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Recht für Flüchtlinge

Ein Leitfaden durch das Asyl- und Ausländerrecht für die Praxis

Hubert Heinhold

Zum Geleit

In der öffentlichen Diskussion ist das Asylrecht weiterhin ein Reizthema, das auch mit Blick auf die anstehende Harmonisierung der Asylpolitik in der Europäischen Union nichts an Aktualität verloren hat. Die selbst für deutsche Rechtsexperten äußerst komplizierte Materie war in den vergangenen Jahren wiederum manchen Gesetzesänderungen unterworfen. Die vorliegende völlig veränderte Neuauflage des Leitfadens durch das deutsche Asyl- und Ausländerrecht trägt diesen Entwicklungen Rechnung. Der Teil zum materiellen Asylrecht wurde vom Autor Hubert Heinhold wesentlich ausgebaut. Ausführlich eingegangen wird zudem auf jene Aspekte des allgemeinen Ausländerrechts, die auch Flüchtlinge betreffen.

Wie die früheren Auflagen zeichnet sich der neue Leitfaden durch eine ausführliche und übersichtliche Zusammenstellung der einzelnen Themenbereiche aus. Die sorgfältige wie problemorientierte Aufbereitung sowie der präzise, zugleich auf Verständlichkeit achtende Stil dienen dem wichtigen Kriterium der Leserfreundlichkeit.

UNHCR begrüßt und unterstützt die Herausgabe dieses Buches, das man mittlerweile ohne Übertreibung als Standardwerk bezeichnen kann. Dessen Inhalt weist den Weg durch ein mitunter undurchschaubar scheinendes Geflecht aus Paragraphen und Vorschriften. Aus Sicht des Flüchtlingsschutzes ist es gewiss zu bedauern, dass Asylrecht und –rechtsprechung in den letzten Jahren vornehmlich unter restriktiven Vorzeichen standen. Die Lektüre des Leitfadens kann aus dieser Perspektive kein Vergnügen bereiten. Dennoch: Wer kompetent, ob ehrenamtlich oder von Berufs wegen, schutzsuchende Menschen und Flüchtlinge in Deutschland unterstützen will, wird auf ihn kaum verzichten können.

Berlin, im Januar 2000 Jean-Noel Wetterwald
Vertreter des Hohen Flüchtlingskommissars
der Vereinten Nationen in der
Bundesrepublik Deutschland

Vorwort

Der „Leitfaden durch das Asylrecht“ liegt nunmehr in seiner dritten Fassung vor. Das erste, im Oktober 1993 erschienene Büchlein war aus der Notwendigkeit geboren worden, das zum 01.07.1993 in Kraft gesetzte, neue Asylrecht bekanntzumachen, zu erläutern und kritisch zu würdigen. Es sollte den Flüchtlingen und ihren Helfern eine erste Handreichung bieten, sollte vor allem praktische Anleitung sein im Umgang mit dem Recht.

Die zweite, im Januar 1996 erschienene Fassung des Leitfadens war erheblich umfangreicher. Sie war nicht nur deshalb notwendig geworden, weil die Erstauflage schnell vergriffen war, sondern weil sich den Flüchtlingen und ihren Helfern neue Fragen stellten, die unbeantwortet blieben. Das Flughafenverfahren und die Abschiebungshaft, damals verbreitete Probleme mit der Zustellung der Bescheide und Geldforderungen aufgrund von Verpflichtungserklärungen gemäß § 84 AuslG (meist im Zusammenhang mit Bosnienflüchtlingen) warfen Fragen auf, die beantwortet werden mussten.

Heute finden wir wiederum eine geänderte Situation vor. Das neue Asylrecht ist etabliert, die meisten Betreuer der Flüchtlinge wissen mit ihm umzugehen. Damals noch offene Grundsatzfragen sind durch die Rechtsprechung zum großen Teil geklärt – wenn auch meist zu Lasten der Flüchtlinge. Die juristische und rechtspolitische Diskussion hat sich teilweise verlagert: Menschenrechtsfragen oder die Fragen des Umgangs mit Flüchtlingen, die in einer besonderen Situation sind (geschlechtsspezifische Verfolgung, Folteropfer) stehen im Mittelpunkt des Interesses. Geändert hat sich auch die Situation der Flüchtlinge. Infolge der verbreiteten Arbeitsverbote sind sie oft ohne Anwalt. Das Netz der hauptberuflichen Betreuer ist ausgedünnt. Viele Flüchtlinge stehen daher ohne Beistand da und müssen sich selbst im Paragraphendschungel zurechtfinden.

Die neue Fassung des Leitfadens trägt dem Rechnung. Sie konzentriert sich mehr auf die Darstellung des (materiellen) Rechts für Flüchtlinge, also auf das Asylrecht und das Ausländerrecht und das hierzu ergangene Verfahrensrecht (Asylverfahrensgesetz) und behandelt Randprobleme, auch wenn sie immer wieder auftreten, wie etwa die Zustellungsproblematik, als solche. Auf die Darstellung des Sozialrechts für Flüchtlinge (insbesondere das Asylbewerberleistungsgesetz) wurde bewußt verzichtet: Hierzu gibt es mittlerweile andere, empfehlenswerte Schriften.

Nach wie vor ist der Leitfaden stark praxisorientiert. Er will kein theoretisches Werk sein, das eine vollständige Darstellung des gesamten Flüchtlingsrechts unter Wiedergabe der unterschiedlichen Meinungen enthält. Vielmehr soll er ein Handbuch für die Flüchtlingsarbeit sein, eine praktische Anleitung, geschrieben vor allem für Betreuer von Flüchtlingen, für die Sozialarbeiter nicht weniger als für die Ehrenamtlichen. Diesen, aber auch den Betroffenen selbst, soweit sie dem relativ komplizierten Rechtssystem folgen können, soll ein Überblick über die Materie gegeben werden, der es ihnen ermöglicht, die wesentlichen Inhalte des Flüchtlingsrechts und die Strukturen des Gesetzes zu erkennen, um versprochene Rechte in Anspruch nehmen zu können oder überhaupt Forderungen erheben zu können.

Ich habe mich schon in den Vorauflagen darum bemüht, zwischen der Darstellung der sogenannten herrschenden Meinung (also derjenigen, die wahrscheinlich das Gericht teilen wird) und eigenen kritischen Überlegungen zu unterscheiden. Obwohl ich dabei Formulierungen verwendet habe wie „denkbar ist allenfalls“, „in extremen Ausnahmefällen“ oder „allenfalls“, „wenn überhaupt“, „meist nicht“ oder ähnliche, wird mir oft von den Helfern mit den Worten „Sie haben doch geschrieben …“ ein angeblicher, tatsächlich aber nie gegebener Ratschlag vorgehalten. Ich glaube, dass in den meisten Fällen der Wunsch zu helfen, dazu geführt hat, dass die einschränkenden Floskeln überlesen wurden. Gleichwohl habe ich mich in dieser Auflage noch mehr als bisher bemüht sowohl die oftmals unerfreuliche Realität darzustellen und mögliche, andere Interpretationsmöglichkeiten aufzuzeigen und zwischen ihnen deutlich zu unterscheiden. Denn nur dann, wenn man neue Wege nicht nur denkt, sondern auch artikuliert, nur dann, wenn, vom Einheitsstrom abweichende Gedanken von anderen aufgegriffen, bearbeitet, weiterentwickelt werden, gelingt es, aufgrund eines derartigen Überzeugungsprozesses zumindest einzelne dieser Positionen „salonfähig“ zu machen.

Nur so kann man langfristig etwas verändern. Das kritiklose Nachplappern der herrschenden Meinung zementiert die Verhältnisse!

Obwohl das vorliegende dritte Exemplar des Leitfadens in weiten Teilen neu geschrieben ist, habe ich auf bewährte Formulierungen zurückgegriffen und nicht krampfhaft versucht, alles umzuformulieren. Lesen Sie bitte auch dann weiter, wenn Sie die eine oder andere Wendung bereits kennen: Neues folgt sogleich. Das, was nicht umgeschrieben wurde, war nicht das Schlechteste.

Meine Darlegungen basieren auf den Erfahrungen vieler Jahre, in denen ich den Rat- und Schutzsuchenden helfen wollte und nur zu selten helfen konnte. Ohne das Vorbild engagierter Kollegen, haupt- und ehrenamtlicher Helfer in den Verbänden und Initiativen und vorallem oft erlebten, spontanen nachbarlichen Engagements hätte ich längst resigniert. Ihnen gilt mein Dank. Ein besonderes „Dankeschön“ geht an meine Familie, meine Kanzlei und meine Mitarbeiterin Gabi Mayr die mich stets unterstützt haben.

München im April 2000 Hubert Heinhold, Rechtsanwalt


A Vorbemerkung

Seit 01.07.1993 ist das Asylverfahrensgesetz jetzt in Kraft, seitdem ist der bisherige Artikel 16 II 2 aufgehoben und ein neuer Artikel 16 a ins Grundgesetz eingefügt. Die Änderungen fanden die Billigung des Bundesverfassungsgerichtes und haben ihrerseits Wirkungen entfaltet. Neben einem deutlichen Rückgang der Zugangszahlen – obwohl ich die Hauptursache hierfür in der militärischen Aufrüstung des Bundesgrenzschutzes und der Grenzpolizeien der benachbarten Länder sehe – ist ein weiteres Ergebnis der Gesetzesänderung, dass es kaum noch Anerkennungen nach Art. 16 a GG gibt. Dies hat weitreichende Folgen. So besteht in diesen Fällen kein Rechtsanspruch auf Familiennachzug, was erhebliche Probleme schafft, weil die Praxis der Ausländerbehörden und des Auswärtigen Amtes in diesen Fällen einen Familiennachzug zu verhindern oder zumindest zu erschweren sucht. Erziehungsgeld wird regelmäßig verwehrt, Kindergeld manchmal.

Eine Ahnung davon, wie weit die mit der faktischen Abschaffung eines Asylrechtes erfolgte Herabstufung des Schutzes der politisch Verfolgten reichen kann, wenn man vom vorhandenen Instrumentarium exzessiv Gebrauch macht, konnte man in den letzten zwei Jahren an den Fällen irakischer Asylbewerber beobachten. Im Dezember 1997 hatten das Bundesministerium des Inneren und das Auswärtige Amt eine Kampagne gestartet – durchaus in Kooperation mit anderen europäischen Staaten –, wonach im Nord-Irak eine aktuelle politische Verfolgung nicht stattfinde, sondern dort eine ‘inländische Fluchtalternative’ für irakische Kurden existiere. Das Auswärtige Amt hatte seine Lageberichte und Auskünfte umgestellt, der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten in allen Fällen Klagen gegen stattgebende Entscheidungen des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge erhoben und im Bundesamt ließ die Behördenspitze die Entscheider wissen, dass man im Hause die Lage ebenso beurteile wie das Bundesministerium des Inneren und das Auswärtige Amt, welche Meinung bei der Entscheidung über § 53 AuslG zu befolgen sei und bei Entscheidungen über das Asylrecht und einen asylrechtlichen Abschiebungsschutz in aller Unabhängigkeit bedacht werden möge. Das Ergebnis war, dass auch die meisten Bundesamts-Entscheider in aller Unabhängigkeit die Verhältnisse im Irak plötzlich anders sahen, obwohl sich zwischen den Vorjahren und heute dort nichts grundlegend geändert hat.

Parallel zu dieser Kampagne wurden auf relativ breiter Front Asylwiderrufsverfahren eingeleitet. Wer einen Antrag auf Familiennachzug stellte, wenn Familienasyl für Frau oder Kinder beantragt wurde oder wer der Ausländerbehörde sonst unangenehm auffiel, wurde und wird mit einem Widerrufsverfahren überzogen. Da ein Großteil der Gerichte sich dieser nun etablierten Meinung anschloß, ist der asylrechtliche Schutz für viele Iraker perdu, kaum dass sie ihn erhalten haben. Ergebnis dieser Praxis ist, dass trotz zwischenzeitlich positiver Entscheidung eine Aufenthaltsbeendigung in Frage kommt, weil die meisten der Flüchtlinge nur die Stellung nach § 51 I AuslG erhalten hatten und damit nur eine Aufenthaltsbefugnis und keine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Erst nach einem 8-jährigen Aufenthalt liegt eine Verfestigung vor und kann eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Herabstufung des asylrechtlichen Schutzes auf den bloßen Abschiebungsschutz nach § 51 I AuslG hat daher auch die Folgewirkung, dass der Flüchtling nach einer Änderung der Verhältnisse (oder auch nur einer angeblichen, aber in der juristischen Welt durchgesetzten) schneller und leichter abgeschoben werden kann. Wie perfide dies sein kann, macht wiederum das Beispiel Nord-Irak deutlich. Denn auch die Menschen, die aufgrund der oben kritisierten Kollaboration zwischen AA, BMI, BAFl und Gerichten ihren Status nach § 51 I AuslG wieder verloren haben und noch keine Verfestigung nach einem 8-jährigen Aufenthalt erlangt haben und deshalb unanfechtbar ausreisepflichtig gemacht wurden, werden nicht abgeschoben. Eine Abschiebung ist zum einen tatsächlich nicht möglich und wird zum anderen (aus guten Gründen, wenn man sich die Situation im Irak und auch im Nord-Irak vor Augen hält) wohl nicht gewagt. Da man die Flüchtlinge nicht los wird, hat man im Ergebnis also nichts anderes gemacht, als ihren Rechtsstatus zu verschlechtern und auf diese Weise eine Verfestigung zu verhindern. Denn der Duldungsstatus führt in diesen Fällen zu keiner Verfestigung, weil nach § 35 AuslG Duldungen nur dann zu berücksichtigen sind, wenn sie auf der Rechtsgrundlage von § 53 AuslG erteilt wurden. Genau dies ist in den Widerrufsverfahren aber bestritten worden, weil ja der Nord-Irak eine inländische Sicherheit biete.

