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TAG DES FLÜCHTLINGS 1992

Sri Lanka

Während Sri Lanka derzeit in den südlichen Gebieten einen Touristenboom erlebt, herrscht im Norden und Osten des Inselstaates ein blutiger Bürgerkrieg. Tausende zumeist Angehärige der tamilischen Minderheit sind seit Mitte der achtziger Jahre aus dem „Paradies“ geflohen. Tausende sind ohne Gerichtsverfahren in Haft, andere „verschwinden“, ohne jemals wieder aufzutauchen. Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 15.10.1991 hat sich die Lage der Menschenrechte weiter verschlechtert:

„Es zeigt sich landesweit, daß Zusagen der Polizei und Armeeführung zur Einhaltung eines menschenrechtlichen Mindeststandards bei Verhaftungen durch die Ausführenden vor Ort nicht eingehalten werden.“

Faktenübersicht:

Etwa drei Millionen Tamilen leben auf Sri Lanka. Das sind ca. 18 Prozent der Bevölkerung. Zwei Drittel von ihnen werden als Ceylon-Tamilen, ein Drittel als Indien-Tamilen bezeichnet. In der tamilischen Gesellschaft, die hierarchischer strukturiert ist als die der Singhalesen, spielt das Kastensystem noch eine große Rolle. Die gesellschaftliche Macht liegt bei der Kaste der Bauern.

Geschichte des Konflikts

In Sri Lanka (dem ehemaligen Ceylon) herrscht Bürgerkrieg. Die Ursachen gehen bis ins 19. Jahrhundert zurück. Bevor die Engländer die Insel zu ihrer Kolonie machten, bestanden dort zwei voneinander unabhängige Königreiche, unter denen es kaum Kontakt gab: das der buddhistischen Singhalesen und das der hinduistischen Tamilen. Beide Volksgruppen waren vor ca. 3.000 Jahren aus Indien eingewandert. Die Engländer lösten 1833 die Eigenständigkeiten der Königshäuser auf und errichteten eine gemeinsame Kolonialverwaltung, die Kronkolonie Ceylon. Bei der Besetzung der Ämter bevorzugten sie die Tamilen. Obwohl diese nur 20 % der 15 Millionen Einwohner Sri Lankas ausmachten, übten sie indirekt die Herrschaft über die Mehrheit der Bevölkerung aus.

Die britischen Kolonialherren entließen Sri Lanka 1948 in die Unabhängigkeit. Die Bevölkerungsgruppen mischten sich und sollten mit gleichen Rechten versehen miteinander leben. Doch bereits 1956 fegte ein singhalesisch-buddhistischer Nationalismus Ansätze friedlicher Koexistenz mit den hinduistischen Tamilen hinweg.

Seither beschnitten die 13 Millionen Singhalesen systematisch die Rechte der nur 2,9 Millionen Tamilen: Singhala wurde alleinige Staatssprache, tamilisches Land zwangsbesiedelt, die Minderheit bei Ausbildung und Stellenbesetzung extrem benachteiligt, die Tamilenpartei TULF 1983 durch die Verfassungsänderung beseitigt. Die 15 Tamilenabgeordneten verweigerten den Eid auf die neue Verfassung und zogen aus dem Parlament.

Häufig plünderten und verwüsteten Singhalesen tamilische Läden und Häuser und ermordeten deren Besitzer. Die ersten Zusammenstöße zwischen Tamilen und Singhalesen forderten bereits 1958 über 500 Tote. Nach Angaben von amnesty international sollen allein bei den Ausschreitungen im August 1983 2.000 bis 4.000 Tamilen getötet, Tausende verletzt und über 100.000 obdachlos geworden sein: die Regierung sprach von lediglich 471 Toten und 8.077 verwüsteten Häusern.

Die singhalesische Mehrheit im Süden des Landes begann, die tamilische Minderheit auf die Halbinsel Jaffna im Norden zurückzudrängen, zu isolieren. und ihrer Lebensgrundlage zu berauben. Die Eisenbahnverbindung wurde stillgelegt, die wenigen Straßenverbindungen in den Süden unterbrochen, so daß die tamilische Zivilbevölkerung nicht mehr versorgt wurde und nur über die See und den Luftweg von Indien einige Lebensgrundlagen erhielt. Die Tamilen verarmten und verhungerten.

Unterstützt vom benachbarten Tamil Nadu, dem südlichsten Bundesstaat Indiens, wo ca. 55 Millionen indische Tamilen leben, kämpfen seit den achtziger Jahren verschiedene, teilweise miteinander zerstrittene Guerilla-Gruppen für einen unabhängigen Tamilenstaat.

