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27.05.1998

Rechtsberatung am Flughafen

Vom Verfassungsgericht gefordert – seit Februar 1998 von PRO ASYL realisiert
Bundesinnenministerium lenkt jetzt endlich ein und schließt Vertrag mit Anwaltsverein
BMI-finanzierte Rechtsberatung beginnt am 30. Mai 1998

Beratung für Flüchtlinge geregelt – Frankfurter Rundschau vom 28.5.1998

Bereits vor mehr als zwei Jahren hat das Bundesverfassungsgericht sie gefordert: die unabhängige asylrechtskundige Beratung für Flüchtlinge im Flughafenverfahren. Zwei Jahre lang hat Bundesinnenminister Kanther die Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts mißachtet. Nach monatelanger Untätigkeit sah er nur eine „verstümmelte Rechtsberatung“ vor: Anwältinnen und Anwälte sollten Flüchtlinge lediglich dahingehend beraten, ob sie vor Gericht eine Chance hätten, nicht jedoch auch ihre Vertretung übernehmen.

Entscheidend ist, daß der Bundesinnenminister in dem diese Tage abgeschlossenen Vertrag zugestanden hat, daß die Anwältinnen und Anwälte nicht nur eine „Chancenkalkulation“ vornehmen, sondern Flüchtlingen bei der Einlegung von Rechtsmitteln unterstützen.

Allerdings besteht das BMI darauf, daß diese Rechtsberatung vom Bundesgrenzschutz organisiert wird und in Räumen des BGS stattfindet. Solch eine Rechtsberatung wäre nicht unabhängig. Sie war für Anwältinnen und Anwälte sowie für PRO ASYL nicht akzeptabel. Immerhin hat der Bundesinnenminister nun zugestanden, daß die Rechtsberatung nicht nur in den Räumlichkeiten des BGS, sondern auch in einem Raum des kirchlichen Flughafensozialdienstes durchgeführt werden darf. Allerdings dürfe dies den Bund nichts kosten.

So heißt in § 4 Abs. 1 des Vertrages: „Die Beratung findet in einem hierfür im Transitbereich des Flughafens Frankfurt/Main eingerichteten Raum des Flughafensozialdienstes statt, der dem Anwaltverein zur Durchführung der Rechtsberatung ohne Kostenbelastung des Bundes vom Flughafensozialdienst zur Verfügung gestellt wird. Der Anwaltverein stellt die für die Beratung notwendige informationstechnische Ausstattung in dem Raum des Flughafensozialdienstes ohne Kostenbelastung des Bundes zur Verfügung und stellt auch die Wartung sicher.“

„An der trotzköpfigen Haltung des Bundesinnenministers darf eine unabhängige Rechtsberatung nicht scheitern.“ Deshalb wird PRO ASYL dem Frankfurter Anwaltsverein die Kosten für die notwendige technische Ausstattung sowie die laufenden Telefon- und Faxkosten für das Jahr 1998 erstatten. Seit Anfang Februar hat PRO ASYL für die Rechtsberatung am Flughafen bereits mehr als 100.000 DM aufgewendet. Nach einer vorläufigen Auswertung hatten die von PRO ASYL unterstützen Anwälte in jedem vierten Fall Erfolg.

PRO ASYL begrüßt, daß sich der Bundesinnenminister gezwungen sah, seine Verzögerungstaktik aufzugeben. Die unabhängige Rechtsberatung am Flughafen reicht aber nicht aus. Allzu oft scheitern Flüchtlinge, die gute Gründe und eine kompetente anwaltliche Unterstützung haben, im Flughafenverfahren: Denn nur eine einzelne Richterin oder ein einzelner Richter entscheidet, ohne den Flüchtling je gesehen zu haben, über dessen Schicksal. Im ersten Halbjahr 1997 waren sämtliche Asylanträge von Flüchtlingen aus Afghanistan von ein und demselben Richter am Frankfurter Verwaltungsgericht abgelehnt worden. „Trotz Rechtsberatung ist das Flughafenverfahren ein Lotteriespiel“. PRO ASYL erwartet, daß nach der Bundestagswahl diese Mißstände im Flughafenverfahren beseitigt werden. PRO ASYL fordert die ersatzlose Streichung des rechtsstaatlich fragwürdigen Eilverfahrens an den Flughäfen.


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