TAG DES FLÜCHTLINGS 1989
Stein des Anstoßes –
Gesetzesvorhaben aus dem
Bundesinnenministerium
INHALT
- Grußwort des Vertreters des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (1989)
- Grußwort der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (1989)
ANALYSEN
- Der Parlamentarische Rat und das Asylrecht
- „Festung Europa“ – zur neueren Entwicklung der Asylpolitik in der Europäischen Gemeinschaft
- 40 Jahre Grundrecht auf Asyl – ein Pfeiler unserer Verfassung
- Die Saat geht auf: Ausländerhaß
- Visumpflicht für Kinder?
- Verfolgt, weil Frau – kein Asylgrund?
- Asyl in der Kirche – Erfahrungen aus Berlin
- Abschiebungen in den Libanon?
BEISPIELE UND ANREGUNGEN
- Nicht politisch verfolgt? – Cengiz Dogu, ein Flüchtlingsschicksal
- Offener Brief an den Bundesinnenminister
- „Ich war fremd und obdachlos … und ihr habt mich aufgenommen“
- Stein des Anstoßes
- Container-Nacht-Aktion als Auftakt des Tages des Flüchtlings 1988 in Stuttgart
- Der Kölner Flüchtlingsrat zur Aussiedlerdiskussion
- Resolution der „Flüchtlinge in Berlin“
- Ökumenische Aktion in der Fußgängerzone
- Speisezettel weist den Weg aus der Isolation
- Nur Platz für Bett und zwei Stühle
- Statistik
- Materialhinweise / Adressen
Der Flüchtlingsrat Nordrhein-Westfalen beschloß im Juli 1988 für den Tag des Flüchtlings mit der Aktion „Stein des Anstoßes“ auf die Gesetzesvorhaben aus dem Bundesinnenministerium zu reagieren. Der verpackte Stein sollte die Pläne symbolisieren, und das Bundesinnenministerium wurde in Begleitschreiben aufgefordert, diesen „Stein des Anstoßes“ zu beseitigen. Als Beispiel für die Aktionen, die in vielen Städten Nordrhein-Westfalens liefen, hier die aus Düsseldorf:
Da die Aktion möglichst nichts kosten durfte, haben wir einen Baustoffgroßhändler angesprochen, der sofort bereit war, uns eine Palette Steine zu schenken und sogar anzuliefern!
Er riet uns auch dazu, Gasbetonsteine zu nehmen, da sie leicht sind.
Dann jedoch trat das Problem auf, daß die Steine viel zu groß waren jeweils 62 x 31 x 5 cm. Genau das jedoch führte zum eigentlichen Erfolg der Aktion in Düsseldorf.
Wenn die Steine schon zerkleinert werden mußten, dann öffentlich. Die Ausrüstung war schnell beschafft. Zwei „Fuchsschwänze“ (beide waren hinterher völlig hinüber), zwei alte „Böcke“ und zwei Baustellenbretter recht häßlich.
Den Passanten wurde nicht nur angeboten, „ihren“ Stein selbst zu zersägen, worauf vor allen Dingen Kinder gern eingingen die Pakete wurden auch verkauft! Die Passanten packten die Pakete, beschrifteten sie und zahlten das Porto!
War schon das Zersägen der Steine eine Provokation, welche die ungeschminkte Meinungsäußerung in allen Schattierungen hervorrief, so waren dies in ganz besonderer Weise die Informationen, die ganz in der Art von Straßenverkäufen abliefen. Die Leute blieben stehen, um zu hören, was da feilgeboten wird und steckten schon drin.
Zwei Provokateure übernahmen zusätzlich die Aufgabe, Interesse zu. wecken. In Form des versteckten Straßentheaters boten sie sich und ihrer Umgebung manchen Sketch, der Lachen und Wutausbrüche hervorrief. Es ist interessant, mitten im Menschenstrom einer Fußgängerpassage, dort, wo das Einkaufsleben am größten ist, eine solche Aktionsform zu veranstalten.
Ein großer Teil interessierte sich zunächst für die Steine und die Sägen. Sie wollten wissen, wie teuer die Steine sind und ob sie die Fuchsschwänze bei uns kaufen könnten.
Die Verblüffung der Menschen war wirklich groß, wenn sie erfuhren, daß es sich nicht um eine gelungene Verkaufsvorstellung handelte. Die Gespräche konnten jedoch in vielen Fällen übergeleitet werden zu (für uns) interessanteren Themen. .
Diese Aktionsform war vielleicht auch mitverantwortlich dafür, daß die Meinungsäußerungen der Menschen oft extrem waren. Uns blieben schon manchmal die Worte im Halse stecken.
Um die Sägerei herum gruppierten sich verschiedene Stände, worunter vor allen Dingen der des Psychosozialen Zentrums Düsseldorf auffiel: ein Holzgerüst war mit Gummibändern so kreuz und quer verspannt, daß es fast unmöglich war, durchzukommen. Es zeigte sehr bildhaft die Situation des Flüchtlings in den Gummibändern der Paragraphen.
Diese Aktionsform ist hervorragend geeignet fürs Fernsehen. Es wird viel Aktion vorgegeben und es wird viel Reaktion erzeugt.