Quelle: Zentralstelle für die Integration von Zugewanderten in Bremen

Aktuelle politische Situation

Zwei große Konfliktherde:

  • Bewaffnete Auseinandersetzungen finden in den mehrheitlich von Tamilen bewohnten Gebieten im Osten und Norden zwischen LTTE (Liberation Tigers of Tamil Ealam) und der srilankischen Armee statt.
  • Im Süden kämpft die singhalesische Volksbefreiungsfront (Janatha Vimukthi Peramuna) JVP gegen die Sicherheitskräfte der Regierung mit dem Ziel, die Regierung des Inselstaates zu stürzen.

Die tamilischen Gebiete im Norden und Osten

Seit Juli 1991 bombardiert die srilankische Luftwaffe wieder tamilische Gebiete – vor allem auf der nördlichen Halbinsel Jaffna, die zu 90 Prozent von der LTTE kontrolliert wird. Die Regierung versucht, die Stellungen der „Tigers“ durch Luftangriffe zu zerstören. Dabei schreckt sie auch nicht vor Opfern in der Zivilbevölkerung zurück. Wiederholt wurden Krankenhäuser und Schulen bombardiert. Seit dem 11. Juni 1990 sind nach Angaben des Journalisten Walter Keller allein auf der Halbinsel Jaffna 6.110 Häuser und 177 Geschäfte vollständig zerstört worden. Bei den Luftangriffen kommen zudem die berüchtigten Faßbomben zum Einsatz, die Sachschäden verursachen, vornehmlich aber Brandverletzungen – ähnlich wie beim Einsatz von Napalm.

Die Lage hat sich im Sommer 1991 zugespitzt. Beim erbitterten Kampf um den sogenannten „Elephant Pass“, einer Landverbindung zwischen der Jaffna-Halbinsel und dem südlichen Festland, fielen zahlreiche Rebellen und Soldaten.

Im Anschluß daran begannen die srilankischen Streitkräfte mit einer Groß-Offensive gegen LTTE-Camps im Weli Oya Gebiet. Im Verlauf der Kämpfe kam es zu Bombardierungen und Artilleriebeschuß im Einzugsgebiet der Kampfhandlungen, Tote und Verletzte gab es auch unter der Zivilbevölkerung.

Besonders kritisch ist die Situation im Osten, wo zu gleichen Teilen Tamilen, Singhalesen und Muslime leben. Dort verübten die „Tigers“ Massaker an der singhalesischen und moslemischen Zivilbevölkerung. Solche übergriffe werden nicht selten von bewaffneten moslemischen und singhalesischen Bürgerwehren beantwortet, die in Zusammenarbeit mit den Streitkräften tamilische Dörfer überfallen und auf nicht minder grausame Art und Weise Vergeltung üben. Auch die Armee beantwortet die Anschläge der „Tigers“ mit Vergeltungsaktionen.

Gemäß dem „Gesetz zur Vorbeugung gegen den Terrorismus“ werden Personen wahllos festgenommen und oft auf grausame Art und Weise getötet, andere werden in der Haft gefoltert oder sie „verschwinden“ nach ihrer Festnahme. Allein in Batticola Distrikt sind nach Walter Keller seit Juni 1990 annähernd 3.000 Personen „verschwunden“.

Seitdem die „Tigers“ im April 1991 auch Gebiete im Süd-Osten des Landes angriffen und dabei im singhalesischen Bezirk Moneralgala ca. 50 singhalesische Zivilpersonen – darunter 13 Kinder – töteten, befürchtet die Regierung die Ausdehnung der Kampfhandlungen auch auf singhalesisches Gebiet.

Die „Tigers“ gehen auch gegen Tamilen vor, die sie nicht unterstützen wollen oder einer der mit ihnen verfeindeten tamilischen Gruppen angehören. Es wird berichtet, daß Personen im Schnellverfahren verurteilt und öffentlich exekutiert wurden.

Die Zivilbevölkerung wird gezwungen, die „Tigers“ finanziell zu unterstützen. 10-12jährige Jungen werden zwangs rekrutiert, falls die Eltern nicht genügend Geld bezahlen können. Ca. 2.000 solcher „Baby-Fighters“ sollen im Kampf bisher getötet worden sein.

Versorgungslage

Die Kämpfe um den „Elephant Pass“ haben zu einem weiteren Anstieg der Preise für Lebensmittel und andere Güter geführt. Der gesamte Nachschub kam während der Kampfhandlungen zum völligen Stillstand. Der Versorgungsengpaß und der einsetzende Flüchtlingsstrom aus dem Einzugsgebiet der Kämpfe führte dazu, daß Familien oft tagelang kaum zu essen hatten.