Ich habe dieses Beispiel geschildert, um deutlich zu machen, wie gedankenlos und formaljuristisch heute Recht angewandt wird, (nicht nur) wenn es um asylrechtlichen Schutz geht. Wenn Einigkeit darüber besteht, dass eine Abschiebung in den Irak ebensowenig in Betracht kommt wie in den Nord-Irak, macht es keinen Sinn, die Menschen zur Ausreise aufzufordern und ihnen die Abschiebung anzudrohen. Die Degradierung dieser Menschen von anerkannten Flüchtlingen zu „Geduldeten“ hat nur den einzigen Hintergrund und Zweck, andere Flüchtlinge aus dem Nord-Irak abzuschrecken. Ein „Sog“ soll verhindert werden. Die hier lebenden Menschen aus dem Nord-Irak sind Bauern im Schachspiel der europäischen Flüchtlingsabwehrpolitik.

Mit einer solchen Behandlung der Flüchtlinge verlässt die Bundesrepublik Deutschland den Boden eines Rechtsstaates (und hieran ändert nichts die Tatsache, dass auch andere westeuropäische Staaten sich in gleicher Weise verhalten). Denn Kennzeichen eines Rechtsstaates ist es, dass die Menschen, die auf seinem Territorium leben und seiner Gewalt unterworfen sind, als Inidividuen beachtet werden und entsprechend ihrer Menschenwürde, ihrer individuellen Einzigartigkeit und ihrer Bedürfnisse respektiert und behandelt werden. Sie sind eben nicht, wie dies im Feudalstaat war, Sklaven der Macht oder Kanonenfutter der Mächtigen, sondern als Individuen das Substrat des Staates, der sich aus ihnen zusammensetzt. Ein Staat, der die einzelnen Individuen, die auf seinem Terrorium leben, nicht ihrem Wesen gemäß behandelt, sondern sie einer bestimmten Behandlung unterzieht, um andere zu einem Verhalten zu veranlassen, handelt nicht rechtsstaatlich, sondern wie ein feudalistischer Staat gegenüber seinen Untertanen.

Derartige Tendenzen sind – nicht erst aber zunehmend – seit den Karlsruher Entscheidungen zum Art. 16 a GG in Deutschland zu beobachten. Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner faktischen Abschaffung des Asylgrundrechtes, mit der Übertragung der Verantwortung für den Flüchtlingsschutz an die Politik unter dem Stichwort „normative Vergewisserung“, mit seiner Billigung der sonstigen Einschränkungen und vor allem mit seinem Rückzug aus dem System der gerichtlichen Kontrolle durch die Erklärung, nur ausnahmsweise einstweiligen Rechtsschutz zu gewähren, die Rechtfertigung und den Anstoß zu dieser Entwicklung gegeben. Nicht mehr der Mensch, sondern das staatliche Interesse steht seitdem im Mittelpunkt des Flüchtlingsrechts. Die Gedanken kreisen nicht mehr darum, wie man vernünftigerweise, am besten, effektivsten und von mir aus auch am billigsten dem einzelnen Flüchtling helfen kann, sondern darum, wie man diese Last vom Staat abwälzen kann. Die Flüchtlingspolitik besteht seit dem Karlsruher Wort einer „europäischen Lastenteilung“ darin, auf den Nachbarstaat zu verweisen, entweder mit dem Argument, jener sei zuständig oder man dürfe keine Vorleistungen erbringen, damit die Nachbarstaaten nicht aus ihrer Verantwortung entlassen würden. Die eigene Verantwortung des deutschen Staates wird nur noch als kollektive im Vergleich zu den anderen Staaten gesehen, aber nicht mehr als individuelle gegenüber dem schutzbedürftigen Menschen.

Ein wenig will sich der Leitfaden dieser Entwicklung entgegenstemmen. Er stellt den schutzsuchenden Menschen in den Mittelpunkt seiner Betrachtung, er sucht Wege auzuzeigen, wie sein Recht durchgesetzt werden kann oder auch nur, wie er seinen Standpunkt und seine Interessen überhaupt zur Geltung bringen kann.

Mehr denn je ist der Schutzsuchende daher auf Beistand zur Durchsetzung seiner Rechte angewiesen. Dies gilt sowohl für das Asylverfahrensrecht, auch für das immer komplizierter werdende materielle Flüchtlingsrecht und zunehmend für die Zeit nach dem Anerkennungsverfahren. Das „normale“ Ausländerrecht gewinnt so an Bedeutung für die Flüchtlinge.

Eine Beratung sollte idealerweise von fachkundigen Rechtsanwälten vorgenommen werden. Leider zeigt die Erfahrung, dass viele Flüchtlinge den Weg zu ihnen nicht finden und viele die erforderlichen Anwaltsgebühren nicht tragen können. Die Beratung der Flüchtlinge während des Verfahrens, aber auch nachher, ist daher auch in die Hände der ehrenamtlichen Mitarbeiter von Flüchtlingsinitiativen und der Sozialarbeiter gelegt. Ihnen will diese Schrift eine Arbeitshilfe sein.

Selbstverständlich kann das Buch nur einen ersten Einblick geben. Es ersetzt weder einen Kommentar zum Asylverfahrensgesetz und zum Ausländergesetz noch den Besuch von Fortbildungsveranstaltungen. Wenn Sie sich intensiver mit der Materie befassen wollen, sollten Sie sich unbedingt dieser Hilfen zusätzlich bedienen und sich vertiefende Erkenntnisse erarbeiten. Im Anhang finden Sie einen Hinweis auf die Fachliteratur. Informationen zur Lage in den jeweiligen Herkunftsländern und über hierzu ergangene Gerichtsentscheidungen sind darüber hinaus erhältlich beim Informationsverbund Asyl/ZDWF e. V. und bei amnesty international.

Tipp

Wie Sie an Informationen kommen:

  1. Die Wohlfahrtsverbände Caritas, Diakonisches Werk und Rotes Kreuz unterhalten in Zusammenarbeit mit dem UNHCR in Bonn ein Netz zur Flüchtlingsberatung. Ehrenamtliche Flüchtlingsberater und -beraterinnen gibt es in manchen Unterkünften und in einigen Orten. Sie arbeiten mit den in der Rechtsberaterkonferenz zusammengefassten, auf das Asylrecht spezialisierten Rechtsanwälten zusammen.

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    Adressen
    )

    Sie erhalten dort auch im Einzelfalle Rat und erste Hilfe!

  2. Es gibt zahlreiche örtliche Flüchtlingshilfegruppen und Initiativen, die auch in Rechtsangelegenheiten Hilfe vermitteln.
  3. Die auf Länderebene organisierten Flüchtlingsräte vermitteln den Kontakt zu örtlichen Initiativen; sie sammeln überörtliche Informationen und verbreiten sie in Zeitschriften.
  4. Auch amnesty international engagiert sich auf örtlicher Ebene durch Arbeitskreise für Flüchtlinge. Um herausragende Fälle und allgemeine Problemstellungen kümmert sich auch der Bundesverband.
  5. Der Informationsverbund Asyl/ZDWF e. V. gibt eine monatliche Zeitschrift „Asyl-Magazin“ heraus, die wertvolle Informationen enthält. Über die ZDWF können auch Gerichtsentscheidungen und Auskünfte angefordert werden.
  6. PRO ASYL e. V. ist die nationale Lobby für Flüchtlinge. Die Vereinigung setzt sich nicht nur für Flüchtlinge ein, sondern informiert auch durch die Herausgabe von Schriften und Publikationen, auch im Internet.

B Allgemeine Ratschläge

Das Ausländer- und Flüchtlingsrecht ist kompliziert, und selbst für nicht-spezialisierte Anwälte oft nicht durchschaubar. Hüten Sie sich daher, Ihre Fähigkeiten zu überschätzen. Bedenken Sie, dass jeder Rat eine grundlegende Weichenstellung im Leben Ihres Klienten bewirken kann. Möglicherweise hängen von Ihrer Beratung Leben und Freiheit oder zumindest die künftige Lebensgestaltung Ihres Klienten ab. Bedenken Sie dies auch vor einem eventellen Ratschlag, sich gegen eine Maßnahme zu wehren. Wenn nach Ihrer Einschätzung nicht mehr zu gewinnen ist, als dass der Zeitpunkt der Ausreise hinausgeschoben wird, sollten Sie das Ihrem Schützling auch offen sagen. Das Leben in deutschen Asylbewerberunterkünften ist nicht so angenehm, dass es in allen Fällen dem Leben in der Heimat vorzuziehen ist. Möglicherweise sind die so gewonnenen Monate vergeudete Lebenszeit. Informieren Sie ihn so, dass er die Lage beurteilen kann und selbst entscheiden kann, was für ihn das Beste ist.

Holen Sie sich fachkundigen Rat bei einem der spezialisierten Rechtsanwälte, wenn Sie sich der Sache nicht sicher sind. Aber: Beachten Sie unbedingt die kurzen Fristen, die im Asylrecht gelten. Beachten Sie auch, dass das Gericht Ausschlußfristen zur Begründung setzen kann und davon manchmal gerade dann Gebrauch macht, wenn Anwälte nicht bestellt sind. Deren Mißachtung kann zum Rechtsverlust führen. Schalten Sie, bevor Sie eine Fristversäumnis riskieren, lieber einen Rechtsanwalt ein (selbstverständlich verbunden mit einem ausdrücklichen Hinweis auf die nach Ihrer Meinung demnächst ablaufende Frist). Wenn Sie sich nicht auskennen oder auch – etwa infolge von Sprache oder sonstigen Verständnisproblemen – nicht zu helfen wissen und einen Anwalt nicht erreichen können, schicken Sie den Flüchtling ganz einfach zum Verwaltungsgericht, aber geben Sie ihm einen Zettel (mit Datum!) in die Hand, auf dem steht, dass der Flüchtling gegen die Maßnahme … bzw. den Bescheid vom … gerichtliche Hilfe will und dass man ihm dabei helfen soll. Dort gibt es jemand, der verpflichtet ist, Klagen und Anträge von anwaltlich nicht vertretenen Menschen entgegenzunehmen (Rechtsantragsstelle). Auf diese Weise haben Sie den Schwarzen Peter an das Gericht weitergereicht. Erkennt der Beamte bei der Rechtsantragsstelle nicht, was zu tun ist oder versäumt er die Frist, kann Ihnen und dem Flüchtling Verschulden nicht vorgeworfen werden, eventuelle Versäumnisse sind dann noch korrigierbar!

Beachten Sie grundsätzlich, dass die rechtliche Beratung von Flüchtlingen nicht eine originäre Aufgabe der Sozialbetreuung ist, sondern in die Hände von fachkundigen Rechtsanwälten gehört. Soweit Sie auch in rechtlichen Dingen helfen müssen, tun Sie dies nur als Not-Hilfe und nur dann, wenn anwaltliche Hilfe nicht erlangbar ist. Versuchen Sie, sich durch Kooperation mit einem Anwalt oder durch Rückfragen bei anderen fachkundigen Stellen, zu vergewissern, dass Sie das Richtige tun.

1. Voraussetzung jeder Beratung sind Grundkenntnisse des Asylrechtes und des Ausländerrechts. Lesen Sie nicht nur diesen Leitfaden durch, sondern ziehen Sie stets auch den Gesetzestext heran. Beachten Sie bei der Lektüre des Gesetzestextes stets, dass Sie die gesamte Vorschrift lesen. Oft wird im zweiten Absatz das, was der erste Absatz verspricht, wieder eingeschränkt. Damit Sie den Zusammenhang verstehen, in dem sich die jeweilige Vorschrift befindet, ist es stets ratsam, die Gesetzessystematik zu kennen. Schlagen Sie im Inhaltsverzeichnis nach oder blättern Sie das Gesetz durch: Jedes Gesetz ist in Abschnitte und Unterabschnitte gegliedert. So verstehen Sie die Zusammenhänge besser und können vielleicht Querverbindungen zu anderen Vorschriften herstellen.

2. Es ist oft nicht sinnvoll, dem Klienten im einzelnen die Vorschriften zu erklären. Vielfach stiften Sie dadurch nur Verwirrung. Erklären Sie Ihrem Schützling die zentralen Punkte und machen Sie ihm deutlich, was er zu tun hat.

Gibt es mehrere Möglichkeiten, zeigen Sie ihm die Entscheidungsalternativen auf, ohne Ihren Klienten zu bevormunden.

3. Voraussetzung einer guten Beratung ist es, zu wissen, was der Klient will. Dies setzt ein Vertrauensverhältnis voraus, das Sie zunächst erarbeiten müssen.

Geht es um die Anerkennung als Asylberechtigter oder um die Gewährung eines Abschiebungsschutzes, müssen Sie das Fluchtschicksal Ihres Klienten kennen. Handelt es sich bei Ihrem Schützling um einen intellektuellen Menschen, bitten Sie ihn, alles niederzuschreiben, was er erlebt hat und was für die Asylgewährung wichtig sein kann. Da selbst gebildete Flüchtlinge oftmals die absurdesten Vorstellungen über die Voraussetzungen der Schutzgewährung haben, müssen Sie ihn vorher darüber informieren, was wichtig ist. Im Mittelpunkt steht natürlich das persönliche Verfolgungsschicksal. Von Bedeutung sind jedoch auch der familiäre Hintergrund, der berufliche Werdegang und der Fluchtweg. Weisen Sie den Flüchtling darauf hin, dass alle Dokumente – selbst Zeugnisse und private Briefe – von Bedeutung sein können. Übersehen Sie bitte auch nicht, dass gebildete Flüchtlinge viel bessere Informationen über ihr Herkunftsland haben, als Sie sie aus der Lektüre von Gutachten, Lageberichten und vielen Büchern je besitzen können. Auch allgemeine Informationen über das Herkunftsland können im Einzelfall von großem Gewicht sein.

Bei Personen, die nicht imstande sind, die wesentlichen Punkte schriftlich abzufassen, ist es ratsam, diese Informationen gemeinsam zu erarbeiten und niederzulegen. Ein großes Problem stellt dabei oft die Sprachbarriere dar. Können Sie sich mit dem Flüchtling nicht ausreichend verständigen, machen Sie keine halben Sachen, indem Sie das, was Sie verstehen, niederlegen, sondern versuchen Sie mit Hilfe eines Dolmetschers oder eines Landsmannes, einen vollständigen Überblick zu gewinnen. Aber achten Sie darauf, dass auch wirklich korrekt übersetzt wird. Oft versuchen Landsleute in guter Absicht „ihren Senf“ hinzuzufügen, worüber das, was der Flüchtling sagen will, verlorengehen kann oder entstellt wird.

