Stoiber mahnt Kohl zu Grenzsicherung
Bayerns Ministerpräsident sieht Kanzler
in der Pflicht, gegen Kurdenzuzug vorzugehen
Frankfurter Rundschau (Seite 5)
MÜNCHEN, 7. Januar (ap/dpa/afp). Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) hat Bundeskanzler Helmut Kohl aufgefordert, sich persönlich für wirksame Maßnahmen gegen eine mögliche Zuwanderung kurdischer Flüchtlinge aus Italien einzusetzen. Die Bundesregierung und der Kanzler persönlich stünden in der Verpflichtung, daß Italien bis zum endgültigen Abbau der Grenzkontrollen im Frühjahr seine EU-Außengrenzen wirksam schütze, schrieb Stoiber am Mittwoch im CSU-Organ Bayernkurier.
Kohl hatte im Sommer den Wegfall der Grenzkontrollen zwischen Deutschland, Österreich und Italien zum 1. April 1998 im Rahmen des Schengener Abkommens ausgehandelt. Stoiber hatte für einen späteren Zeitpunkt plädiert. „Ich hoffe, daß man heute angesichts der jüngsten Ereignisse an der offenen Flanke der italienischen Küsten auch unsere fundierten sicherheitspolitischen Bedenken gegen den frühzeitigen Wegfall der Grenzkontrollen … besser versteht“, schrieb Stoiber jetzt. Es sei unverantwortlich, wenn Rom Italien eher als Durchgangsland für illegale Einwanderung nach Deutschland sehe.
Auch der Bonner CSU-Landesgruppenchef Michael Glos rügte, es sei unerträglich, daß Italien die Flüchtlinge „nicht festhalte“. Im ARD-Morgenmagazin sagte Glos weiter, Deutschland dürfe nicht mit hohen Unterstützungen Asylbewerbern besondere Anreize bieten.
Die Bundestagsfraktion der Bündnisgrünen kündigte an, eine Aktuelle Stunde zur deutschen „Abschottungspolitik“ der Bundesregierung gegen die Flüchtlinge zu beantragen. Die Abgeordneten Amke Dietert-Scheuer und Rezzo Schlauch warfen Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) vor, die Flüchtlinge als „illegale Einwanderer“ abzuqualifizieren. „Ob gewollt oder ungewollt: Mit seiner Konzeption einer ,Festung Europa‘ steht er begrifflich in der historischen Tradition von Hermann Göring.“ Heiko Kauffmann von Pro Asyl sagte in der Debatte über die Kurdenflucht, einige Politiker nähmen es beim Kampf um die Wählergunst in Kauf, rassistische Ängste zu schüren und rechtsradikale Kräfte zu stärken.