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TAG DES FLÜCHTLINGS 1988

Stellungnahmen

Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland

„Offen bleiben für Flüchtlinge“, Entschließung vom 5. November 1987 in Berlin

1. Im Jahr 1987 hat sich die Situation für Asylsuchende und Flüchtlinge in der Bundesrepublik Deutschland gravierend verschlechtert. Ursachen sind vor allen die Auswirkungen des am 15. Januar 1987 in Kraft getretenen Gesetzes zur Änderung asylverfahrensrechtlicher, arbeitserlaubnisrechtlicher und ausländerrechtlicher Vorschriften.

  • Asylsuchende, deren Fluchtweg über ein Drittland ging, in dem sie „vor politischer Verfolgung sicher“ waren, erhalten kein Asyl mehr – unabhängig davon, ob sie politisch Verfolgte im Sinne des Artikels 16 GG sind.
  • Die Zahl der Asylanerkennungen ist 1987 drastisch gesunken. Viele der abgelehnten Asylsuchenden werden aufgrund rechtlicher, politischer und humanitärer Schutzbestimmungen als de-facto-Flüchtlinge in der Bundesrepublik „geduldet“ und bleiben hier in einem rechtlich und sozial ungenügend abgesicherten und insgesamt bedrückenden Status.
  • Die Ankündigung von Abschiebungen auch in Krisengebiete hat bei den betroffenen Flüchtlingen Unsicherheit und Angst, bei vielen in der Flüchtlingsarbeit Engagierten Sorge und Protest ausgelöst.

2. Die Synode bestärkt den Rat der EKD in den Vorhaben, die Situation mit den politisch Verantwortlichen zu erörtern. Sie erinnert an ihre einstimmig verabschiedete Erklärung vom 6. November 1986, in der sie ihre Überzeugung bekräftigt hat, daß das Asylrecht nach Artikel 16 GG „ein unveräußerliches Grundrecht“ ist, „das in vollem Umfang gültig bleiben muß“. Die Synode weist darauf hin, daß die Bundesregierung immer wieder und zuletzt in der Regierungserklärung des Bundeskanzlers am 18. März 1987 ihre Absicht bekräftigt hat, weiterhin jenen Asyl zu gewähren, „die aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen verfolgt werden“. Sie bittet den Rat, die angekündigten Gespräche bald zu führen und darauf zu dringen, daß sich trotz aller angekündigten Schwierigkeiten die Asylpolitik in Bund und Ländern an diesem Ziel orientiert und es in eine den humanitären Grundsätzen unserer Verfassung entsprechende Praxis umsetzt.

3. Die Synode hat die „Berliner Regelung für ehemalige Asylbewerber“ vom 1. Oktober 1987, die einem Teil der de-facto-Flüchtlinge erstmalig einen sicheren Rechtsstatus verleiht und dadurch eine vernünftige Lebensplanung erleichtert, mit Interesse und Zustimmung zur Kenntnis genommen. Sie bittet die Leitungen der Gliedkirchen, mit den Landesregierungen Gespräche aufzunehmen und dabei Regelungen anzustreben, die ähnlich großzügig sind wie diejenigen in Berlin.


Papst Johannes Paul II.

„Enzyklika Sollicitudo Rei Socialis“, vom 30. Dezember 1987 (Auszug)

Während Wirtschaftshilfen und Entwicklungspläne auf das Hindernis unüberwindlicher Barrieren von Ideologien sowie von Steuer- und Handelsgesetzen stoßen, fließen Waffen jeglicher Herkunft fast ungehindert in alle Teile der Welt. Und jedermann weiß – wie das kürzlich erschienene Dokument der Päpstlichen Kommission Justitia et Pax über die internationale Verschuldung hervorhebt -, daß in gewissen Fällen die Gelder, die von der entwickelten Welt als Darlehen gegeben werden, in der unterentwickelten Welt zum Erwerb von Waffen benutzt werden.

