben hinein.

Seit dem Tag der Beerdigung sind fünf Personen verschwunden.

Zwei von vier Abgeordneten der regierenden Mutterlandpartei (ANAP), die vom Ministerpräsidenten beauftragt worden waren, die Ereignisse in Diyarbakir vom 10. Juli zu untersuchen, erklärten, sie hätten den Eindruck, daß es zu den Vorfällen aufgrund eines gezielten Vorgehens der Sicherheitskräfte gekommen sei:

„Der Hauptgrund für die Vorfälle ist, daß die regionale Verwaltung alle Bewohner des Gebiets als Verbrecher betrachtet.“

Am 24. Juli hielt Präsident Özal in Diyarbakir eine Rede, die als Hinweis auf eine Politik des gezielten Todesschusses verstanden wurde: „Wir werden auch diejenigen erschießen, die Terror in ihren Raubtierlagern ausüben… wir werden keine Gnade gegenüber denen zeigen, die am Terrorismus beteiligt sind oder ihn unterstützen. […]“

(Quelle: amnesty international: ai-Index: EUR44/114/91)

Kein Asyl für Kurden aus der Türkei

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hob am 21. Januar 1992

das für die betroffenen Kurden aus der‘ Türkei positive Urteil des Verwaltungsgerichts Stade vom 25. April 1991 wieder auf. Auszüge aus dem Urteil:

Leitsätze:

Kurden sind in der Türkei einer unmittelbaren Gruppenverfolgung durch den Staat nicht ausgesetzt.

Eine Einzelverfolgung von Kurden in der Türkei wegen ihrer Gruppenzugehörigkeit ist im jeweiligen Einzelfall gesondert festzustellen.

Entscheidungsgründe:

Die Kläger haben entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keinen Anspruch auf die Gewährung politischen Asyls. Das Urteil des Verwaltungsgerichts kann deshalb keinen Bestand haben…

Die Kläger waren in der Türkei bis zu ihrer Ausreise am 5. August 1990 nicht wegen ihrer Zugehörigkeit zu der kurdischen Volksgruppe verfolgt. Eine dem türkischen Staat zuzurechnende Gruppenverfolgung dieser ethnischen Minderheit in der Türkei ist nicht festzustellen…

Die geschichtliche Entwicklung zeigt, daß die kurdische Volksgruppe einer Vielzahl von Restriktionen und Diskriminierungen unterliegt. Auch wenn der türkische Staat die Existenz dieser Volksgruppe in der Vergangenheit stets geleugnet, den Gebrauch der kurdischen Sprache behindert; sie in der Entfaltung ihrer kulturellen Eigenheiten eingeschränkt und die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung in den kurdischen Provinzen nicht gefördert hat, läßt sich nicht feststellen, daß der türkische Staat die Kurden bewußt mit dem Ziel unterdrückt und verfolgt, sie zwangsweise zu assimilieren, zu vertreiben oder zu vernichten, und damit in asylrechtlich relevanter Weise gegen die Kurden vorgeht (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.03.1981 – BVervG 9 C 6. 80 BVerwGE 62-123)…

Die zweifellos vorkommenden Übergriffe der Sicherheitskräfte gegenüber der Zivilbevölkerung sind indessen auf die Besonderheiten des Kampfes gegen die Guerilla-Gruppen der PKK zurückzuführen…

Deshalb ist die Strategie der regulären Truppen darauf gerichtet, dem im Verborgenen vorgehenden Gegner unter den Zivilisten, unter denen er sich möglicherweise getarnt befindet oder deren Unterstützung er sich versichert hat, aufzuspüren und kampfunfähig zu machen.

Die Sicherheitskräfte können aus ihrer Sicht nur dann im Kampf mit den im Volk als Zivilisten getarnten Guerilleros Erfolge verzeichnen, wenn sie zunächst in jeder in Betracht kommenden Person einen potentiellen Kämpfer oder Unterstütz er vermuten und durch geeignete Maßnahmen überprüfen, ob sich ihr Verdacht bewahrheitet oder nicht.

