Generic selectors
Nur exakte Ergenisse
Suchen in Titel
Suche in Inhalt
Post Type Selectors
04.03.1997

Rückkehrpolitik nach Bosnien zum Scheitern verurteilt
PRO ASYL fordert Revision der Innenministerbeschlüsse


Vom 24. Februar bis 1. März 1997 haben Abgeordnete der Landtage Hessen und Rheinland-Pfalz und Mitarbeitende des Caritasverbandes, des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, des Diakonischen Werkes Hessen-Nassau, des Malteser Hilfsdienstes, der Verwaltung des Landes Hessen und PRO ASYL eine Reise nach Bosnien durchgeführt und dabei u.a. die Städte Bihac, Mostar und Sarajewo besucht.

Beim heutigen Pressegespräch forderte Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL, die Innenminister auf, ihre Beschlüsse zu revidieren.

60% der Wohnungen in Bosnien-Herzegowina seien zerstört. Trotz der schlechten Perspektive gehe UNHCR davon aus, daß 1997 insgesamt 200.000 Flüchtlinge freiwillig zurückkehren werden. Für diese Rückkehr sei die Wiederherstellung von 65.000 Häusern nötig. Alle Hilfsorganisationen könnten jedoch zusammen nur 13.000 Häuser im Jahr rekonstruieren. Eine zusätzliche Zahl von Rückkehrern aus Deutschland sei nicht aufnehmbar.

Der Bundesinnenminister und die Innenminister der Länder haben für die Region um Bihac (Modellprojekt Una-Sana) massiv für eine freiwillige Rückkehr geworben, Bundesinnenminister Kanther habe persönlich mit dem Präsidenten der Europäischen Kommission, Santer, das Modellprojekt ausgehandelt. Von diesem groß angekündigten Projekt sei faktisch bisher nichts realisiert worden. Selbst für das Jahr 1997 sei nur die Wiederherstellung von rund 700 Häusern zu erwarten. Dies bedeute, daß im Kanton Una-Sana max. 3.000 bis 4.000 Menschen aufgenommen werden können und nicht die vom Bundesinnenminister angestrebten 70.000 Flüchtlinge, erklärte Günter Burkhardt.

Eine große Gefahr für Rückkehrende bildeten die ca. 3 Mio. Minen, die in ganz Bosnien vergraben wurden. Es existiere kein Minenräumprogramm. In ihrer Verzweiflung trieben Menschen Schafherden über Weiden oder brennen sie ab, um Minen zur Explosion zu bringen, berichtete Günter Burkhardt nach der Rückkehr aus Bosnien. Eine systematische Minenräumung finde nicht statt.

Faktisch sei Bosnien dreigeteilt in serbisch, kroatisch und moslemisch kontrollierte Gebiete. Eine Rückkehr von Minderheiten sei in aller Regel nicht möglich. Rückkehrende würden schikaniert und bedroht. Die Polizei könne keine rechtsstaatlichen Verhältnisse sicherstellen.

Deshalb fordert PRO ASYL:

  1. Deutschland muß seinen gefährlichen Sonderweg beenden. Alle anderen europäischen Staaten gehen nicht so rigoros vor wie Deutschland.
  2. Die Innenminister des Bundes und der Länder müssen ihren Beschluß, Flüchtlinge aus Deutschland in den nächsten Monaten abzuschieben, revidieren. Aufnahme- und Integrationsmöglichkeiten für größere Zahlen von Rückkehrenden bestehen z. Z. noch nicht. Die meisten notwendigen Wiederaufbauprogramme sind kaum oder gar nicht angelaufen. Im Jahr 1997 darf es deshalb keine Abschiebungen nach Bosnien-Herzegowina geben.
  3. Wie viele andere europäische Staaten auch sollte sich die Bundesrepublik auf die Förderung der freiwilligen Rückkehr und die Integration dieser Rückkehr in Wiederaufbauprogramme konzentrieren. Die Zahl der freiwilligen Rückkehrer könnte wesentlich größer sein, wenn sie mit Unterstützung nicht nur auf dem Papier rechnen könnten.
  4. Vor dem Hintergrund der labilen Lage in dem Spannungsgebiet Bosnien-Herzegowina müssen für jene Flüchtlingsgruppen adäquate Schutzregelungen gefunden werden, die voraussichtlich in den nächsten Jahren oder gar auf Dauer nicht zurückkehren können. Dazu gehören u. a.:
    • Flüchtlinge, die in ihrer Heimatregion zur Minderheit wurden
    • Menschen, die in binationalen Ehen leben
    • Deserteure und Kriegsdienstverweigerer, insbesondere aus der Republik
      Srpska
    • Roma, die in allen Landesteilen diskriminiert und schikaniert werden
    • traumatisierte Personen
    • Zeugen, die bereit sind, vor dem internationalen Kriegsverbrechertribunal
      auszusagen.
  5. Die Revision des Phasen- und Zeitplanes für die Abschiebung bosnischer Kriegsflüchtlinge muß auch beinhalten, daß auf alle Formen des „sanften Druckes“ durch die Erteilung lediglich kurzfristiger Duldungen oder Grenzübertrittsbescheinigungen, durch die Verweigerung oder Kürzung von Sozialhilfe oder die Nichtverlängerung von Arbeitserlaubnissen verzichtet wird.

Nach oben