Wenn man all dem die weithin bewußte furchtbare Gefahr hinzufügt, die von den unglaublich angewachsenen Vorräten an Atomwaffen ausgeht, scheint dies die logische Konsequenz zu sein: statt sich um eine echte Entwicklung zu sorgen, die alle zu einem „humaneren“ Leben führen könnte – wie es sich die Enzyklika Populorum Progressio erhofft hatte –, scheint sich das Bild der heutigen Welt, einschließlich der Wirtschaft, schneller und schneller auf eine tödliche Vernichtung hinzubewegen.

Die Folgen dieser Lage der Dinge zeigen sich in der Zunahme einer Plage, die typisch und bezeichnend ist für die Ungleichgewichte und Konflikte der heutigen Welt: die Millionen von Flüchtlingen, denen Kriege, Naturkatastrophen, Verfolgungen und Diskriminierungen aller Art Heim, Arbeit, Familie und Vaterland geraubt haben.

Die Tragödie dieser Menschenmengen spiegelt sich im niedergeschlagenen Antlitz der Männer, Frauen und Kinder wider, die in einer geteilten und ungastlich gewordenen Welt keine Heimstatt mehr finden können.


Bundesweiter und Berliner Ökumenischer Vorbereitungsausschuß zur Woche der ausländischen Mitbürger

Berliner Erklärung zurn Tag des Flüchtlings 1987

Die Behandlung der Flüchtlings-und Asylfragen in unserem Land in den vergangenen Monaten und Jahren hat bei den Kirchen und Betreuungsverbänden zunehmende Besorgnis ausgelöst.

Zum Tag des Flüchtlings am 2. Oktober 1987 veröffentlicht daher der Ökumenische Vorbereitungsausschuß zur Woche der ausländischen Mitbürger folgende Erklärung:

1. Wir treten für Flüchtlinge ein aus der Überzeugung heraus, daß alle Menschen Ebenbilder Gottes sind und daß sie als solche ein Grundrecht auf Achtung ihrer Menschenwürde, ihres Lebens, ihrer körperlichen Unversehrtheit und ihrer Freiheit haben.

Es ist Pflicht eines jeden Staates, Garant dieser Grundrechte zu sein.

2. Neben erfreulicher Offenheit und Hilfsbereitschaft bei manchen haben sich Feindseligkeit, Ablehnung, Ausgrenzung oder auch Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal der Flüchtlinge entwickelt. Deshalb fordern wir die Verantwortlichen in unserem Staat auf, gemeinsam mit Kirchen und allen in der Betreuung Tätigen für mehr Verständnis und Hilfsbereitschaft gegenüber Flüchtlingen einzutreten.

3. Die Maßnahmen, die getroffen wurden, um politisch Verfolgte und andere Flüchtlinge von unserem Land fernzuhalten, schieben die Flüchtlingsproblematik von unserer Haustür in die armen Länder der Dritten Welt ab. Sie können die Flucht gerade solcher Menschen vereiteln, bei denen akute Gefahr für Leib und Leben besteht. Deshalb fordern wir die Aufhebung des Visumzwanges für Flüchtlinge.

4. Abschreckungsmaßnahmen haben den Schutzcharakter unseres Asylrechts in den Hintergrund gedrängt. Im Widerspruch zu Grundsätzen des christlichen Menschenbildes stehen insbesondere solche Maßnahmen, die den Asylsuchenden eine eigenverantwortliche Lebensführung verweigern und sie abhängig machen von staatlicher und privater Unterstützung.

Unerträglich finden wir insbesondere:

  • das fünfjährige Arbeits- und Ausbildungsverbot,
  • die fehlende Schulpflicht für Flüchtlingskinder und
  • die anderen der Abschreckung dienenden „flankierenden Maßnahmen“.

Wir fordern stattdessen Hilfen schon während des Asylverfahrens, um Flüchtlingen nach Beendigung ihres Asylverfahrens die Eingliederung in unsere Gesellschaft oder den Neuanfang in einem anderen Land zu erleichtern.

5. Der im Grundgesetz verankerte Schutz von Ehe und Familie muß auch für Flüchtlinge gelten. Das bedeutet, daß Familien bei der Verteilung auf andere Bundesländer oder bei Abschiebungen nicht getrennt werden und daß bei Asylberechtigten die Familienangehörigen den gleichen Rechtsstatus erhalten.