Bei manchen Menschen kommen Sie, trotz größter Sorgfalt und intensivster Beschäftigung, nicht weiter. Sie haben das Gefühl, vor einer Barriere zu stehen; ihnen notwendig erscheinende Detailinformationen oder Aufklärungen werden nicht geliefert, obwohl Sie Ihrem Klienten glauben und davon überzeugt sind, dass er oder sie die Wahrheit spricht. Wenn dies der Fall ist, müssen Sie daran denken, dass hier möglicherweise eine schwere, krankhafte psychische Blockade vorliegen könnte. Wenn es Anhaltspunkte für eine Traumatisierung gibt, sei es durch Folter, einen Angriff auf die Geschlechtsehre oder andere schwerwiegende Erlebnisse, versuchen Sie nicht weiter, auf den Menschen einzudringen. Sie könnten die vorhandenen Verletzungen vertiefen und so zur Verstärkung der psychischen Blockaden und Traumatisierungen beitragen. Versuchen Sie lieber in diesem Fall eine fachkundige Hilfe zu organisieren, indem Sie Ihren Klienten zu einer psycho-sozialen Einrichtung weitervermitteln oder zu einem Facharzt für Psychotherapie oder zu einem Psychologen. Achten Sie bei Letzterem jedoch darauf, dass der Arzt oder Psychologe entweder bereits Fachkenntnisse auf diesem Gebiet besitzt oder genügend Einfühlungs- und Lernbereitschaft hat, sich auf dieses neue Feld einzulassen. Leider gibt es auch die Fälle, in denen schwer traumatisierte Personen von Nervenärzten mit Pillen abgespeist wurden, ohne dass man sich dort auch nur die Mühe gemacht hätte, durch Beiziehung eines Dolmetschers eine vertiefende Abklärung zu versuchen.

Sobald Sie informiert sind, überlegen Sie, wie Sie dieses Wissen einbringen. Die Möglichkeit, einen umfassenden Vortrag vor der entscheidenden Anhörung beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge geordnet vorzulegen, ist oft nicht gegeben – meist ist der Flüchtling vom Bundesamt schon gehört, bevor er zu Ihnen kommt. Gleichwohl gibt es diese Fallkonstellationen. Hier gilt es nun, „taktisch“ zu überlegen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass ein ausführlicher schriftlicher Vortrag manchen Entscheidern des Bundesamtes nur dazu dient, angebliche Widersprüche zu finden. In Bundesamtsbescheiden las man beispielsweise, der Flüchtling habe in seinem schriftlichen Vortrag davon gesprochen, dass sich ein bestimmtes Ereignis am 3. Mai zugetragen habe, während er bei der Anhörung beim Bundesamt dieses Ereignis auf Mitte Mai plaziert habe. Deshalb sei er unglaubwürdig.

Wenn Sie das Gefühl haben, dass der Flüchtling aufgrund seiner Bildung oder Persönlichkeitsstruktur Daten und Fakten in freier Rede nicht präzise wiedergeben kann, ist die vorherige Vorlage eines umfassenden Vortrages eher schädlich. Sie dürfen – dies ist traurig aber wahr – beim Bundesamt nicht immer auf eine wohlwollende Anhörung hoffen, sondern müssen davon ausgehen, dass alles, was gesagt wird, gegen Ihren Schützling verwendet werden kann. In diesem Falle ist es daher ratsam, diese vorbereiteten Informationen nur als Hintergrundwissen parat zu halten. Liegt das Bundesamtsprotokoll am Ende der Anhörung vor (dies ist leider oft nicht der Fall) und sehen Sie, dass zentrale Punkte nicht oder nur unvollständig dargestellt wurden, ist es Ihnen gemeinsam mit dem Flüchtling aufgrund dieses Hintergrundwissens möglich, noch rechtzeitig ergänzende Ausführungen zu machen, ohne dass dem Flüchtling der Strick der Widersprüchlichkeit gedreht werden könnte.

Haben Sie mit dem Flüchtling an der Anhörung persönlich teilgenommen, geben Sie die Ihnen erforderlich erscheinende Korrektur oder Ergänzung sofort zu Protokoll, wenn Sie dies noch bei der Anhörung bemerken. Bemerken Sie dies erst später, zu Hause, bei der Lektüre des Protokolls, reichen Sie Ihre Anmerkungen so rasch wie möglich nach.

Erhält der Flüchtling bzw. Sie das Protokoll erst zusammen mit dem Bundesamtsbescheid, ist eine Korrektur nicht mehr möglich und sinnvoll. Sie können dann nur darauf achten, dass dies in der Klageschrift oder Klagebegründung vorgetragen wird.

Haben Sie an der Anhörung selbst nicht teilgenommen und beklagt sich der Flüchtling nach der Anhörung in allgemeiner Weise über die Anhörung, ohne dass Sie die Berechtigung der Klagen anhand des Bundesamtsprotokolls überprüfen können (weil dieses noch nicht vorliegt), sollten Sie im Normalfall darauf achten, dass in diesem Stadium ein ergänzender Vortrag unterbleibt. Sie wissen nicht, was gesagt und insbesondere nicht, was protokolliert wurde. Oft führt ein ergänzender inhaltlicher Vortrag nur dazu, dass neue „Widersprüche“ auftauchen. In diesem Falle sollten Sie sich an das Bundesamt wenden – falls möglich, telefonisch – und um eine rasche vorherige Zusendung des Protokolls bitten. Dann können Sie gegebenenfalls in Kooperation mit dem Asylbewerber noch Korrekturen oder Ergänzungen abringen. Beklagt sich Ihr Schützling dagegen darüber, dass er z. B. den Dolmetscher nicht verstanden hat, dass er beispielsweise krank war oder er etwa zur unangemessenen Eile gedrängt wurde (etwa, weil der Anhörer von Anfang an sagte, er habe nur eine halbe Stunde Zeit), sollten Sie diese Kritik vorbringen und auf einen neuen Termin drängen.

Geht es nicht um die Asylgewährung selbst, sondern um Nebenfragen oder ausländerrechtliche Fragestellungen, müssen Sie erst ermitteln, was der Klient wirklich will und ob die Verfolgung dieses Zieles in seinem wahren Interesse liegt. Beispielsweise gibt es bei Folgeantragstellern erfahrungsgemäß immer wieder Probleme mit der Ausstellung von Ausweisdokumenten. In manchen Regionen erhalten diese Personen weiterhin Aufenthaltsgestattungen, in manchen erhalten sie Duldungen, in manchen Grenzübertrittsbescheinigungen, manchmal auch eigens hergestellte „Bescheinigungen über die Stellung eines Asylfolgeantrages“ und manchmal auch überhaupt nichts. Beklagt sich nun der Klient bei Ihnen darüber, dass er kein Papier besitzt oder seiner Auffassung nach das falsche, ist der juristisch richtige Rat, eine einstweilige Anordnung auf Ausstellung eines Ausweispapieres zu beantragen, im Ergebnis manchmal falsch. Denn ein solcher Antrag führt erfahrungsgemäß meist dazu, dass seitens der Ausländerbehörde beim BAFl Druck gemacht wird, dass der Asylfolgeantrag rasch (und meist negativ) beschieden wird. Um Ihrem Schützling zu helfen, müssen Sie also die Nachteile, die er erfährt, weil er kein (oder ein falsches) Papier besitzt und die Vorteile, die ihm das richtige Papier bietet, gegen die eventuelle Beschleunigung der Entscheidung abwägen. Sind Sie der Überzeugung, dass der Asylfolgeantrag ohne Frage beachtlich ist und sogar gute Erfolgsaussichten bestehen, ist der Antrag auf einstweilige Anordnung gerechtfertigt, um das Risiko, inhaftiert zu werden oder den Arbeitsplatz zu verlieren, zu vermeiden. Ergibt jedoch die kritische Prüfung des Asylfolgegesuches, dass dieses wohl als unbeachtlich gewertet werden wird, erscheint es im Regelfalle sachgerechter, den ungeklärten Status zu ertragen.

Auch im Bereich des Ausländerrechts gilt es, solche taktischen Überlegungen anzustellen. Ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis führt erfahrungsgemäß nur allzuoft dazu, dass ein förmlicher Bescheid ergeht, dass eine weitere Duldung nicht mehr erteilt wird. Insbesondere dann, wenn sich die Verhältnisse im Heimatland geändert haben (wenn auch nach Ihrer Auffassung nicht grundlegend), führt die berechtigte Ungeduld des Flüchtlings, der seine Stellung sichern will, oftmals zu einer Verkürzung des Aufenthaltes. Ein solcher Antrag führt zur Überprüfung der Akte. Wurden vom Bundesamt Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG bejaht, fragt das Ausländeramt in diesen Fällen meist nach, ob die Voraussetzungen hierfür auch heute noch vorliegen oder ob nicht ein Widerrufsverfahren eingeleitet wird.

Generell muss bedacht werden, ob gerade der vorliegende Fall geeignet ist, eine Entscheidung mit Präzedenzwirkung zu erzwingen. Eine negative Entscheidung der Behörde, des Verwaltungsgerichtes oder gar eines Obergerichtes führt leider sehr oft zu einer restriktiven Gesetzesauslegung oder zementiert eine schon vorhandene weiter. Diese wird dann auch auf Fallkonstellationen angewendet, bei denen vorher die Chance bestanden hätte, einen Durchbruch zu einer Änderung der Rechtspraxis zu erreichen. Im Interesse aller Flüchtlinge sollte daher Geduld aufgebracht und Grundsatzfragen nur anhand wirklich geeigneter Fälle geklärt werden. Falscher Eifer hat in der Vergangenheit nicht unerheblichen Schaden angerichtet.

Ohnedies sollte die Klärung solcher grundsätzlicher Fragen den Anwälten, und hierbei wiederum den auf das Asyl- und Ausländerrecht spezialisierten Anwälten, überlassen bleiben. Die Rechtsprechung im Asyl- und Ausländerrecht ist zu weiten Teilen eine „Fall-Rechtsprechung“, also eine Jurisdiktion, die sich an Einzelfällen herausgebildet hat und über diese Einzelfälle dann allgemeinverbindliche Grundsätze formuliert hat. Sind solche Prinzipien erst einmal formuliert, ist es schwer, sie wieder zu beseitigen. Wenn Sie für jemand, der als Straftäter (oder gar Drogendealer) unbeliebt ist, eine Ermessensleistung einklagen, zementieren Sie durch die vorhersehbare negative Entscheidung möglicherweise eine restriktive Praxis, die nicht bestünde, wenn Sie einen geeigneteren Kläger zur Klärung der Grundsatzfrage ausgewählt hätten. Wenn Sie diese Beschreibung der Praxis empört, habe ich mein Ziel erreicht: So funktioniert die Rechtsfindung, jedenfalls im Bereich des Asyl- und Ausländerrechtes. Hierauf sollten Sie sich einstellen!

4. Jeder hat das Recht, sich durch einen Bevollmächtigten vertreten zu lassen. Der Bevollmächtigte muss kein Rechtsanwalt sein; auch Sie können grundsätzlich als Bevollmächtigter auftreten. Tun Sie dies jedoch öfter, insbesondere als Mitglied einer Flüchtlingshilfeorganisation und sind Sie kein Rechtsanwalt, kann es zu Problemen mit dem Rechtsberatungsgesetz kommen (siehe hierzu Kapitel T). Vom Bevollmächtigten zu unterscheiden ist der Beistand.

Der Unterschied zwischen Bevollmächtigtem und Beistand besteht darin, dass der Bevollmächtigte eine umfassende Vollmacht hat: Er kann im Namen des Mandanten auftreten und in seinem Namen Erklärungen auch rechtsverbindlicher Art abgeben. Der Beistand hingegen ist, wie schon der Name nahelegt, nichts anderes als ein Helfer. Er kann nicht anstelle des Flüchtlings handeln, sondern diesen nur unterstützen.

Grundsätzlich und im Regelfalle sollten Personen, die nicht Rechtsanwälte sind, auch nicht als Bevollmächtigte auftreten, sondern sich auf die Rolle eines Beistandes beschränken. Gleichwohl weiß ich, dass die besondere Not und Umstände im Einzelfall immer wieder auch ehrenamtliche Helfer veranlassen, als Bevollmächtigte aufzutreten.

Ungeachtet der gesondert abgehandelten Problematik eines Verstosses gegen das Rechtsberatungsgesetz, sollten Sie als Bevollmächtigter nur dann auftreten, wenn Sie regelmäßigen und guten Kontakt zu Ihrem Klienten haben und auch imstande sind, für ihn umgehend tätig zu werden, also beispielsweise einen Schriftsatz zu fertigen oder innerhalb kurzer Frist zu klagen. Sie helfen ihm wenig, wenn sie aus Überarbeitung, Unkenntnis oder Nachlässigkeit eine Frist versäumen und dies später durch Eifer wieder wettmachen wollen. Wenn Sie ihm helfen, denken Sie daran, dass Sie dann für den Flüchtling die Verantwortung übernommen haben.

Da auch bestimmte Formalien zu beachten sind, sollten Sie dies nur tun, wenn Sie über entsprechende Kenntnisse verfügen, ein Notfall vorliegt oder Sie sich vorher mit einem Rechtsanwalt beraten haben. Prinzipiell sollte die Rolle des Bevollmächtigten den hierzu ausgebildeten Rechtsanwälten vorbehalten sein.

