TAG DES FLÜCHTLINGS 1997
Sachsens evangelischer Bischof besuchte
Abschiebungshäftlinge in Leipzig
Dieter Braun (gekürzt)
INHALT
- Grußwort der Vertreterin der Hohen Flüchtlingskommissarin der Vereinten Nationen (UNHCR) in der Bundesrepublik Deutschland
- Ich bin ein Mißbraucher
- Juristisch wegdefiniert
- Europa nutzt die baltische Sehnsucht nach neuen Grenzen – eine Reportage aus Litauen
- Informelle Zusammenarbeit – Tor zu für Flüchtlinge
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ABSCHIEBEHAFT
- Weggesperrt zum Abtransport
- »Gib dem Herrn die Hand, er ist ein Flüchtling«
- Sachsens evangelischer Bischof besuchte Abschiebungshäftlinge in Leipzig
- In Lumpen gehüllt
- FRAUEN
- »Verfolgte Frauen schützen!«
- Geschlechtsspezifische Menschenrechtsverletzungen
- Europaparlament: Asylpolitik muß der Lage von Frauen Rechnung tragen
- KIRCHENASYL
- Zur Notwendigkeit des »Kirchenasyls«
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BEISPIELE UND ANREGUNGEN ZUM TAG DES FLÜCHTLINGS 1997
- Anregungen zum Tag des Flüchtlings 1997
- Dem Gedächtnis der Namenlosen
- Eine Verkettung unglücklicher Umstände? oder »Der Trend geht zur Urne«
- Der Tod eines unbedeutenden Mitläufers
- »Abgeschobene erwartet ein gefährliches Folterpotential«
- Die Härtefallkommission
- Illegalisierte Flüchtlinge
Den Tag des Flüchtlings am 4. Oktober 1996 hat der evangelisch-lutherische Bischof Sachsens, Volker Kreß, zum Anlaß genommen, um die Justizvollzugsanstalt Leipzig zu besuchen, in der auch Abschiebehäftlinge untergebracht sind. Am Anfang stand ein Gespräch mit zwei Abschiebehäftlingen aus Zaire und Nigeria in kirchlichen Räumen. Im Anschluß daran fand ein Gespräch mit einem Vertreter des Innenministeriums, dem zuständigen Ministerialdirigenten im Justizministerium, dem Gefängnisdirektor, Sozialarbeitern der Haftanstalt und Mitarbeitern der im Ausländerbereich Tätigen der Evangelischen Kirche statt. Anliegen der Kirchenvertreter war es, insbesondere darauf hinzuweisen, daß die derzeitige Praxis der Abschiebehaft in Sachsen abgelehnt wird, weil Grundrechte erheblich eingeschränkt werden, obwohl die inhaftierten Flüchtlinge keine Kriminellen sind. Es dürfe nicht sein, daß Flüchtlinge unter denselben Bedingungen wie Straftäter leben müßten. Bischof Kreß sprach davon, daß die Unterbringung im Gefängnis den betroffenen Menschen das Stigma eines Straftäters verleihe. Er forderte konkret eine bessere Durchschaubarkeit des Abschiebeverfahrens für die Betroffenen. Außerdem wies er auf die unzureichende soziale Betreuung von Abschiebehäftlingen hin. So standen zum Zeitpunkt des Besuches für die Betreuung von ca. 450 Strafgefangenen und Abschiebehäftlingen in Leipzig nur zwei Sozialarbeiter zur Verfügung. Eine psychosoziale Betreuung findet nicht statt. Kirchliche Mitarbeiter legten den Behörden einen umfangreichen Katalog mit Vorschlägen zur Verbesserung der Situation in Abschiebehaft vor. Die Gesprächspartner der Ministerien zeigten jedoch eher geringe Bereitschaft, die Vorschläge aufzugreifen. Der Vertreter des Justizministeriums vertrat ernstlich die Auffassung, aufgrund der besorgniserregenden Überbelegung in sächsischen Gefängnissen müßten die Regelungen für Abschiebehäftlinge denen entsprechen, die für andere Häftlinge auch gelten. Übereinstimmung bestand immerhin bei allen, daß eine Stigmatisierung der Abschiebehäftlinge vermieden werden müsse.
Von den 16 konkreten Forderungen von kirchlicher Seite wurde lediglich eine aufgegriffen.
Es wurde eine Prüfung der Frage zugesichert, ob ein Informationsblatt für Abschiebehäftlinge in unterschiedlichen Sprachen realisiert werden könne.