Flughafen Frankfurt: Trauriger „Rekord“
Trotz ärztlich attestierter Folter befindet sich ein Algerier
seit einem Jahr in BGS-Gewahrsam
PRO ASYL fordert Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention
Seit nunmehr einem Jahr befindet sich ein 26-jähriger algerischer Asylantragsteller, der am 06. Oktober 1995 von Algier kommend in Frankfurt Rhein/Main gelandet ist, im Griff des Bundesgrenzschutzes. Die von Seiten des Flüchtlings im Asylverfahren gemachten Angaben, er sei von staatlichen Kräften brutal geschlagen und durch Elektroschocks an den Ohrläppchen gefoltert worden, werden ihrerseits durch ärztliche Atteste bestätigt. So heißt es in einem Schreiben eines Arztes des Zentrums der Psychiatrie der Frankfurter Uniklinik vom 19. April 1996: „Aufgrund unserer Untersuchungen und Explorationen gibt es aus unserer Sicht keinen Zweifel daran, daß Herr C. gefoltert wurde. Seine Diagnose lautet: Post-traumatische Streßstörung als sicheres Zeichen einer stattgefundenen Folter.“
Bereits am 30. Oktober 1995 hatte die zuständige Einzelrichterin der 14. Kammer des Verwaltungsgerichts Frankfurt das Beweisangebot eines medizinischen Gutachtens abgelehnt und das Asylverfahren negativ entschieden. Der Algerier war daraufhin psychisch zusammengebrochen und in die geschlossene Abteilung der Psychiatrie überführt worden. Nach der Rechtsauffassung der 14. Kammer des Verwaltungsgerichtes gilt er auch dort noch als im Gewahrsam des Bundesgrenzschutzes befindlich.
Der von PRO ASYL unterstützte Gang des Betroffenen zum Bundesverfassungsgericht hat inzwischen immerhin zu einer Aussetzung der drohenden Abschiebung bis zu einer Entscheidung geführt. Der Fall wirft eine Reihe grundsätzlicher Fragen auf:
- Hat das Verwaltungsgericht mit der Ablehnung des Beweisangebotes eines ärztlichen Gutachtens trotz vorliegender Indizien für eine erlittene Folter das rechtliche Gehör verletzt (Art. 103 Abs. 1 GG)?
- Haben Flüchtlinge, die den Transitbereich des Flughafens verlassen haben, als eingereist zu gelten und damit Zugang zu einem regulären Asylverfahren im Inland? Oder kann der Bundesgrenzschutz z. B. durch die Bewachung von Flüchtlingen, die sich im Krankenhaus befinden, auch außerhalb des Flughafens die Fiktion aufrecht erhalten, die Flüchtlinge seien noch nicht eingereist?
- Verstößt die faktische Dauerinhaftierung bereits abgelehnter, aber noch nicht abgeschobener Flüchtlinge im Flughafenbereich oder im „externen Gewahrsam“ des BGS als exzessive Inhaftierung gegen die Europäische Menschenrechtskonvention?
In Bezug auf die letzte Frage ist von besonderer Bedeutung, daß der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem Urteil bereits einen 20-tägigen Zwangsaufenthalt somalischer Flüchtlinge auf dem Flughafen Paris-Orly als Freiheitsentziehung kritisiert und den französischen Staat sogar zum Schadenersatz verurteilt hat.
PRO ASYL – Sprecher Heiko Kauffmann: „Das Problem der im Flughafentransit langfristig festgehaltenen Menschen muß gelöst werden – rechtlich und praktisch. Legt man den Maßstab der Straßburger Richter an die Verhältnisse auf dem Frankfurter Flughafen an, so wird deutlich, daß es als staatlicher Exzeß gewertet werden muß, wenn ein mutmaßlich schwer Gefolterter hierzulande ein Jahr lang vom BGS bis in die Psychiatrie hinein überwacht wird.“
Im Jahre 1996 wurden bislang in 46 Fällen Menschen länger als die für das Flughafenverfahren eigentlich vorgesehenen maximal 26 Tage im Transitbereich des Frankfurter Flughafens festgehalten. Zum Stichtag 04. Oktober 1996 befanden sich 13 Langzeitinternierte, darunter vier Kinder, im Gebäude C 183 des Frankfurter Flughafentransits, das für diese Dauerunterbringung keineswegs geeignet ist. Ein Inder wird bereits seit 235 Tagen festgehalten, ein Eritreer seit 157 Tagen.