Hingegen ist es sehr sinnvoll, den Flüchtling als Beistand bei Behördengängen und insbesondere bei der Anhörung beim Bundesamt zu begleiten. Welche Rechte Sie als Beistand haben, ist im Verwaltungsverfahrensgesetz festgelegt. Im Zweifel müssen Sie sich die Rechte nehmen, die Sie benötigen. Selbstverständlich haben Sie das Recht auf körperliche Anwesenheit. Lassen Sie sich also nicht einfach vor die Tür schicken. Das Anwesenheitsrecht haben Sie auch für die Anhörung beim Bundesamt. Die Behördenleitung weiß und respektiert dies, in der Praxis verwehren jedoch oftmals das Wachpersonal oder Dolmetscher den Zutritt von Begleitern. Selbst erfahrene Ehrenamtliche klagen, dass sie nicht einmal in den Warteraum des Bundesamtes gelassen wurden. Es liegt hier ausschließlich an Ihnen, sich durchzusetzen. Verlangen Sie in einem solchen Fall den Anhörer zu sprechen, den Leiter der Außenstelle oder eine andere Führungsperson. Kurz: Schlagen Sie Krach, denn Sie bzw. der Flüchtling, der Ihre Begleitung wünscht, sind im Recht! § 14 I 1 VwVfG, der von der Bestimmung des § 25 VI AsylVfG nicht verdrängt wird, gibt Ihnen das Recht auf Teilhabe. Eine spezielle Gestattung durch den Leiter des Bundesamtes benötigt der Beistand nicht.

Bei der Anhörung selbst dürfen Sie nicht anstelle des Flüchtlings sprechen. Ihre Rolle beschränkt sich im wesentlichen darauf, auf den korrekten Ablauf zu achten und ihrem Schützling psychologische Unterstützung zu geben. Sie können jedoch – selbstverständlich in Abstimmung mit dem Beamten – ergänzende und nachfassende Fragen stellen, auf eine richtige Protokollierung der Antworten drängen und – falls eine Richtigstellung verweigert wird – darauf drängen, dass der Protest im Protokoll festgehalten wird.

Gleichviel, ob Sie nun als Bevollmächtigter oder als Beistand auftreten, beachten Sie stets, dass Ihr Klient derjenige ist, der sein Schicksal darstellen muss. Ändern Sie daher niemals seinen Vortrag – auch nicht in der Form – ab, ohne dass Sie vorher mit ihm darüber gesprochen haben. Sie könnten sich sonst dem Vorwurf der Verleitung zu falschen Angaben aussetzen. Wenn Sie das Gefühl haben, dass die Aussagen mißverständlich oder unverständlich sind, erklären Sie das Ihrem Klienten und versuchen Sie, einvernehmlich mit ihm einen klaren, widerspruchsfreien und vollständigen Vortrag zu finden. Auch wenn Sie den Eindruck haben, dass Ihr Klient sein Schicksal nicht dramatisch genug darstellt, bedenken Sie bitte, dass jede Entscheidung auch durch psychologische Faktoren beeinflußt wird. Ein dramatischer Vortrag eines zurückgenommenen, introvertierten Menschen wirkt möglicherweise unglaubhaft, während umgekehrt die zurückhaltende Schilderung eines objektiv dramatischen Vorfalles durch einen derartigen Menschen aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur gerade deshalb überzeugend wirkt.

Dies bedeutet jedoch nicht, dass Sie nicht darauf drängen sollten, wesentliche Gesichtspunkte, die Ihr Schützling vielleicht für nebensächlich hält, darzustellen. Wenn Ihr Schützling z. B. eine verständliche Scheu hat, erlittene Folterungen oder sexuelle Misshandlungen zu schildern, ermuntern Sie ihn, diese Erlebnisse gleichwohl nicht zu verschweigen. Bringen Sie diesen Punkt ins Gespräch, so dass der Anhörer oder die Anhörerin von sich aus nachfragt. Stellen gegebenfalls Sie ergänzende Fragen.

Bei einer Vorsprache beim Ausländeramt gilt ähnliches, wobei Sie hier, da es nicht auf die Schilderung von eigenen Erlebnissen ankommt, auch als „Sprecher“ auftreten können, also das Begehren anstelle Ihres Klienten in seinem Namen formulieren können. Verhelfen Sie ihm im Bereich des Ausländerrechtes zu einem vollständigen Vortrag im Hinblick auf die erforderlichen Voraussetzungen, also beispielsweise der Darstellung einer ausreichenden Sicherung des Lebensunterhaltes, des Vorliegens von besonderen Härtegründen oder, im Bereich des Ausweisungsrechtes, der persönlichen Umstände, die eine Wiederholungsgefahr ausschließen.

Ich weiß, dass eine solche Begleitung lästig und oftmals zeitaufwendig ist. Gleichwohl liegt hier ein wichtiges Tätigkeitsfeld für ehrenamtliche Betreuer, wie mir viele Mandanten berichtet haben. Sie stärken durch eine solche Begleitung nicht nur Ihrem Schützling den Rücken gegen die als feindlich erlebten Behörden, sondern erwecken auch bei dem staatlichen Gegenüber den Eindruck, dass dieser Fall wichtig und ernstzunehmen ist. Beide Gesichtspunkte zusammen bewirken unter Umständen viel!

Generell gilt: Ihre Rolle ist die des Helfers und Mittlers und nicht die des Zensors oder Aufputschers!

5. Viele Flüchtlinge haben sich bereits einen Rechtsanwalt genommen, wenn sie zu Ihnen kommen. Gleichzeitig stehen sie in Kontakt zu Ihnen. Hieraus resultieren Konflikte. Möglicherweise haben Sie den Eindruck, dass sich der Anwalt nicht genügend einsetzt. Möglicherweise beschwert sich auch der Klient über seinen Rechtsanwalt. Gute Anwälte sind stets Individuen und manche solche mit Marotten.

Versuchen Sie in diesen Fällen nicht, der Anwalt des Flüchtlings gegenüber seinem eigenen Rechtsanwalt zu sein. Oft ist der Grund der Beschwerde die verständliche Ungeduld des Asylbewerbers und seine nachvollziehbare Sorge. Ihre ideale Rolle im Verhältnis Anwalt–Mandant ist die eines Sprachmittlers und Zuarbeiters. Oft kennen Sie den Flüchtling besser als er. Weil Sie häufiger Kontakt zu ihm haben als sein Rechtsanwalt, haben Sie oft auch detailliertere Kenntnisse über das Fluchtschicksal und die Hintergründe. Möglicherweise erzählt Ihnen Ihr Klient auch für das Asylverfahren wichtige Details, die er dem Anwalt aus Scham verschweigt. Geben Sie diese Informationen dem Rechtsanwalt – am besten schriftlich – weiter. Berücksichtigen Sie beim Kontakt mit dem Rechtsanwalt jedoch, dass gerade die engagierten unter ihnen oft überlastet sind. Er kann nicht glücklich sein, wenn er wegen einer Frage, die er dem Mandanten schon beantwortet hat, noch von fünf Betreuern angerufen wird.

lst der Anwalt zu einer Kooperation nicht bereit, seien Sie nicht beleidigt. Beurteilen Sie aufgrund der Informationen, die Sie besitzen oder erhalten können, ob der Anwalt die Vertretung gewissenhaft macht. Abgesehen von den materiellrechtlichen, juristischen Fragen, die Sie wahrscheinlich nur schwer beurteilen können, gehört zu einer gewissenhaften Vertretung selbstverständlich die Einhaltung von Fristen und die zeitnahe Übersendung von Fotokopien der wesentlichen Schriftsätze. Ebenfalls dazu gehören auch ein oder mehrere ausführliche Mandantengespräche über die Fluchtgründe. Ein weiteres Kriterium ist auch, inwieweit der Anwalt in seinen Schriftsätzen auf den Individualfall eingeht. Selbstverständlich darf und muss auch der Anwalt (und nicht nur das Bundesamt und das Gericht) mit Textbausteinen arbeiten, in denen die allgemeine Lage im Verfolgerstaat dargestellt wird und in welchen Beweisanträge vorbereitet sind. Mit solchen Darlegungen allein jedoch wird ein Prozess kaum gewonnen werden. Entscheidend ist vielmehr, ob der individuelle Fall des Schützlings auf allgemeinen Verhältnisse bezogen wurde, also beispielsweise dargelegt wurde, dass bei einem ähnlichen Vorkommnis die XY-Zeitung berichtet hat. Wichtig ist, ob das Einzelschicksal abgehandelt und zum Gegenstand des Prozesses gemacht wurde. Ist dies nicht der Fall, ist Mißtrauen angebracht und Nachfragen sind berechtigt.

Wenn Sie meinen, dass der Anwalt seine Arbeit gewissenhaft macht, ziehen Sie sich zurück und überlassen Sie das Weitere der Interaktion zwischen dem Flüchtling und seinem Rechtsanwalt. Ihre Rolle ist dann die, dem Anwalt zuzuarbeiten, etwa indem Sie bei der Übersetzung helfen, etwaige schriftliche Fragen des Gerichtes mit dem Mandanten vorbesprechen oder behilflich sind, Papiere aus der Heimat zu beschaffen oder den Kontakt zu eventuellen Zeugen aufzunehmen etc. Wenn Sie aber das Gefühl haben, dass sich der Anwalt nicht ausreichend mit dem Fall befaßt oder keine Fachkenntnisse auf diesem Gebiet besitzt, sagen Sie das Ihrem Schützling. Will er gleichwohl bei diesem Anwalt bleiben, haben Sie dies auch dann zu akzeptieren, wenn Sie es für falsch halten. Sie sind nicht der Vormund des Flüchtlings.

Will er trotz Ihres Rates den Anwalt wechseln, unterstützen Sie ihn dabei. Denn es geht um sein Schicksal.

Oft wollen Flüchtlinge den Anwalt auch deshalb wechseln, weil angeblich ein anderer Rechtsanwalt eine schnellere oder als einziger eine positive Entscheidung erreichen kann. Es versteht sich von selbst, dass an derartigen Gerüchten so gut wie nichts dran ist.

Besonders problematisch ist ein Anwaltswechsel dann, wenn der Rechtsstreit schon weit fortgeschritten ist, also etwa das Verwaltungsgericht bereits einen Termin anberaumt hat. In diesem Fall sind die Weichen meist schon gestellt, so dass auch ein Anwaltswechsel nicht mehr viel hilft. Denn vom bereits gemachten – oder nicht gemachten – Vortrag kann man dann meist nicht mehr zurück. Falls Beweisanträge nicht gestellt sind, können spätere wegen Verfristung abgelehnt werden. Ein Anwaltswechsel in diesem späten Stadium ist daher oft sinnlos.

Erst Recht gilt dies dann, wenn bereits die mündliche Verhandlung stattgefunden hat oder gar das Asylverfahren schon abgeschlossen ist und der Betroffene nur noch geduldet wird. Gleichwohl versprechen manche Anwälte den Flüchtlingen dann noch immer das Blaue vom Himmel herunter, ohne die Versprechungen später einlösen zu können. Ein Anwaltswechsel in diesem Stadium ist meist überflüssig: Auch der beste Anwalt kann dann nichts mehr machen, als die traurige Wahrheit auszusprechen. Informieren Sie in diesem Falle den Flüchtling von dieser Situation und raten Sie von einem Anwaltswechsel ab.

Zu bedenken ist auch, dass ein Anwaltswechsel stets Mehrkosten verursacht, weil zumindest die Geschäftsgebühr (oder Prozessgebühr), oft aber auch sämtliche Gebühren, doppelt anfallen. Da diese doppelten Gebühren selbst im Erfolgsfall nicht erstattet werden, gilt es auch den finanziellen Aspekt vor einem Anwaltswechsel zu bedenken.

Wenn Ihr Schützling den Anwalt wechseln will, tragen Sie ihm diese Aspekte vor und beraten Sie ihn. Will er – eventuell gegen Ihren Rat – den Anwalt gleichwohl wechseln, müssen Sie dies akzeptieren und sollten dann den neuen Anwalt genauso unterstützen, wie den bisherigen!

6. Rechtsanwälte arbeiten für Honorar. Sie müssen ihre oft hohen Bürokosten tragen und leben von ihren Mandanten. Der Wunsch nach einem angemessenen Honorar ist daher noch kein Grund zum Mißtrauen. Prozesskostenhilfe wird im Bereich des Asylrechtes und bei strittigen Fragen des Ausländerrechtes erfahrungsgemäß nur selten gewährt. Auch Mittel aus Rechtshilfefonds stehen nur sehr beschränkt zur Verfügung.

Die Frage nach einem angemessenen Honorar ist schwer zu beantworten. Eigentlich sollte man davon ausgehen, dass das gesetzliche (d. h. das „Mindest“-Honorar) im Regelfall als angemessen anzusehen ist. Leider gilt dies im Flüchtlingsrecht nicht. Denn der Gesetzgeber hat bei der Änderung des Asylverfahrensgesetzes zum 01.07.93 auch die Anwaltshonorare in angeblicher Fürsorge für die Flüchtlinge drastisch reduziert, indem er die Streitwerte herabgesetzt hat. Parallel dazu hat die überwiegende Rechtsprechung die Beweisgebühr für die Anwälte gestrichen. Ein Anwalt erhält daher für die gerichtliche Vertretung im Asylverfahren (inklusive der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung) auf der Basis der gesetzlichen Gebühren oft weniger als 1.000 DM (Beim Verwaltungsgericht! Die Vertretung beim Oberverwaltungsgericht im Antrag auf Zulassung der Berufung, im Berufungsverfahren selbst oder gar beim Bundesverwaltungsgericht sowie beim Bundesverfassungsgericht ist gesondert zu vergüten). Bei einer sorgfältigen und gewissenhaften Vertretung eines komplizierten Falles sind damit nicht einmal die Bürokosten gedeckt. Diese Vergütung umfaßt nämlich nicht nur das eigentliche gerichtliche Verfahren, also die Klage und die Vertretung vor dem Verwaltungsgerichts, sondern auch die Vorbereitung inklusive der meist mehreren Besprechungen mit dem Mandanten, der kritischen Durchsicht der Erkenntnismittel und gegebenenfalls der eigenen Recherchen. Hinzu kommt oft eine Vielzahl von Telefonaten mit dem Flüchtling, Betreuern, aber auch den Behörden. In der Praxis bedeutet eine asylrechtliche Vertretung für den Anwalt eine jahrelange Betreuung mit einer Vielzahl von Besprechungen. Auch wenn deren Inhalt manchmal nur darin besteht, dass sich der Flüchtling nach dem Verfahrensstand erkundigt und auf eine baldige Entscheidung drängt, ist eine Viertelstunde schnell vorbei und Zeit ist, gerade für den Anwalt, Geld! Der Anwalt ist mithin oft gezwungen, eine Honorarvereinbarung abzuschließen, wenn er nicht draufzahlen will. Die angebliche Fürsorge des Gesetzgebers erweist sich so als weitere Schikane gegenüber dem Flüchtling: Der arme Flüchtling, der durch das Asylbewerberleistungsgesetz in der Regel nur noch über ein geringes Taschengeld verfügt, kann sich einen Anwalt nicht mehr leisten. Hinzu kommt, dass zwischen den ehrenamtlichen Betreuern und dem engagierten Asylanwalt die Saat des Mißtrauens gesät wurde. Immer öfter hört man, die Anwälte seien ja nichts anderes als Beutelschneider, die sich an den ärmsten der Armen bereichern wollen.