6. Wir stellen fest, daß die Abschiebung von Flüchtlingen in Krisengebiete, in denen Gefahr für Freiheit, Leib und Leben besteht, gegen die Grundforderung unseres Glaubens verstößt, Leben zu schützen.

Wir fordern daher, daß auch bei Abschiebungen dem Schutz des Lebens absoluter Vorrang vor anderen Erwägungen eingeräumt wird. Wir bitten und ermutigen Christen und Gemeinden, den Betroffenen in solchen Situationen beizustehen.

7. Flüchtlinge, die trotz Gefährdung nicht als politisch Verfolgte anerkannt werden, sollen anstelle jederzeit widerrufbarer Duldungen ein dauerhaftes Bleiberecht erhalten, solange sie im Herkunftsland gefährdet sind.

B. Wir haben erfreut zur Kenntnis genommen, daß unsere Vorstellungen in Teilen aller im Bundestag vertretenen Parteien diskutiert und aufgenommen werden. Besonders begrüßen und unterstützen wir die Entschließung des Europäischen Parlaments zu den Fragen des Asylrechts vom 12. März 1987 sowie die von der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) erarbeitete Stellungnahme.

Wir fordern, dem Asylversprechen des Grundgesetzes Geltung zu verschaffen und das Schutzrecht nicht zum Ausnahmerecht verkümmern zu lassen.


Betriebsratsvorsitzender der Firma PAN AM, Helmut Bojanowski

Auszug aus der Rede anläßlich der Betriebsversammlung arn 28.10.1987

„Was uns gerade heute anzusprechen wichtig erscheint, ist der Wille und die Fähigkeit, die wir alle haben sollten: Probleme anderer zu den eigenen Problemen zu machen und mit allen, denen – aus welchem Grund auch immer – ein Leid zugefügt wurde, mitzuleiden. Für einen Betriebsrat gehört diese Sensibilität zur Grundvoraussetzung, und wir fordern Euch auf, diesen Betriebsrat auch künftig vor allem daran zu messen! Natürlich duldet diese Einstellung keine Unterscheidung, ob Kollege oder Fluggast, Deutsche, Türken oder Palästinenser, und es versteht sich von selbst, daß dafür keine gesetzliche Legitimation nötig ist und auch durch Gerichtsentscheide nicht verdrängt werden kann.

Unsere Anerkennung gilt deshalb der Kabinenbesatzung, die die Mißhandlung eines abgeschobenen Asylanten, der wegen Mund- und Handknebeln stark blutete und von seinen Begleitern mit den Füßen unter den Vordersitz gedrückt wurde, nicht dulden wollte und bereit ist, vor der Staatsanwaltschaft auszusagen. Unsere Bewunderung gilt der Cockpit- und Kabinenbesatzung sowie dem Arzt, die am letzten Freitag zunächst die Abschiebung eines aus einem türkischen Gefängnis nach Berlin entflohenen Kurden nach Istanbul verhinderten. Beschämt dagegen sind wir über diejenigen, die auch angesichts eines gequälten Menschen, dem ganz offensichtlich Todesangst im Gesicht steht, unfähig sind, Mitleid zu empfinden, sich zu ironischen Bemerkungen hinreißen lassen und nur ihren Dienstauftrag sehen: so schnell wie möglich die Flugzeugtüren zu schließen. Die Stewardeß, die beim Anblick des verzweifelten Kurden geweint hat, imponiert jedenfalls wesentlich mehr und verdient unseren ehrlichen Beifall.“


Europäisches Parlament

„Menschenrechtswidrige Asylpolitik einiger Mitgliedstaaten“, Entschließung vom 18. Juni 1987

Das Europäische Parlament

A. angesichts der Tatsache, daß die Ad-hoc-Arbeitsgruppe (»Trevi«) zur Koordinierung der Visa- und Asylpolitik, die am 20.10.1986 in London von den Ministern eingesetzt wurde, am 28. April 1987 getagt, entgegen der Forderung des Europäischen Parlaments vorn 12.3. 1987 ohne vorherige Anhörung des Parlaments wichtige Beschlüsse zur Visa- und Asylpolitik gefaßt und damit elementare demokratische Gepflogenheiten verletzt hat;

