Pressemitteilung
Anwaltsbüro Rainer Koch & Jutta Rock
Sudan-Reise von Stefan Hippler und Harald Schuster
Im Auftrag der Rechtsanwälte Jutta Rock und Wolfgang Palm und auf Wunsch von Rechtsanwalt Achim Schlott-Kotschote ist Herr Stefan Hippier vom 25. September bis 6. Oktober 1995 nach Khartoum, Sudan gereist. Herr Hippier wurde von Herrn Harald Schuster, der als unabhängiger Begleiter die Funktion eines Zeugen übernahm, begleitet. Ziel der Reise war es, Kontakt mit den zurückgeschobenen Mandanten aufzunehmen, um weitere Kontaktmöglichkeiten für die Zukunft zu schaffen, damit eine Überprüfung der Effektivität der Zusicherung der sudanesischen Regierung möglich ist und weitere Kontakte für die noch anhängigen Gerichtsverfahren zu ermöglichen.
So paradox es für die Öffentlichkeit erscheint: Bisher hat eine inhaltliche Prüfung der Asylanträge und eine abschließende gerichtliche Entscheidung nicht stattgefunden. Im wesentlichen wurde vom Bundesverfassungsgericht bisher nur entschieden, ob die Asylsuchenden den Ausgang ihres Asylbegehrens in Deutschland oder im Sudan abwarten müssen. Wir werden die Verfahren weiterbetreiben, auch wenn sich die Mandanten nicht mehr in Deutschland befinden.
Die Beauftragten haben umfangreiche Materialien und neue Erkenntnisse nach Deutschland mitgebracht. Diese Materialien werden in die anhängigen Gerichtsverfahren einfließen. Die mitgebrachten Dokumente sind hinterlegt worden. Von vereidigten Dolmetschern erbetene Übersetzungen sind zur Zeit noch in Arbeit. Zur Zeit wird geprüft, ob eine Veröffentlichung dieses Materials zu einer weiteren Gefährdung der Flüchtlinge führen kann. Deshalb kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur folgende, relativ allgemein gehaltene Erklärung von Herrn Hippler und Herrn Schuster gegenüber der Öffentlichkeit abgegeben werden.
Zwar hat die Öffentlichkeit ein berechtigtes Interesse an einer Veröffentlichung der mitgebrachten Unterlagen: Der Schutz der Mandanten hat jedoch für unsere anwaltliche Tätigkeit Priorität. Wir bitten die Öffentlichkeit um Verständnis.
gez. Jutta Rock , Rechtsanwältin
gez. Palm, Rechtsanwalt
gez. Schlott-Kotschote, Rechtsanwalt
Harald Schuster und Stefan Hippier
Erklärung zu unserer Reise nach Khartoum / Sudan
Vom 25. September bis 6. Oktober 1995 haben wir uns im Auftrag der Rechtsanwältin Jutta Rock und der beiden Rechtsanwälte Palm und Schlott-Kotschote in Khartoum aufgehalten. Das Mandat dieser Reise ergibt sich aus der beiliegenden Presseerklärung von Rechtsanwältin Jutta Rock.
Wir legen Wert auf die Feststellung, daß unsere Reise keinerlei, dienstlichen Charakter hatte und während unseres Urlaubs erfolgte.
Oberste Priorität hatte für uns bei unseren Recherchen, die tatsächlich existierende Gefährdung der zurückgewiesenen Flüchtlinge nicht noch weiter zu verstärken. Deshalb haben wir unsererseits nicht direkt mit den Flüchtlingen Kontakt aufgenommen, sondern sie wissen lassen, wo und wie sie uns erreichen können. Somit war es ihnen überlassen, ob und unter welchen Bedingungen sie mit uns zusammentreffen wollten.
Das gesamte Material, das wir mitgebracht haben, wurde inzwischen sicher hinterlegt. Die Auswertung und ggf. rechtliche Würdigung der Erkenntnisse obliegt den beteiligten Rechtsanwälten und ggf. Gerichten.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt möchten wir – um die Sicherheit der Flüchtlinge nicht noch weiter zu gefährden – nur folgende Erkenntnisse mitteilen:
1. Die Diskussion in Deutschland wurde in den letzten Wochen maßgeblich bestimmt durch den Artikel des „stern“: „Du hast eine Dummheit begangen“ om 21. September 1995. Dazu ist festzustellen:
Die „stern“-Reporter haben schon allein durch ihre sehr direkte Vorgehensweise und ihre Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen die von ihnen aufgesuchten Flüchtlinge in eine schwierige Lage gebracht. Unsere Gespräche vor Ort bestätigen voll die bereits in Deutschland vorab von verschiedenen Seiten geäußerte Befürchtung, daß keine Gesprächssituation vorlag, in der die Flüchtlinge offen und unbefangen über ihre Fluchtgründe, ihre Lage und etwaige Probleme reden konnten.