Das gilt insbesondere nach Terroranschlägen im näheren Umfeld des Anschlagsortes. Weiter wird sich die Strategie der Sicherheitskräfte, unabhängig von der Frage, ob der jeweils Verhaftete den Guerilla-Kampf aktiv unterstützt oder nicht, zusätzlich darauf richten, den Untergrundkämpfern durch Massenverhaftungen und Einschüchterung der Zivilbevölkerung eine Rekrutierung neuer Kämpfer bzw. sonstiger Unterstützer aus dem Volk zumindest vorübergehend unmöglich zu machen.

Aus diesen Überlegungen, die in gleicherWeise für die Terroristenbekämpfung gelten, ergibt sich, daß ein auch von besonderer Härte gekennzeichnetes Vorgehen der Sicherheitskräfte hier gegen die Bewohner der südöstlichen Gebiete der Türkei nicht als Beleg dafür gewertet werden kann, daß sich die staatlichen Maßnahmen gegen die Volksgruppe der Kurden schlechthin richten. Es handelt sich um Maßnahmen der Sicherheitskräfte in Reaktion auf vorausgegangene Anschläge der Untergrundkämpfer; sie richten sich nicht gegen die gesamte, etwa 13 Millionen Menschen umfassende kurdische Volksgruppe in der Türkei, sondern gegen die kurdische PKK-Guerilla…

Auch die anhaltenden schwerwiegenden Übergriffe der staatlichen Sicherheitsorgane (vor allem des Militärs, der Sondertruppen und der Gendarmerie) gegenüber der Bevölkerung in den kurdischen Siedlungs gebieten bedeuten keine allgemeine oder regionale, gegen die Volkszugehörigkeit der Kurden gerichtete Gruppenverfolgung.

Auch wenn die Situation der Türkei weiterhin von Härte und Willkür gegen über der mit terroristischen Mitteln kämpfenden PKK, gegenüber echten und vermeintlichen Unterstützern der PKK und schließlich auch gegenüber Unbeteiligten geprägt ist, läßt sich eine asylrechtlich relevante Verfolgung der kurdischen Volksgruppe weiterhin nicht feststellen und ist auch angesichts der jüngeren innenpolitischen Entwicklung in der Türkei in absehbarer Zukunft nicht zu erwarten.

Den vollständigen Text des Urteils sendet Ihnen die Zentrale Dokumentationsstelle der Freien Wohlfahrtspflege (ZDWF), Hans-Böckler-Straße 3, 5300 Bonn 3, Telefon 0228/462047-48 (Case Nr. 8417 angeben), gegen Erstattung der Unkosten zu.

Quellen und weiterführende Literatur

Ron Ofterdinger, in: Ein Volk im Exil. Anhörung zur Situation der Kurden im Bayerischen Landtag.

Bezug: DIE GRUNEN, Elisabeth Kohler,
Ismaninger Str. 7, 8000 München 80

Folter, Unterdrückung, Gewalt und Staatsterror in der Türkei und Türkei-Kurdistan. Bericht von einer Delegationsreise in die Türkei und Türkei-Kurdistan vom 28.04. – 03.05.1991. – Bezug: Roland Meister, Am Zehnthof 219, 4300 Essen 13 Evangelische Akademie Mühlheim: Menschenrechte in der Türkei. Kurden: Verfolgung, Folter und Knebelung der Presse. (Folge 2.) Dokumentation einer Tagung im April 1991 und Bericht von einer Studienreise, Juni 1991. Bezug: epd-Vertrieb, Postfach 50 05 50, 6000 Frankfurt 50 epd-Dokumentation: Süd.Ost-Türkei: In der Region herrscht praktisch Bürgerkrieg. Bericht einer deutschen Besuchergruppe über die Verletzung von Menschenrechten. Bezug: epd-Vertrieb, Postfach 50 05 50, 6000 Frankfurt 50

Türkei. Chronologie des staatlichen Terrors. Dokumentation über über die staatlich verankerten Menschenrechtsvereine & demokratischen Politiker in Kurdistan. Im Zentrum: Die Ermordung VedatAydins. Bezug: Medico-International, Obermainanlage 7, 6000 Frankfurt 1 Völkermord an den Kurden. Eine Dokumentation der Gesellschaft für bedrohte Völker, Luchterhand Flugschrift 2, Sammlung Luchterhand, Frankfurt am Main 1991

VIA Magazin: Kurden. Bezug: VIA e.V., Theaterstr. 10, 5300 Bonn 1


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