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22.05.1996

SOMALIA-URTEIL DES HESSISCHEN VGH:
Angriff auf die Genfer Flüchtlingskonvention
Negative Ausstrahlung auf Europa befürchtet


Das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Mai 1996, Flüchtlingen aus Somalia kein Asyl zu gewähren, weil es dort keine Staatsgewalt und somit keine politische Verfolgung gebe, stößt bei der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL auf Unverständnis und heftige Kritik. Mit semantischen Spitzfindigkeiten urteile der Hessische VGH, bei den regionalen und lokalen Clanherrschaften handele es sich „allenfalls um vorstaatliche, nicht aber um staatsähnliche Herrschaftsgewalten“.

„Mit immer fadenscheinigeren Argumenten werden politisch Verfolgte aus dem Asylrecht herausdefiniert“, erklärte Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL. Gerade in Bürgerkriegswirren seien politische Verfolgungen und Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung. Die Rechtsprechung des Hessischen VGH sei ein Angriff auf die Genfer Flüchtlingskonvention, die den Begriff der politischen Verfolgung weiter fasse als die deutsche Rechtsprechung. Die bereits bei Urteilen zu afghanischen und tamilischen Flüchtlingen sichtbar gewordene Tendenz, Bürgerkriegsflüchtlinge weitgehend vom Asylrecht auszuschließen, erweitere der Hessische VGH um eine neue Dimension.

Diesem Urteil komme eine grundsätzliche Bedeutung zu, die weit über die Bundes-republik Deutschland hinausgehe. Innerhalb der Europäischen Union vertrete nur eine Minderheit von vier Mitgliedsstaaten (die Bundesrepublik, Frankreich, Italien und Schweden) die Auffassung, daß Menschen, die von nichtstaatlicher Seite verfolgt wurden, nicht als Flüchtlings anerkannt werden könnten. Die Bundesregierung versuche, gegen den entschiedenen Widerstand des Hohen Flüchtlingskommissariats der Vereinten Nationen diese verengte Auslegung des Flüchtlingsbegriffs europäisch durchzusetzen. Nachdem Politik und höchstrichterliche Rechtsprechung das Grundrecht auf Asyl faktisch ausgehebelt haben, sei das nächste Angriffsziel die Genfer Flüchtlingskonvention.

Die Folge dieses fatalen Gleichklangs von Politik und Justiz sei schon jetzt, daß immer mehr Bürgerkriegsflüchtlinge nur noch mit kurzfristigen Duldungen in Deutschland lebten. Damit werde ihnen jede Möglichkeit einer vernünftigen Lebensplanung genommen.

Günter Burkhardt, Geschäftsführer


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