Im „stern“-Bericht, Seite 52, heißt es: „Bei der vierten Adresse, einem Haus im Norden Khartums, ist der Empfang freundlich, die Geschichte ähnlich. ‚Ich mußte ihn allein großziehen‘, sagt die Mutter. Ihr Sohn Nassir Mubarak Ezzedin El Faki kaufe gerade auf dem Markt Schuhe.“
Eine Person dieses Namens war nicht unter den sieben abgeschobenen Sudanesen. Falls Herr Nassir Mubarak gemeint sein soll, so wohnt er nicht im Norden Khartoums, wie vom „stern“ berichtet. Dies läßt Zweifel an der Sorgfalt der „stern“-Recherche aufkommen.
Der „stern“ behauptet auf Seite 50: „Bis zur Abreise arbeitete Ihab als Mechaniker in der Autowerkstatt seines Vaters. In Deutschland hatte er behauptet, Student zu sein, was ihm die Frankfurter Asyl-Entscheider nicht abnahmen:“ Die Tatsache seines angeblichen Universitätsbesuches dürfte als frei erfunden angesehen werden.“
Diese Aussage des „stern“ ist falsch. Die vom „stern“ als Nicht-Student angeblich entlarvte Person hatte nie behauptet, Student zu sein. In der Akte der Befragung des Bundesgrenzschutzes EA 3-1675-95-A, Seite 3, heißt es: „Ich habe im Laden meines Vaters gearbeitet. Mein Vater besitzt einen Laden und eine Werkstatt …“ – Im „stern“ heißt es auf Seite 50 in der Überschrift: „‚ Er hat uns ruiniert. Wir hatten alle zusammengelegt, schimpft die Mutter von Mohamed Mustafa“. Im Text heißt es: „Die STERN-Reporter fahren zur nächsten Adresse in Omdurman, der Zwillingsstadt von Khartum. Nach langem Klopfen an einem Eisentor tritt eine alte Frau heraus. Ihr Sohn sei nicht da, schreit sie. Sie wirkt sehr ungehalten und bittet nicht, hereinzukommen. ‚Er hat uns ruiniert. Wir haben nichts mehr. Wir alle hatten unser Geld zusammengelegt.‘ Mohamed Mustafa, ihr Sohn, habe in Khartum auf der Bank gearbeitet und erzählt, in Moskau studieren zu wollen. “ Hierzu stellen wir fest: Der vom „stern“ als Mohamed Mustafa Bezeichnete hat niemals in Omdurman gewohnt. Auch seine Familie wohnt nicht dort. Kein Journalist hat mit der Mutter von Mohamed Mustafa gesprochen. Somit ist zu fragen, von wem die vom „stern“ genannte Äußerung stammt.
Die Feststellungen sind belegbar.
Aus unserer Sicht läßt der „stern“-Artikel in weiten Teilen die gebotene journalistische Sorgfalt vermissen. Er gefährdete und gefährdet fahrlässig die Flüchtlinge vor Ort – wie es übrigens jede weitere journalistische Recherche vor Ort ebenfalls täte.
2. Wir gehen davon aus, daß die Flüchtlinge in großer Gefahr sind. Den Flüchtlingen wurde seitens der deutschen Botschaft in Khartoum ein Dokument übergeben, das die Überschrift trägt „To whom it may concern“. Eine Fassung, die nur den englischen Text wiedergibt und die arabische Übersetzung ausläßt, liegt bei. Die Gefährdung der Flüchtlinge ergibt sich aus folgendem: Die tatsächliche Gewalt liegt nicht allein bei den regierenden Militärs, sondern sie liegt auch bei Milizen, Fundamentalisten, der Polizei, dem „Personal“ der sogenannten „Geisterhäuser“ und den verschiedensten „Securities“, die als eigenständige Strukturen mit- und gegeneinander arbeiten. Das Papier der deutschen Botschaft mit der Bitte um freien Zutritt zu dieser kann bei Kontrollen durch Polizei oder Militär u. U. zum jetzigen Zeitpunkt nützlich sein, bei Kontrollen durch fundamentalistische Gruppierungen sich jedoch als massive Gefährdung des einzelnen Flüchtlings herausstellen. Aufgrund der tatsächlichen Situation im Sudan, die sehr diffizil und vielschichtig ist, hat sich herausgestellt, dass von einem wirklichen Schutz der Abgeschobenen durch die deutsche Botschaft nicht gesprochen werden kann. In der gegenwärtigen Situation im Sudan kann niemand für die Sicherheit der sieben Flüchtlinge garantieren.
11. Oktober 1995
gez. Harald Schuster gez. Stefan Hippler