Eine solche Schwarz-Weiß-Malerei schadet dem gemeinsamen Ziel und vor allem den Flüchtlingen. Es gilt zu differenzieren. Ausgangspunkt der Kritik muss sein, dass bei der gegebenen Organisation der Rechtsberatung durch private Rechtsanwälte diese prinzipiell imstande sein müssen, nicht nur die Bürokosten zu decken, sondern selbst ein angemessenes Honorar zu erwirtschaften. Was angemessen ist, muss sich an den gesellschaftlichen Gegebenheiten orientieren, also daran, was der Anwalt in etwa verdienen könnte, wäre er auf einem anderen Fachgebiet oder als Lehrer, Richter oder in der Verwaltung tätig. Angesichts der Herabsetzung der Streitwerte kann er dies nur, wenn er entweder nur Flüchtlinge vertritt, bei denen eine gefestigte Rechtsprechung Erfolg und damit eine Gebührenerstattung verspricht, auch wenn nur eine kurze Pauschalbegründung abgegeben wurde, oder, indem er Honorarvereinbarungen abschließt. Nötig ist eine Misch-Kalkulation. Der Anwalt muss versuchen, durch den Abschluss von Honorarvereinbarungen – bei geeigneten Personen – einerseits und die kostenlose oder nicht kostendeckende Vertretung von Not- und Eilfällen andererseits zu einem angemessenen Gesamthonorar zu kommen. Wer dies für fragwürdig hält, muss eine Änderung des Systems herbeiführen, etwa, indem man entsprechend dem Beispiel der Pflichtverteidigung im Strafrecht eine Pflichtvertretung der Asylsuchenden zu einem gesetzlich garantierten und angemessenen Honorar einführt (wie dies beispielsweise in Holland der Fall ist), oder indem man ausreichend ausgestattete Rechtshilfefonds schafft, die dann dafür Sorge tragen, dass die Fälle, die jetzt umsonst mitgemacht oder nicht gemacht werden, ausreichend entlohnt werden. Seit der Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage in Deutschland, die vor allem die Ausländer trifft, ist das Problem verschärft worden. Viele der engagierten Asylanwälte arbeiten auf der Basis von Ratenzahlungen in Höhe von 30 DM bis 50 DM pro Monat. Dies heißt, dass der Anwalt zwei Jahre warten muss, bis er die gesetzlichen Gebühren auch nur einer Instanz verdient hat. In vielen Gerichtsbezirken dauern die Asylverfahren nicht mehr so lange. Dies bedeutet aber, dass der Anwalt nur einen Bruchteil seines Honorars eingenommen hat, bevor er vor der Notwendigkeit steht, einen Antrag auf Zulassung der Berufung zu machen, im Erfolgsfall die Berufung durchzuführen, gegebenenfalls eine Verfassungsbeschwerde einzureichen oder einen Asylfolgeantrag zu stellen und im Anschluß daran gerichtliche Eilverfahren zu initiieren, ohne dass er hierfür weiteres Geld erhalten könnte: Er muss froh sein, wenn die bisherigen Schulden kontinuierlich abbezahlt werden! Dies ist natürlich auf die Dauer unzumutbar; kein Anwalt, der von seiner Arbeit leben muss, kann das mitmachen. Wenn nicht bald eine Problemlösung gefunden wird – sei es durch eine Gesetzesänderung, sei es durch die großzügigere finanzielle Ausstattung der bestehenden Rechtshilfefonds –, ist zu befürchten, dass ein Großteil der Asylverfahren künftig ohne Anwälte durchgeführt werden muss. Dies wird für die Flüchtlinge sicher nicht von Vorteil sein.

Es soll allerdings nicht verschwiegen werden, dass es leider gerade im Bereich des Asyl- und Ausländerrechts auch Anwälte gibt, die tatsächlich nur auf die schnelle Mark aus sind und es verstehen, durch falsche Versprechungen an das Geld der Mandanten zu kommen. Ihnen kann nur dadurch das Wasser abgegraben werden, dass man die Klienten warnt (meistens weiß man ja vor Ort nach einiger Zeit die betreffenden Anwälte einzuschätzen) und dass man ihnen konsequent eine Leistung abverlangt, die der Bezahlung entspricht. Gegebenenfalls kann auch die Standesaufsicht der Rechtsanwaltskammer eingeschaltet werden. Ein Erfolg mag im Einzelfall nicht sichtbar sein; auf die Dauer – bei wiederholten Beschwerden gegen ein und denselben Kollegen – bewirkt auch dieses Instrumentarium etwas.

Die Flüchtlinge durchschauen das System der Anwaltsfinanzierung natürlich nur selten. Oftmals meinen sie, der eine Anwalt sei besonders tüchtig, weil er ja so teuer sei, andere meinen, sie hätten einen Rechtsanspruch auf einen Anwalt, den der Staat bezahle. Wieder andere glauben, ein besonders billiger Anwalt mit vielen Mandanten (der effektiv nichts tut) sei der Richtige. Ihrer Kenntnis (auch der örtlichen Verhältnisse) ist es anvertraut, dem Klienten die Kriterien zur Unterscheidung zu vermitteln.

Tipp

  1. Rechtsberatung gehört grundsätzlich in die Hände von Rechtsanwälten und ist nicht Ihr Job! Versuchen Sie dafür Fachanwälte zu gewinnen.

    Ihre Rolle als Helfer und Betreuer ist die eines Beistands!

  2. Beschränken Sie sich im juristischen Bereich auf Nothilfe. Schicken Sie, wenn Fristen eingehalten werden müssen, Ihren Schützling zur Rechtsantragsstelle beim Verwaltungsgericht.

    Reichen Sie nur in Ausnahmefällen selbst Klagen oder gerichtliche Anträge ein!

  3. Wenn Sie gleichwohl im juristischen Bereich tätig werden, achten Sie auf die teilweise sehr kurzen Fristen.
  4. Im Mittelpunkt Ihres Bemühens muss stets der Flüchtling stehen. Versuchen Sie herauszubekommen, was seinem Interesse entspricht. Sie dürfen nicht der Versuchung unterliegen, am Fall Ihres Klienten ein interessantes Problem durchfechten zu wollen, obwohl ihm ein vernünftiger Kompromiß angeboten wurde, der ihm mehr geholfen hätte!
  5. Akzeptieren Sie die Rolle, die idealerweise darin besteht, dass Sie ein nicht-juristischer Beistand sind. Wenn Sie Ihren Schützling zu Behördengängen begleiten, ihm beispielsweise die juristischen Formulierungen erklären oder sonst tätige Hilfe im Alltag leisten, helfen Sie oft mehr als wenn Sie für ihn Rechtsstreitigkeiten führen.

C Das Verfahren

Das Asylrecht unterliegt besonderen Verfahrensvorschriften, die im wesentlichen im Asylverfahrensgesetz niedergelegt sind. Das Gesetz findet keine Anwendung auf Kontingentflüchtlinge und heimatlose Ausländer.

Über Asylanträge und Abschiebungshindernisse im Sinne von § 51 I AuslG entscheidet das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge. Ist asylrechtlicher Schutz begehrt worden, entscheidet das Bundesamt auch über das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG. Die Entscheidungen sind – mit Ausnahme der Entscheidung über § 53 AuslG – einem weisungsunabhängigen Bediensteten des Bundesamtes übertragen (§ 5 II AsylVfG).

Als Gegengewicht zur Weisungsunabhängigkeit – so die offizielle Doktrin – ist der (vom BMI weisungsabhängige) Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten eingerichtet. Er soll für die Einheitlichkeit der Entscheidungen sorgen und die Interessen der Bundesrepublik Deutschland, die als Flüchtlingsabwehr verstanden werden, durchsetzen. Er kann sich am Asylverfahren (einschließlich der Feststellung von Abschiebungshindernissen nach §§ 51 I und 53 AuslG) beteiligen und ist klagebefugt. Gegen positive Entscheidungen geht der Bundesbeauftragte regelmäßig vor Gericht, negative hat er noch nie angegriffen.

Sowohl die Einrichtung des Bundesbeauftragten, als auch insbesondere seine Aktivitäten, sind in der Vergangenheit zurecht und ständig angegriffen worden. Das „Ceterum Censeo“, mit dem ein altverdienter Asylanwalt der ersten Stunde Redebeiträge zu beenden pflegte, dass der Bundesbeauftragte abgeschafft werden müsse, hat nach wie vor Gültigkeit. Gründe hierfür gibt es viele. Zum einen ist es bereits rechtstheoretisch wenig überzeugend, im Kampf zwischen dem prinzipiell schwächeren Individuum und dem prinzipiell stärkeren Staat das ohnedies vorhandene Ungleichgewicht zu Lasten des schwächeren Individuums noch dadurch zu verschieben, dass die schwächere Position des Individuums nochmals verschlechtert wird durch die Zuhilfenahme eines einseitigen Parteigenossen. Das Ungleichgewicht Bürger – Staat besteht prinzipiell auch im Asylrecht. Die Entscheidungsunabhängigkeit der Bundesamtsentscheider besteht mehr oder weniger auf dem Papier; sie ist durch übliche Behördenmaßnahmen wie Ratschläge, Schulungen, Versetzungen etc. hinreichend steuerbar. Soweit einige wenige hochzuachtende Individuen tatsächlich auf ihrer Entscheidungsunabhängigkeit beharren, wird natürlich hierin nicht eingegriffen. Der Betreffende darf sich aber nicht wundern, wenn er plötzlich mit Aufgaben betraut ist, die wenig Spielraum zu einer unabhängigen Entscheidung lassen: Es gibt nur wenig politisch Verfolgte aus Österreich, der Schweiz, den USA etc., die Asyl begehren! Gleichwohl muss natürlich jemand für diese Länder oder für andere „offensichtlich-unbegründet“-Länder zuständig sein. Da es keinen Anspruch eines Entscheiders auf Entscheidung über bestimmte Länder gibt, hat die Verwaltung viele Möglichkeiten, trotz der formalen Unabhängigkeit politisch erwünschte Entscheidungen herbeizuführen. Mag man solche Eingriffe noch als legale Tricks ansehen, derer sich jeder Dienstherr bedient, gehen andere Vorgaben schon weiter. So wird den Bundesamtsentscheidern nicht nur eine Anzahl von Anhörungen vorgegeben, die sie schaffen müssen, sondern auch fürsorgliche Hilfe durch die Zurverfügungstellung von – selbstverständlich ablehnenden – Textbausteinen auch bei den Ländern geleistet, bei denen die Einschätzung durchaus noch strittig ist. Auch dass man in den internen Informationsschriften des BAFl zwar sehr schnell den Asylbewerbern ungünstige Entscheidungen wiederfindet, den Asylbewerbern günstige jedoch allenfalls mit einer ablehnenden Kommentierung, halten nur so „einseitige“ Kommentatoren wie wir Rechtsanwälte für keinen Zufall.

Unabhängig hiervon ist leider zu konstatieren, dass das Bundesamt sich im Verhältnis zum Bundesbeauftragten nicht so verhält, wie dies normalerweise Behörden tun, deren Entscheidungen angefochten sind. Ich kenne kein Landratsamt, kein Gewerbeamt, kein Bauamt, keine Abwasserbehörde, das nicht engagiert durch ihre Juristen und unter Beiziehung der Fachleute vor Gericht ihre Entscheidung verteidigen würde. Als Anwalt muss man ganz schön strampeln, um gegen die juristische Kompetenz des Prozessvertreters und die Fachkompetenz des Behördenvertreters bestehen zu können.

Völlig anders ist das Bild im Bereich des Asylrechtes. Das Bundesamt als Ausgangsbehörde verteidigt im Falle einer Asylanerkennung praktisch niemals seinen eigenen, positiven Bescheid. In über 90 % der Fälle tritt es überhaupt nicht vor Gericht auf. Es erscheint allenfalls der Bundesbeauftragte, der gegen den positiven Bescheid kämpft, der nicht verteidigt wird. Meistens verteidigt nur der Asylbewerber seine Anerkennung und wird hierfür vom Gericht damit bestraft, dass ihm seine eigenen notwendigen Auslagen (die Anwaltskosten) auferlegt werden, wenn das Bundesamt unterliegt und die positive Entscheidung aufgehoben wird: Der Asylbewerber habe sich ja durch die Verteidung seiner Anerkennung auf die Seite desdf Unterlegenen gestellt!

Tritt vom Bundesamt in einem solchen Rechtsstreit jemand auf, entspricht es nicht nur meiner Erfahrung, sondern auch den Berichten meiner Kollegen, dass regelmäßig eigene Entscheidungen nicht verteidigt werden. Bestenfalls sitzt ein lustloser Vertreter seine Zeit ab, beschränkt sich auf die Mitteilung seiner Personalien und die Erklärung, er stelle keinen Antrag; oftmals aber erweist sich der Bundesamtsvertreter als Komplize des Bundesbeauftragten. Obwohl er formal – indem er keinen Antrag stellt – seinem eigenen Haus nicht in den Rücken fällt, agieren die meisten Prozessvertreter des Bundesamtes nach meiner Erfahrung in der Weise, dass sie versuchen, den von ihrem Haus anerkannten Flüchtling zu demontieren, indem sie versuchen, Widersprüche herauszuarbeiten und eine angeblich existierende Rechtsprechung gegen die eigene Entscheidung ins Feld führen.