Der Journalist Walter Keller schreibt:

„Probleme bereitet auch die Verteilung der Lebensmittel, die de facto unter der Kontrolle der LTTE stehen. Knappheit oder Vorhandensein hängt also auch von der Politik der LTTE ab. In jüngster Vergangenheit hat es mehrfach eine künstliche Verknappung von Lebensmitteln gegeben, die von der LTTE ausging. Hinzu kommt, daß die LTTE alle Güter, die in den Norden gelangen, besteuert. […] Die meisten Banken im Norden sind geschlossen bzw. nur noch sporadisch geöffnet, da kein Bargeld mehr vorhanden ist. Aus dem Süden gelangt nur noch ein Bruchteil des z. B. in Jaffna benötigten Bargelds auf die Halbinsel.“

Binnenflucht

Seit Ausbruch der Kampfhandlungen haben ca. 1 Million Menschen (Tamilen, Singhalesen, Moslems) ihren Wohnsitz verlassen. Hunderttausende von ihnen leben in überfüllten Lagern, sog. welfare camps. Andere haben ihre Heimat verlassen und bei Freunden und Bekannten Aufnahme gefunden. Nach neuesten Angaben des „Ministry of Reconstruction, Rehabilitation and Social Welfare“ existierten am 2. August 1991 insgesamt 470 Flüchtlingslager, davon 303 in der Nord-Ost-Provinz. Das Ministerium gibt die Gesamtzahl der Flüchtlinge mit 673.685 an. Hinzu kommen weitere 1.090.961 Personen, die wegen der Auseinandersetzungen wirtschaftliche Not erleiden. Verschärft wird das Flüchtlingsproblem durch die Zahl der Flüchtlinge, die in Sri Lanka zurückerwartet wird. Denn Indien schickt 250.000 ins südindische Tamil Nadu geflohene Menschen zurück nach Sri Lanka: Flüchtlinge zwischen allen Fronten.

Quellen und weiterführende Literaturhinweise:

Walter Keller: Another Day in Paradise,

in: Südasien, Zeitschrift des Südasienbüros, Nr. 6-7/91, Bericht einer Reise im August 1991. Bezug: Südasien-Büro e.v., Große Heimstr. 58, 4600 Dortmund 1

Memorandum und Report der „Kommission für Menschenrechte der Vereinten-Nationen“: Menschenrechtsverletzungen in Sri Lanka, abgedruckt in: Südasien, Nr. 1-2/92. Bezug: s. o.

Länderbericht: Sri Lanka, in: IP Asyl,
Nr. 47/1991. Bezug: ID Asyl, Obere Holtener Str. 28, 4100 Duisburg 11

Lagebericht Sri Lanka (Stand 15.10.1991). 14.516.80/3 vom Auswärtigen Amt. Bezug: ZDWF, Hans-Böckler-Str. 3, 5300 Bonn 3

Gabriele Vensky: Auf Jaffna fallen die berüchtigten Faßbomben, in: Frankfurter Rundschau Nr. 87 vom 15. April 1991

Kein Asyl für Tamilen aus Sri Lanka

Den Asylantrag eines Tamilen aus Sri Lanka lehnte das Oberverwaltungsgericht für das land Nordrhein-Westfalen am 20. März 1991 mit folgender Begründung ab:

„Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter.

Maßnahmen des Staates in einem Bürgerkrieg, die typisch militärisches Gepräge aufweisen und lediglich auf die Rückeroberung eines Gebietes gerichtet sind, stellen im allgemeinen keine politische Verfolgung i. s. d. Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG dar; denn Voraussetzung für eine vom Staat ausgehende oder ihm zurechenbare Verfolgung ist, daß er die effektive Gebietsgewalt im Sinne wirksamer hoheitlicher Überlegenheit innehat. Daran fehlt es, wenn er im umkämpften Gebiet nurmehr als kämpfende Bürgerkriegspartei in Erscheinung tritt.

Anderes gilt allerdings dann, wenn die Maßnahmen der staatlichen Kräfte über die militärische Rückeroberung des Staatsgebietes hinaus auf die physische Vernichtung auf der Gegenseite stehender oder ihr zugerechneter, nach asylerheblichen Merkmalen bestimmten Personen gerichtet ist, obwohl diese keinen Widerstand (mehr) leisten oder an dem militärischen Geschehen nicht (mehr) beteiligt sind, oder wenn die staatlichen Zugriffe gar in die gezielte physische Vernichtung oder Zerstörung der ethnischen, kulturellen oder religiösen Identität des gesamten aufständischen Bevölkerungsteils umschlagen.