B. angesichts der in dieser „Trevi“-Gruppe vereinbarten Politik der Mitgliedstaaten, einen lnformationsring über Durchreise- und potentielle Erstasylländer der Asylbewerber aufzubauen und Asylbewerbern nur dann den Grenzübertritt zu gestatten, wenn sie in ihrem Ursprungsland vorher gültige Reisepässe und Visa erhalten haben, sowie ihnen das Visum oder auch nur das Transitvisum zu verweigern, wodurch das Asylrecht praktisch nicht mehr wahrgenommen werden kann;

C. angesichts flagranter Menschenrechts- und Völkerrechtsverstöße durch die Grenzbehörden, die in wachsender Zahl Asylbewerber insbesondere an den Flughäfen von Amsterdam, Frankfurt, Kopenhagen und London mit Gewalt in Länder ihrer früheren Durchreise oder gar in die Länder, aus denen sie fliehen mußten, zurückschicken;

D. in Kenntnis der Einrichtung von Haftzellen für Asylbewerber ohne Einreisegenehmigung auf den Flughäfen von Schipol und Zaventem;

E. angesichts zunehmender Strafverfolgungen in einigen EG-Mitgliedsstaaten von Asylbewerbern, denen die Flucht mit gefälschten Dokumenten gelungen ist, wegen Urkundenfälschung u. ä.;

F. angesichts der Tatsache, daß einige EG-Mitgliedstaaten Fluggesellschaften durch Auferlegung der Kosten des Rücktransports und von Strafen zwingen, in den Hauptfluchtländern die Gültigkeit und Echtheit der Pässe und Visen vor dem Check-in durch deren oft einheimisches Bodenpersonal prüfen zu lassen;

G. in Kenntnis der menschenunwürdigen Behandlung von Asylbewerbern in Auffanglagern gewisser Mitgliedstaaten, durch die gezielt Asylbewerber abgeschreckt werden sollen;

1. fordert die Mitgliedstaaten auf, solche Handlungen zu unterlassen, die die tatsächliche und rechtliche Lage der potentiellen und der bereits itn Lande befindlichen Asylbewerber verschlechtern;

2. erwartet, daß die Mitgliedstaaten insbesondere keine Verlagerung von hoheitlichen Aufgaben auf Transportunternehmen wie z. B. Fluggesellschaften vornehmen;

3. besteht auf der Notwendigkeit, es jedem potentiellen Asylbewerber zu ermöglichen, seinen Asylantrag unter vernünftigen Bedingungen in einem Mitgliedstaat zu stellen, damit dort dann ein rechtsstaatlichen Ansprüchen genügendes Verfahren durchgeführt werden kann;

4. betont, daß eine Aushöhlung des Nichtzurückweisungsrechts durch Maßnahmen, die es dem potentiellen Asylbewerber unmöglich machen, überhaupt in das Land seiner Wahl zu gelangen, eine Verletzung des Völkerrechts und unerträgliche Verkürzung des Rechtsstaatsprinzips darstellt;

5. hält auch eine verengte Auslegung des Begriffs des „Erstasyllands“ für inakzeptabel;

6. fordert die Mitgliedstaaten auf, keine einseitigen restriktiven Maßnahmen zu ergreifen, die Asylverfahren durch größeren personellen und materiellen Einsatz zu verbessern und zu straffen, und im übrigen konstruktiv an der Verabschiedung des von der Kornmission angekündigten Richtlinienvorschlags mitzuarbeiten, ohne den es den angestrebten großen Binnenmarkt nicht geben wird;

7. fordert die Kommission auf, unverzüglich den EG? Beauftragten für Asylfragen im Einvernehmen mit dem Europäischen Parlament aus dessen Reihen zu ernennen, der ohne weiteren Zeitverlust an den Arbeiten der zuständigen Gremien auf europäischer Ebene teilnehmen soll, der bei der Kommission angesiedelt ist und der der Kommission sowie dem Parlament aus eigener Initiative unmittelbar vortragen kann;

8. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung den Regierungen der Mitgliedstaaten, der Kommission und dem Rat der Europäischen Gemeinschaft zu übermitteln.


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