Ich habe es in über 20-jähriger Asylpraxis nicht ein Mal erlebt, dass ein Bundesamtsvertreter sich zugunsten des Flüchtlings in die Bresche geschlagen hat, dass er von Anfang an auftrat mit der Zielsetzung, die eigene Entscheidung zu verteidigen, wie dies ansonsten angesichts der Parteienrolle selbstverständlich ist. Ich habe noch nie erlebt, dass in einem Baurechtsstreit der Prozessvertreter des Bauamtes von der ersten Minute an versucht, den eigenen Bescheid zu zerpflücken und so dem Gegner zu helfen; genau dies habe ich, und alle Kollegen, mit denen ich gesprochen habe, in nahezu 100 % der Fälle im Bereich des Asylrechts erfahren.

Die Komplizenschaft zwischen Bundesamt und Bundesbeauftragten mag vielfältige Gründe haben: Hierzu zählen zum einen die politischen Vorgaben, zum anderen die enge Verflechtung im organisatorischen und verwaltungsmäßigen Bereich und zum dritten auch, dass das Bundesamt sich nicht, entsprechend seinem Namen, als Bundesamt für die Anerkennung von Flüchtlingen, sondern als Bundesamt für die Ablehnung von Flüchtlingen versteht.

Auch aufgrund dieser Fakten ist das Amt des Bundesbeauftragten abzulehnen.

Hinzu kommt sein eigenes Selbstverständnis. Der Bundesbeauftragte, der theoretisch die Aufgabe hat, für die Einheitlichkeit der Entscheidungen zu sorgen, also Ausreißer zu vermeiden und Divergenzen in der Rechtsprechung durch Berufungen zu klären, versteht sich ausschließlich als Speerspitze im Kampf gegen Asylbewerber. Die Vereinheitlichung der Rechtsprechung liegt ihm nur dann am Herzen, wenn es darum geht, bundesweit Ablehnungen zu organisieren; wenn – selten genug – die herrschende Meinung zu positiven Entscheidungen kam, ließ der Bundesbeauftragte stets die entgegenstehenden negativen Entscheidungen unbeanstandet. Er scheut sich auch nicht, positive Einzelentscheidungen anzufechten, etwa mit der Behauptung, der Asylbewerber sei nicht glaubwürdig, selbst wenn er dies nicht beurteilen kann, weil er an der Anhörung beim Bundesamt nicht teilgenommen hat. Durch solche, regelmäßig erfolgenden Einzelanfechtungen hat der Bundesbeauftragte im Lauf der jahrzehntelangen Tätigkeit eindrücklich bewiesen, dass er seine Aufgabe nicht darauf beschränkt sieht, Grundsatzfragen zu klären oder für die Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu sorgen, sondern darin, wo irgend möglich positive Entscheidungen zu verhindern.

Angesichts des Agierens des Bundesamtes und des Kampfes des Bundesbeauftragten gegen positive Entscheidungen muss jedenfalls für die bundesdeutsche Realität festgehalten werden, dass ein institutionalisiertes Ungleichgewicht existiert. Der Flüchtling ist ungleich schwächer als die staatlichen Behörden. Die Gerichte nehmen dies meist nicht zur Kenntnis, sondern verstärken das Ungleichgewicht noch dadurch, dass sie in der überwiegenden Zahl der Fälle auch Prozesskostenhilfe, also die Beiordnung eines Anwalts, verweigern mit dem Argument, dass aufgrund der vorläufigen Prüfung eine hinreichende Erfolgsaussicht des Rechtsstreites nicht gegeben sei.

I) Der Asylantrag

Ein Asylantrag liegt vor, wenn sich dem „schriftlich, mündlich oder auf andere Weise geäußerten Willen des Ausländers entnehmen lässt, dass er im Bundesgebiet Schutz vor politischer Verfolgung sucht, oder dass er Schutz vor Abschiebung oder einer sonstigen Rückführung in einen Staat begehrt, in dem ihm die in § 51 I AuslG bezeichneten Gefahren drohen“. So umschreibt § 13 AsylVfG den Asylantrag. Wie sein Absatz II klarstellt, kann sich ein Asylantrag auf die Beantragung des Abschiebeschutzes des § 51 I AuslG beschränken, nicht aber umgekehrt.

Einen Asylantrag selbst stellen kann prinzipiell nur derjenige, der bereits das 16. Lebensjahr vollendet hat (§ 12 I AsylVfG). Ein Jüngerer bedarf, um einen wirksamen Asylantrag zu stellen, eines gesetzlichen Vertreters, wobei – abweichend von sonstigen Regelungen — gemäß § 12 III AsylVfG jeder Elternteil zur Vertretung des Kindes befugt ist, wenn sich der andere Elternteil nicht im Bundesgebiet aufhält oder sein Aufenthaltsort im Bundesgebiet unbekannt ist. Hält sich ein gesetzlicher Vertreter nicht im Bundesgebiet auf, muss ein Betreuer vom zuständigen Vormundschaftsgericht bestellt werden. Dies bedeutet freilich nicht, dass ein Asylbegehren eines jüngeren Minderjährigen unbeachtlich wäre. Vielmehr ist ihm dann unverzüglich ein Betreuer zu bestellen. Bis dahin ist er so zu stellen, als hätte er bereits einen Asylantrag gestellt. Aufenthaltsbeendende Maßnahmen sind in der Zwischenzeit unzulässig.

Sind Sie mit einem solchen Fall befaßt, sollten Sie sich unbedingt mit dem Jugendamt und dem Vormundschaftsgericht in Verbindung setzen, damit die geeigneten Maßnahmen eingeleitet werden können. Drohen aufenthaltsbeendende Maßnahmen, sollten Sie einen Rechtsanwalt einschalten!

II) Die Asylantragstellung

Der Asylantrag ist gemäß § 14 I AsylVfG grundsätzlich bei einer Außenstelle des Bundesamtes zu stellen, die einer Aufnahmeeinrichtung zugeordnet ist. Der Ausländer hat sich nach § 22 I AsylVfG persönlich in der Aufnahmeeinrichtung zu melden. Diese nimmt den Ausländer entweder auf oder leitet ihn an eine andere, für sein Herkunftsland zuständige Aufnahmeeinrichtung weiter. Nach § 23 AsylVfG hat der Ausländer, nachdem er in der Aufnahmeeinrichtung aufgenommen ist, unverzüglich oder zu dem von der Aufnahmeeinrichtung genannten Termin bei der Außenstelle des Bundesamtes zur förmlichen Stellung des Asylantrages persönlich zu erscheinen.

1) Der Asylantrag

Der erste Schritt ist also die persönliche Vorsprache bei der Aufnahmeeinrichtung, die der Außenstelle des Bundesamtes zugeordnet ist. Meist kommt der Flüchtling zunächst nicht mit dem Bundesamt selbst in Kontakt, sondern mit der Verwaltungsstelle, die die Unterkunft betreibt, beispielsweise mit der Regierung als mittlerer Verwaltungsbehörde. Von dieser wird der betreffende Asylbewerber in das sogenannte EASY-Computersystem eingegeben, d. h. das Asylbegehren wird computermäßig erfaßt und die Zuständigkeit abgeklärt. Wird das betreffende Herkunftsland an der Außenstelle, an der sich der Asylbewerber gemeldet hat, vom Bundesamt nicht bearbeitet (nicht alle Außenstellen bearbeiten alle Herkunftsstaaten), wird der Asylbewerber, bevor er überhaupt beim Bundesamt vorgesprochen hat, an eine andere Erstaufnahmeeinrichtung weitergeleitet. Erst dort kommt der Flüchtling in Kontakt mit dem Bundesamt. Erst dort kann der förmliche Asylantrag gestellt werden.

Ausnahmsweise kann der Asylantrag schriftlich gestellt werden.

§ 14 II AsylVfG enthält für bestimmte Personen eine abweichende Regelung. Dies sind Personen, die bereits im Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung mit einer Geltungsdauer von mehr als sechs Monaten sind, die sich in Haft oder sonstigem öffentlichen Gewahrsam, in einem Krankenhaus, einer Heil- oder Pflegeanstalt oder in einer Jugendhilfeeinrichtung befinden oder Minderjährige, die noch nicht das 16. Lebensjahr vollendet haben und deren gesetzliche Vertreter nicht verpflichtet sind, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen. Diese Personen haben den Asylantrag „bei der Zentrale des Bundesamtes“ zu stellen (Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, 90343 Nürnberg). Die Vorschriften der §§ 22 und 23 AsylVfG (Meldepflicht und persönliche Vorsprache zur Asylantragstellung) gelten für diese Personen nicht.

2) Das Asylersuchen

Das Gesetz unterscheidet zwischen einer förmlichen Asylantragstellung und einem Asylersuchen. Ein Asylersuchen kann auch bei der an sich unzuständigen Ausländerbehörde oder der Polizei angebracht werden (§ 19 AsylVfG) oder bei der Grenzbehörde (§ 18 I AsylVfG). Die Ausländerbehörde oder die Polizei hat den Ausländer in den Fällen des § 14 I AsylVfG unverzüglich an die nächstgelegene Aufnahmeeinrichtung zur Meldung weiterzuleiten. Ein dort gestellter schriftlicher Asylantrag ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten (§ 14 II 2 AsylVfG). Gleiches gilt prinzipiell für die Grenzbehörde (§ 18 I AsylVfG). Diese muss aber dem Ausländer die Einreise verweigern, wenn

1) er aus einem sicheren Drittstaat (§ 26 a AsylVfG) einreist,

2) die Voraussetzungen einer anderweitigen Sicherheit vor Verfolgung im Sinne von § 27 I oder II AsylVfG offensichtlich vorliegen oder

3) der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er in der Bundesrepublik Deutschland wegen einer besonders schweren Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist und seine Ausreise nicht länger als drei Jahre zurückliegt (§ 18 II AsylVfG). Ausnahmen kennt das Gesetz nur, wenn die Bundesrepublik Deutschland aufgrund eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung eines Asylverfahrens zuständig ist oder der BMI aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen eine Ausnahme angeordnet hat. Letzteres geschieht nie, das erstere ist selten der Fall. Da Deutschland von sicheren Drittstaaten umgeben ist und selbst einstweiliger Rechtsschutz so gut wie nie in Betracht kommt (Art. 16 a II 3 GG) ist der Flüchtling praktisch rechtlos gestellt. Dementsprechend häufen sich in der jüngsten Zeit auch Meldungen, dass selbst bei ganzen Flüchtlingsgruppen aus akuten Krisengebieten ein Schutzersuchen von den deutschen Grenzschützern nicht akzeptiert wurde.

Auch die Ausländerbehörde kann gemäß § 19 III AsylVfG die Einreise verweigern, wenn eine dieser Voraussetzungen vorliegt.

Einem Ausländer, der um Asyl nachsucht, ist der Aufenthalt Kraft Gesetzes gestattet (§ 55 AsylVfG). Dieser gesetzliche Aufenthaltstitel erlischt jedoch, wenn der Ausländer nicht innerhalb von zwei Wochen einen förmlichen Asylantrag gestellt hat (§ 67 I Nr. 2 AsylVfG).

Ist der Flüchtling jedoch illegal eingereist, erwirbt er erst mit der förmlichen Asylantragstellung die Aufenthaltsgestattung.

3) Die persönliche Antragstellung beim BAFl

Anwaltlicher Beistand ist ratsam bei den Fällen, bei denen der Asylantrag bei den Außenstellen des Bundesamtes persönlich zu stellen ist (§ 14 I AsylVfG). Denn hier stellt sich entweder die Problematik einer Einreise über einen sicheren Drittstaat oder einer illegalen Einreise mit der möglichen Konsequenz einer Strafbarkeit (ob die die Strafbarkeit ausschließende Norm des Art. 31 GFK eingreift, ist oft eine Streitfrage) oder eines längeren illegalen Aufenthaltes. Oft wird nach der Asylantragstellung auch ein Strafverfahren eingeleitet, dem der Asylbewerber alleine nicht gewachsen ist. Nach Art. 31 GFK kann ein Flüchtling wegen unrechtmäßiger Einreise oder Aufenthalt nicht bestraft werden, wenn er unmittelbar aus einem Gebiet kommt, in dem sein Leben oder seine Freiheit asylrechtlich bedroht waren und er sich unverzüglich bei den Behörden meldet und die Gründe für die unrechtmäßige Einreise oder den Aufenthalt darlegt. In der bundesdeutschen Rechtsprechung bedeutet dies, dass nur ausländerrechtliche Vorschriften, also die Einreise als solche, privilegiert sind, dass die Verwendung eines verfälschten Passes aber z. B. gleichwohl bestraft werden kann. Als unverzügliche Meldung wird im allgemeinen eine 24-Stunden-Frist angesehen, wobei es jedoch auf die konkreten Umstände ankommt. Wenn ein Flüchtling beispielsweise am Freitag abend einreist und nicht notwendig Behördenkontakt hat, genügt es, wenn er sein Asylbegehren am Montag anbringt. Da es sich um einen persönlichen Strafausschließungsgrund handelt, können Personen, die dem Flüchtling geholfen haben, jedoch gleichwohl bestraft werden.