Bei einem Guerillakrieg tritt dann eine dem Bürgerkrieg vergleichbare Situation ein, in der die staatlichen Maßnahmen den Charakter politischer Verfolgung im Regelfall bis auf die oben aufgezeigten Ausnahmen verlieren und zwar selbst dann, falls diese völkerrechtswidrig sind -, wenn die aus dem Verborgenen angreifenden Aufständischen das staatliche Gewaltmonopol derart aushöhlen bzw. ausgehöhlt haben, daß zwar die staatliche Schutz und Verfolgungsmächtigkeit teilweise noch besteht, jedoch mit starken oder gar überlegenen Kräften konkurriert, so daß die staatliche Friedensordnung prinzipiell aufgehoben ist…

Der letzte Wohnort des Klägers liegt in dem Gebiet, in dem Bürgerkrieg herrscht. Da der srilankische Staat hier vorrangig als Bürgerkriegspartei agiert und versucht, durch Bekämpfung des Bürgerkriegsgegners die Gebietsherrschaft wiederzuerlangen, sind seine Handlungen – wie bereits oben aufgezeigt – nur unter besonderen Voraussetzungen als politische Verfolgung zu qualifizieren. Diese liegen etwa dann vor, wenn staatliche Maßnahmen über die Rückeroberung des Gebiets hinaus auf physische Vernichtung auf der Gegenseite stehender oder ihr zugerechneter nach asylerheblichen Merkmalen bestimmten Personen gerichtet sind, obwohl diese keinen Widerstand leisten oder an dem militärischen Geschehen nicht beteiligt sind, oder es sich um die gezielte physische Vernichtung oder Zerstörung der ethnischen, kulturellen oder religiösen Identität des gesamten aufständischen Bevölkerungsteils handelt.

Politische Verfolgung des Klägers ist auch nicht etwa deshalb zu befürchten, weil die srilankischen Sicherheitskräfte in bestimmten Aktionen gezielt Tamilen festnehmen und verhören. Derartige, als „Screening Operations“ bezeichnete Festnahmen haben nach den Auskünften des Auswärtigen Amtes (vgl. Auskunft vom 29. November 1990 an VG Köln sowie Lagebericht vom 16. Januar 1991) im Norden der Insel stattgefunden und sind auch in Zukunft zu befürchten. Zwar knüpfen sie an die tamilische Volkszugehörigkeit an, wobei zunächst ohne nähere Auswahl (auch) auf Zivilisten zugegriffen wird…

Zwar handelt es sich dabei um eine recht fragwürdige Methode, die kaum mit humanitären und rechtsstaatlichen Grundsätzen zu vereinbaren ist und die für die nicht unmittelbar an den Kampfhandlungen beteiligte zivile tamilische Bevölkerung Gefahren mit sich bringt und zu einer großen Verunsicherung führt. Angesichts der Besonderheiten dieses Guerilla-Bürgerkriegs, in dem die Angriffe der Aufständischen zum Teil mit brutalster Härte geführt werden und es für die srilankischen Kräfte nicht möglich ist, den Gegner nach Ablegen der Waffen und Uniform im fraglichen Gebiet unter der Bevölkerung an sonstigen besonderen Merkmalen zu identifizieren, sind aber auch dies Maßnahmen, die der Habhaftmachung der Aufständischen dienen sollen und nicht als bloßer Gegenterror einzustufen sind. Sie sind damit Teil des militärischen Kampfes zur Wiederherstellung der staatlichen Gebietshoheit und nicht als politische Verfolgung zu qualifizieren.

Der Senat entnimmt den ihm vorliegenden Erkenntnissen, daß im Norden Sri Lankas eine Situation besteht, in welcher der dort lebenden tamilischen wie auch sonstigen – Zivilbevölkerung erhebliche Gefahren für Leib und Leben ständig mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Es ergeben sich daraus schwerwiegende Zweifel, ob es einem nunmehr in der Bundesrepublik Deutschland lebenden srilankischen Staatsbürger tamilischer Volkszugehörigkeit zumutbar ist, in seinem Heimatort zu leben. Für die Anerkennung als politisch Verfolgter ist dies entgegen der Ansicht des Klägers jedoch nicht erheblich.“

Den vollständigen Text des Urteils sendet Ihnen die Zentrale Dokumentationsstelle der Freien Wohlfahrtspflege (ZDWF), Hans-Böckler-Straße 3, 5300 Bonn 3, Telefon 0228/462047-48, gegen Erstattung der Unkosten zu. Bitte angeben: Case Nr. 8011

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