In besonderer Schärfe stellt sich das Problem der illegalen Einreise bei Asylfolgeantragstellern. Denn diese sind ja meist bereits aufgrund eines Verwaltungsaktes zur Ausreise rechtskräftig verpflichtet und unterliegen, falls sie abgeschoben wurden, einem gesetzlichen Betretensverbot (§ 8 II 1 AuslG). Danach darf ein Ausländer, der ausgewiesen oder abgeschoben worden ist, nicht erneut ins Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Das Gesetz verlangt von ihm, dass er erst einen Antrag stellt, dass die Wirkung der Abschiebung nachträglich befristet wird. Einen solchen Antrag kann natürlich ein Flüchtling nicht anbringen, weil er ja aus einer akuten Notsituation heraus flieht. Er begeht damit mit der Einreise eine Straftat, die gemäß § 92 II 1 AuslG mit einer Freiheitsstrafe „bis zu 3 Jahren oder mit Geldstrafe“ bedroht ist. Art. 31 GFK kann zwar unter Umständen eine derartige illegale Einreise straffrei machen, doch kann man darüber natürlich streiten – dies tut man in einem Strafprozess. Gleichwohl droht dem betreffenden Flüchtling Abschiebungshaft. Nach § 57 II Nr. 1 AuslG ist nämlich ein Ausländer zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Abschiebungshaft zu nehmen, wenn er „aufgrund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist“, was gemäß § 42 II Nr. 1 AuslG bei einem Asylfolgeantragsteller regelmäßig der Fall ist, weil die Asylantragstellung in diesem Falle nicht automatisch (zu einem vorläufigen) Aufenthaltsrecht führt.

Diese Rechtslage hat in einzelnen, meist grenznahen Bezirken zu der bedauerlichen Praxis geführt, fast jeden Asylfolgeantragsteller erst einmal in Haft zu nehmen, vermutlich in der Hoffnung, auf diese Art und Weise Schrecken zu verbreiten bzw. formal-korrekt ausgedrückt, „eine abschreckende Wirkung zu erzielen“.

Bei dieser Lage gehört es zu den Pflichten eines Betreuers, den Flüchtling darauf hinzuweisen, dass sein Asylantrag mit der nicht nur abstrakten, sondern je nach Situation mehr oder weniger konkret drohenden Gefahr einer Verhaftung verbunden ist. Eine anwaltliche Vertretung, aber auch die persönliche Begleitung zur Asylfolgeantragstellung oder zur Meldung bei der Ausländerbehörde (durch den Anwalt, zumindest aber durch einen Betreuer) ist in diesen Fällen ratsam (freilich scheitert dies oft an technischen Problemen, weil der Asylfolgeantrag ja im Regelfalle bei der früher zuständigen Erstaufnahmeeinrichtung zu stellen ist, die manchmal in einem anderen Ort oder gar Bundesland gelegen ist). Der Flüchtling ist dann nicht so sprachlos; die Situation kann erklärt werden, Argumente können vorgebracht werden, auch gibt es jemand, der imstande ist, Beschwerden vorzubringen und Rechtsmittel zu ergreifen. All dies sind Umstände, die durchaus bei der Überlegung, ob Abschiebungshaft beantragt werden soll, eine Rolle spielen können und in manchen Fällen dann den Ausschlag geben, es zu unterlassen.

III) Flughafenverfahren

Die Grundgesetzänderung im Jahr 1993 hat dazu geführt, dass niemand, der auf dem Landweg nach Deutschland kommt, das Asylrecht erhält. Denn Art. 16 a II GG bestimmt, dass sich auf das Asylgrundrecht nicht berufen kann, wer aus einem Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaft oder aus einem anderen ‘sicheren Drittstaat’ einreist. Dies sind alle Nachbarländer. In dem Bestreben der Flüchtlingsabwehr wurde das einzig relevante „Einfallstor für Asylsuchende“ (so der Leiter des Grenzschutzamtes Frankfurt am Main bei der Anhörung im Innenausschuss des Deutschen Bundestages am 23.03.93) durch eine Spezialregelung für die Lufteinreise verstopft. § 18 a AsylVfG trifft nun Sonderregelungen, die sowohl das Verfahren betreffen als auch den Umgang mit den Flüchtlingen. In seiner Gesamtkonstruktion und seiner praktischen Ausgestaltung ist das Flughafensonderverfahren mit rechtsstaatlichen Grundsätzen kaum vereinbar, auch wenn das Bundesverfassungsgericht dies in seiner Flughafen-Entscheidung nicht wahrhaben wollte, sondern die Regelung ausdrücklich für verfassungskonform erklärte.

1) Anwendungsbereiche

Das Flughafenverfahren des § 18 a AsylVfG gilt seinem Wortlaut nach nur für solche Flüchtlinge, aus einem sicheren Herkunftsstaat im Sinne von § 29 a AsylVfG oder ohne gültigen Pass oder Passersatz einreisen wollen. Da jedoch auch die übrigen Restriktionen des AsylVfG gelten, unterscheidet man üblicherweise drei Kategorien, nämlich:

– Flüchtlinge, die aus einem sicheren Herkunftsland (§ 18 a I 1 i. V. m. § 29 a AsylVfG) einreisen oder die über keinen oder einen falschen Pass verfügen (§ 18 a I 2 AsylVfG),

– Flüchtlinge, die aus oder offensichtlich über einen sicheren Drittstaat einreisen wollen (§ 18 II Nr. 1 + 2 AsylVfG),

sonstige Flüchtlinge, für die die oben genannten Voraussetzungen nicht zutreffen.

Für die zweite Kategorie, also diejenigen aus den sicheren Drittstaaten, gilt die Regel des § 18 II AsylVfG: Ihnen ist die Einreise zu verweigern.

Für die letzte Kategorie gilt das allgemeine Recht. Sie kommen nicht in das Flughafenverfahren, sondern werden vom Bundesgrenzschutz an die nächstgelegene Aufnahmeeinrichtung zur Meldung weitergeleitet (§ 18 I 2. Hs. AsylVfG).

Ins Flughafenverfahren kommt natürlich nur, wer am Flughafen einen Asylantrag stellt. Wer es schafft, ins Landesinnere zu kommen und hier erst den Asylantrag zu stellen, kommt nicht mehr (nachträglich) ins Flughafenverfahren. Auch derjenige, der am Flughafen keinen förmlichen Asylantrag stellt, sondern nur Abschiebungsschutz begehrt, – wobei die Definition des § 13 I AsylVfG zu beachten ist –, kommt nicht ins Flughafenverfahren, aber wohl auch nicht ins Land. Denn wenn er sich als Flüchtling im weitesten Sinne zu erkennen gibt, wird ihm die Einreise verweigert werden, weil die Auffassung vertreten wird, dass die Berufung auf den Menschenrechtsschutz, der dann ja wohl einschlägig ist, einen Gebietskontakt voraussetzt, also eine bereits erfolgte Einreise. Ich halte diese Meinung zumindest dann für fragwürdig, wenn es sich um einen Flüchtling handelt, der unmittelbar vor einer menschenrechtswidrigen Verletzung geflohen ist und der nun in diesen Verfolgerstaat zurückgeschoben werden soll. In diesem Falle würde nämlich die Zurückweisung dazu führen, den Flüchtling unmittelbar der Menschenrechtsverletzung zuzuführen. Die deutschen Behörden, die dies bewerkstelligen, würden damit mittelbar selbst Täter einer Menschenrechtsverletzung werden. Die Tatsache, dass das Gebot der Achtung der Menschenwürde das oberste Prinzip unserer Rechtsordnung ist und es deshalb allen deutschen Behörden verboten ist, an der menschenrechtswidrigen Behandlung durch dessen zwangsweise Überstellung in ein Land mitzuwirken, in dem diesem eine solche droht (BVerfGE 67, S. 43; BVerwG vom 03.11.87, 9 C 254.86), beansprucht jedenfalls bei dieser Fallkonstellation Geltung. Nur dann, wenn die Zurückweisung nicht unmittelbar zu einer menschenrechtswidrigen Behandlung führt, weil der Flüchtling über ein Transitland gekommen ist, das die Menschenrechte ebenfalls achtet, ist eine deutsche Verantwortlichkeit nicht gegeben.

Im Regelfalle wird es schwierig sein, zwischen einer politischen Verfolgung im Sinne von § 13 I AsylVfG und der Gefahr einer menschenrechtswidrigen Behandlung präzise zu unterscheiden. Keinesfalls zulässig ist es, ein Schutzersuchen nur deshalb nicht als „Asylantrag“ im Sinne von § 13 I AsylVfG anzusehen, weil die Rechtsprechung für das betreffende Land beispielsweise von einer Bürgerkriegssituation ausgeht oder eine bestimmte Problemlage bereits negativ als nicht asylrelevant entschieden wäre. Das Gesetz spricht in § 13 AsylVfG nur davon, dass der Betreffende „Schutz vor politischer Verfolgung oder Schutz vor Abschiebung gegen in § 51 AuslG bezeichnete Gefahren“ sucht, ohne dass diese vagen Begriffe präzisiert wären. Auch wenn die Rechtsprechung zur Auslegung des Begriffs der politischen Verfolgung Kriterien herausgearbeitet hat, bedeutet dies nicht, dass diese Kriterien nun verbindlich wären. Jeder einzelne Richter ist frei, den Begriff der „politischen Verfolgung“ abweichend zu definieren; auch lehrt die Geschichte des Asylrechtes, dass diese Begriffe durchaus einer Entwicklung unterliegen und manch frühere herrschende Meinung zur Mindermeinung wurde. Der Begriff des Asylersuchens im Sinne von § 18 a I AsylVfG ist daher weit auszulegen; er umfaßt jede Verfolgungsmaßnahme, sofern sie als „politische Verfolgung“ denkbar bzw. definierbar ist. Kriterien wie „Staatlichkeit“, Kausalität zwischen Verfolgung und Flucht, inländische Sicherheit etc. spielen keine Rolle!

– Hat ein Flüchtling in diesem Sinne auf dem Flughafen an der Grenze um Asyl nachgesucht,

– ist ihm die Einreise nicht wegen anderweitiger Sicherheit verweigert worden,

– kommt er aus einem sicheren Herkunftsstaat im Sinne von § 29 a AsylVfG oder hat er keinen gütltigen Pass oder Passersatz,

kommt er ins Flughafenverfahren, sofern als weitere und letzte Voraussetzung „die Unterbringung auf dem Flughafengelände während des Verfahrens möglich ist“. Derzeit ist dies in Frankfurt, München, Düsseldorf und Berlin der Fall.

Soweit eine Unterbringung auf dem Flughafen nicht möglich ist, kommt der Flüchtling ins reguläre Asylverfahren (sofern er nicht nach § 18 II AsylVfG zurückgewiesen wird).

2) Befragung durch den Bundesgrenzschutz

In der Praxis beginnt das Flughafenverfahren oft schon im Flugzeug selbst. An sogenannten flüchtlingsrelevanten Maschinen macht der BGS nämlich sogenannte „Vorchecks“ direkt an dem noch auf dem Rollfeld stehenden Flugzeug. Die ankommenden Menschen werden einer ersten Kontrolle unterworfen und manchmal gar nicht erst aus der Maschine gelassen (etwa, wenn die Voraussetzungen von § 18 II AsylVfG vorliegen).

Geben sie sich an dieser Stelle oder bei der späteren Einreisekontrolle oder sonst im Transitbereich als Flüchtlinge zu erkennen, werden sie vom Bundesgrenzschutz einer ersten Befragung unterzogen. Meist beginnt die Prozedur mit einer erkennungsdienstlichen Behandlung. Die Flüchtlinge werden fotografiert, Fingerabdrücke werden abgenommen, sie werden nach ihren Personalien befragt. Meist werden sie auch körperlich durchsucht, um eventuelle Dokumente zu finden oder auch „zur Eigen- und Fremdsicherung“. Auch wenn diese Prozedur nicht, wie manchmal kritisiert, in einer besonders martialischen Weise stattfindet, erschreckt sie gleichwohl viele Flüchtlinge. Denn das, wovor sie geflohen sind – polizeiliche Maßnahmen – erleben sie als erstes. Sie sehen sich als Verbrecher behandelt und haben die subjektive Furcht (die in vielen Fällen ja durchaus begründet ist), das Verfahren diene nur dazu, sie dem Herkunftsstaat wieder zuzuführen.

Nach diesen polizeilichen Maßnahmen – manchmal unmittelbar nach der Landung, manchmal aber auch erst Stunden oder Tage später (dies hängt vor allem davon ab, wann ein Dolmetscher zur Verfügung steht) -, werden die Flüchtlinge von den Beamten des Bundesgrenzschutzes zu ihrem Reiseweg und zu den Motiven ihrer Flucht befragt. Die Reisewegbefragung dient dem Zweck, herauszufiltern, ob der Betreffende über einen sicheren Drittstaat oder einem sicheren Herkunftsstaat eingereist ist und daneben dem polizeilichen Interesse, die Fluchtwege zu versperren, indem möglichst viele Informationen herausgeholt werden, die dann später gesammelt und systematisiert die Möglichkeit zu Gegenmaßnahmen eröffnen sollen. Der Schwerpunkt der grenzpolizeilichen Befragung liegt eindeutig darauf. Die Fragen nach den Gründen und den Motiven der Flucht geraten beim Bundesgrenzschutz dagegen regelmäßig in den Hintergrund und sind oft sehr oberflächlich. Andererseits finden sich in den BGS-Protokollen oftmals Details, etwa zu Misshandlungen und Folterungen, die bei der Bundesamtsbefragung unter den Tisch fielen. Obwohl dies aus den Protokollen meist klar hervorgeht, hindert dies leider manche Richter nicht, bei Widersprüchen zwischen diesen Angaben und den späteren Angaben vor dem Bundesamt oder dem Gericht die Asylbewerber als unglaubwürdig anzusehen.

Während dieser Zeit der Befragung und auch der sich anschließenden Zeit des BAFl-Verfahrens und eines eventuellen gerichtlichen Verfahrens sind Flüchtlinge in speziellen Unterkünften am Flughafen untergebracht. Das umzäunte Gebäude dürfen sie nicht verlassen, sie sind praktisch inhaftiert.

3) Einreiseverweigerung

Sinn der Befragung durch den Bundesgrenzschutz ist es festzustellen, ob die Voraussetzungen für eine Einreiseverweigerung vorliegen, also vor allem aufgrund einer Einreise aus einem sicheren Drittstaat (§ 26 a AsylVfG) oder weil die Voraussetzungen einer anderweitigen Sicherheit vor Verfolgung im Sinne von § 27 AsylVfG offensichtlich vorliegen. Geht der BGS von diesen Voraussetzungen aus, wird dem Flüchtling die Einreise verweigert (§ 18 a I 6, § 18 II AsylVfG). Ein Flughafenverfahren findet dann nicht statt. Gleichwohl müssen manche der Flüchtlinge noch Tage und Wochen in den Flughafenunterkünften bleiben, weil eine Rückführung in den Drittstaat technisch nicht möglich ist, sei es, weil die Identität nicht feststeht, sei es, weil der Drittstaat sich weigert, die Flüchtlinge zurückzunehmen.

4) Das eigentliche Flughafenverfahren

Wird der Flüchtling nicht sofort zurückgewiesen und kommt er aus einem sicheren Herkunftsstaat im Sinne von § 29 a AsylVfG oder hat er keinen gültigen Pass oder Passersatz, findet das eigentliche Flughafenverfahren statt. Dies bedeutet, dass das Bundesamt vor der Entscheidung über die Einreise, die der BGS zu treffen hat, zunächst die persönliche Anhörung durchführt (§ 18 a I 4 AsylVfG). Hat der Flüchtling bereits einen Anwalt oder ist ihm dieser durch den Flughafensozialdienst vermittelt worden, kann sich der Flüchtling natürlich anwaltlichen Beistandes bedienen. Eine Verpflichtung des BGS jedoch, bereits jetzt einen Anwalt zu stellen, besteht ausdrücklich nicht. Gemäß § 18 a I 5 AsylVfG besteht vielmehr erst nach der Anhörung eine Verpflichtung, dem Asylbewerber Gelegenheit zu geben, mit einem Rechtsanwalt Verbindung aufzunehmen. Diese vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich gebilligte Regelung zielt weniger auf die Anwälte als auf die Flüchtlingsabwehr. Sie unterstellt eine (nicht gegebene) Objektivität der Anhörung und eine neutrale Beratung durch den BGS oder durch das Bundesamt und ignoriert den Erfahrungssatz, dass Flüchtlinge, die ja meist auf Schleuser angewiesen sind, bereits – leider oft falsch – vorberaten sind. Sie lässt Flüchtlinge sehenden Auges in eine Falle tappen und verfolgt den Zweck, so leichter zu einer offensichtlich-unbegründet-Ablehnung und einer Einreiseverweigerung zu kommen.

Lehnt nämlich die Außenstelle des Bundesamtes am Flughafen den Asylantrag als offensichtlich unbegründet ab, wird dem Asylbewerber nicht nur die Bundesamtsentscheidung mit der sofort vollziehbaren Abschiebungsandrohung übermittelt, sondern auch eine Einreiseverweigerung durch den BGS (§ 18 a III 1 AsylVfG). Beide Entscheidungen werden dem Flüchtling durch die Grenzschutzbehörde zugestellt.

Kommt das Bundesamt zu keiner offensichtlich-unbegründet-Entscheidung oder teilt es dem BGS mit, dass es nicht kurzfristig entscheiden kann, etwa weil der Fall von besonderer Schwierigkeit ist oder noch Ermittlungen erforderlich sind, oder hat das Bundesamt innerhalb von zwei Tagen nach der Asylantragstellung noch keine Entscheidung getroffen, ist dem Asylbewerber die Einreise zu gestatten (§ 18 a VI AsylVfG). Das gleiche gilt, wenn nach einer offensichtlich-unbegründet-Entscheidung des Bundesamtes ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 18 a IV AsylVfG gestellt wurde und das Verwaltungsgericht dem Antrag stattgegeben hat oder es hierüber innerhalb von 14 Tagen nicht entschieden hat.

5) Gerichtliches Verfahren

Ein Asylsuchender, der aus einem sicheren Drittstaat kommt und von der Grenzbehörde nicht zur Asylantragstellung an das Bundesamt weitergeleitet wurde, muss einen Eilantrag nach § 123 VwGO gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das zuständige Grenzschutzpräsidium, stellen. Der Antrag muss darauf gerichtet sein, den Flüchtling zur Antragstellung und Durchführung eines Asylverfahrens an die Außenstelle des Bundesamtes weiterzuleiten und bis zur Entscheidung nach § 18 a AsylVfG von einer Zurückschiebung abzusehen.

Formularmuster 1

Lehnt das Bundesamt den Asylantrag als offensichtlich unbegründet ab, hat die Klage keine aufschiebende Wirkung. Ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Asylklage ist im Flughafenverfahren entbehrlich, da nach § 18 a V AsylVfG ein Eilantrag auf Gestattung der Einreise erforderlich ist, so dass hierüber einstweiliger Rechtsschutz erreicht werden kann., Der Antrag, der auch bei der Grenzbehörde gestellt werden kann (§ 18 a IV 2 AsylVfG), ist innerhalb von drei Tagen einzureichen (§ 18 a IV 1 AsylVfG), die Klage innerhalb von zwei Wochen. Im Falle der rechtzeitigen Antragstellung darf die Einreiseverweigerung nicht vor der gerichtlichen Entscheidung vollzogen werden (§ 18 a IV 6 AsylVfG).

Nach der Flughafen-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist dem Flüchtling auf sein Verlangen eine weitere Begründungsfrist von vier Tagen einzuräumen, ohne dass hierfür besondere Gründe vorliegen oder geltend gemacht werden müssen.

Formularmuster 2

Das Verwaltungsgericht muss innerhalb von 14 Tagen über den Antrag entscheiden. Die allgemeinen Grundsätze über die Ablehnung des Antrages als offensichtlich unbegründet gelten auch hier, doch sei nicht verschwiegen, dass von den Anwälten, die mit Flughafenverfahren befaßt sind, beklagt wird, dass die einschlägigen Gerichte oft strengere Kriterien anwenden.

Gegen ablehnende Beschlüsse des Verwaltungsgerichts ist eine Beschwerde nicht möglich (§ 80 AsylVfG). Solange der Flüchtling jedoch noch am Flughafen ist, ist eine erneute Antragstellung gemäß § 123 VwGO oder ein Antrag auf Abänderung gemäß § 80 VII VwGO zulässig, sofern neue Tatsachen oder Beweismittel vorliegen, die zu einer hinreichenden Erfolgsaussicht führen.

Wenn die Anträge abgelehnt sind, bleibt als einziges Rechtsmittel nur die Verfassungsbeschwerde, die gegebenenfalls durch einen Antrag auf einstweilige Anordnung beim Bundesverfassungsgericht ergänzt werden muss. Droht dem Flüchtling in der Zwischenzeit die Rückschiebung, ist gegebenenfalls auch ein Antrag auf einstweilige Anordnung beim Bundesverfassungsgericht auf Unterlassung der Abschiebung bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zu stellen. Bis zur gerichtlichen Klärung bleibt der Asylbewerber auch weiterhin in den Unterkünften im Transitbereich untergebracht.

6) Kritik am Flughafenverfahren

Das Flughafenverfahren ist wegen der Art der Unterbringung, der Dominanz der polizeilichen Maßnahmen und der Schwierigkeiten einer anwaltlichen Vertreung rechtsstaatlich fraglich. Die psychische Situation der Flüchtlinge – insbesondere von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen oder von traumatisierten Personen – wird nicht berücksichtigt. Hinzu kommt, dass auch das gerichtliche Verfahren mangelhaft erscheint. Denn regelmäßig befindet das Verwaltungsgericht ohne eine persönliche Anhörung des Betroffenen allein aufgrund des schriftlichen Eilantrages. Zwar ist es mittlerweile geglückt, einen anwaltlichen Flughafennotdienst zu installieren, gleichwohl erschweren der enorme Zeitdruck und die psychische Situation der Flüchtlinge einen ordnungsgemäßen und vollständigen Vortrag. Viele der Ablehnungen, auch am Flughafen, stützen sich deshalb auf eine angebliche Unglaubwürdigkeit des Flüchtlings. Die Beurteilung der Glaubwürdigkeit setzt jedoch vor allem einen persönlichen Eindruck voraus, den der Richter bei einer schriftlichen Entscheidung nicht besitzt.

Insgesamt ist das Flughafenverfahren vom staatlichen Interesse auf Flüchtlingsabwehr dominiert und der Asylsuchende mehr oder weniger sprach- und hilfloses Objekt einer staatlichen Maßnahme. Der gegebene – ohnedies knappe – Rechtsschutz erzeugt den Schein einer Rechtsstaatlichkeit, die in Wahrheit unter den Bedingungen des Flughafenverfahrens nicht einlösbar ist. Den Geboten des Flüchtlings- und Menschenrechtsschutzes wird das Flughafenverfahren nach wie vor nicht gerecht.

IV) Folgeantrag; Zweitantrag

Von dem Erst-Asylantrag zu unterscheiden ist der Folge- und Zweitantrag. Ein Folgeantrag liegt vor, wenn der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrages erneut einen Asylantrag stellt (§ 71 AsylVfG).

Es kommt also nicht darauf an, ob der Flüchtling ausgereist ist oder die ganze Zeit im Land war. Entscheidend ist nur, dass bereits einmal ein Asylverfahren durchgeführt worden ist. Ob ein irgendwie gearteter zeitlicher Zusammenhang vorliegen muss oder ob es genügt, dass der Flüchtling irgendwann einmal (also z. B. vor 20 Jahren), einen Asylantrag gestellt hat, ist obergerichtlich nicht entschieden. Ich bin der Auffassung, dass aus dem Sinn und Zweck der Regelung ein solcher Zusammenhang zu verlangen ist. Wenn also beispielsweise der Flüchtling nach einem Erst-Asylverfahren heimgekehrt ist und viele Jahre im Ausland lebte oder zwar nicht zurückgekehrt ist, aber lange Zeit in Deutschland lebte, also schon auf den ersten Blick keine Brücke zwischen dem früheren Asylverfahren und dem jetzigen Asylbegehren mehr besteht, halte ich es für verfehlt, die strengeren Regeln des Asylfolgeverfahrens anzuwenden. Die Grenzziehung ist meines Erachtens relativ einfach: Wenn zwischen dem jetzigen Asylbegehren und dem früheren kein Zusammenhang mehr besteht, sind die Regeln des Erst-Verfahrens anzuwenden. Der verlangte Zusammenhang wird unterbrochen durch die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung im Inland oder durch eine Ausreise, wenn der Flüchtling anschließend einen nicht nur vorübergehenden Zeitraum im Ausland weilt (zu denken ist an eine entsprechende Anwendung von § 27 III AsylVfG). Dies ist aber, wie gesagt, meine Meinung und obergerichtlich noch nicht entschieden.

Von einem Zweitantrag spricht das Gesetz, wenn der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sogenannten sicheren Drittstaat nunmehr in der Bundesrepublik einen Asylantrag anbringt (§ 71 a AsylVfG).

1) Neue Tatsachen oder Beweismittel

Ein Folge- oder ein Zweitantrag führt nur dann zu einem neuen Asylverfahren, wenn sich die Sach- und Rechtslage nachträglich zugunsten des Flüchtlings geändert hat, sei es, dass neue Tatsachen vorliegen, sei es, dass neue Beweismittel vorliegen oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZivilProzessordnung (ZPO) vorliegen. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, ist der Asylfolgeantrag oder Zweitantrag schon unzulässig, ein Asylfolgeverfahren wird nicht durchgeführt. Die Entscheidung darüber kann sehr schnell ergehen, manchmal innerhalb weniger Stunden, meist innerhalb von ein oder zwei Wochen. Die gelegentliche Meinung mancher Flüchtlinge, man könne an das Erstverfahren sozusagen nahtlos ein Zweitverfahren anschließen, ist eine Illusion. Oft bringt ein Zweitverfahren nicht einmal Zeitgewinn, weil ein solcher Antrag die Vorbereitung der Abschiebung und auch die Abschiebung selbst nicht verhindert.

Damit ein Folge- oder Zweitantrag Erfolgschancen besitzt – oder auch nur ernst genommen wird – ist es erforderlich, schon im Antrag selbst ausführlich und detailliert das Neue darzulegen und vorzutragen. In der Praxis passieren hier elementare Fehler. Oft beschränkt sich der Asylfolgeantrag auf wenige Sätze, manchmal wiederholt er sogar nur das Erstvorbringen. So macht man es dem Bundesamt leicht, den Asylfolgeantrag als unbeachtlich zu qualifizieren und in wenigen Tagen abzuhandeln. Richtig ist dem gegenüber, sich darauf zu konzentrieren und ausführlich schon im neuen Asylantrag darzustellen, was sich seit dem maßgeblichen Zeitpunkt (letzte mündliche Verhandlung im früheren Asylverfahren) an neuen Tatsachen oder neuen Beweismitteln ergeben hat. Es genügt also nicht, etwa vorzutragen, die Lage im Herkunftsland habe sich weiter verschlimmert. Vielmehr muss konkret vorgetragen werden, wie die Änderungen im einzelnen aussehen; die Verschlechterung muss konkret belegt werden (also beispielsweise durch neuere Auskünfte) und auf den Fall bezogen werden. Beispielsweise ist also vorzutragen, dass sich im Herkunftsland eine Revolution ereignet hat, der Staatspräsident gestürzt wurde und nunmehr die Gruppe, der der Flüchtling angehört, verfolgt wird. Ein solch klassischer Fall wird nur selten vorliegen. Häufiger ist die Fallkonstellation, dass eine schon vorhandene Gefahr sich weiter zugespitzt hat. In diesem Falle sollte der frühere Vortrag des Flüchtlings und die Würdigung, die er früher vom Bundesamt oder vom Gericht im Erstverfahren erfahren hat, aufgegriffen und kurz skizziert werden, um dann detailliert darzulegen, warum sich die Situation heute anders darstellt, als etwa vor einem halben Jahr. Hat das Gericht beispielsweise argumentiert, von einer Gruppenverfolgung könne noch nicht gesprochen werden, meinen Sie jedoch, heute könne man dies belegen, müßten Sie genau dies herausarbeiten und durch Bezugnahme auf Auskünfte oder Gerichtsurteile auch belegen. Hat das Gericht gemeint, es gebe eine inländische Fluchtalternative und meinen Sie, diese gäbe es zumindest heute nicht mehr, sollten Sie sich darauf konzentrieren und konkret darlegen, dass dies heute – im Gegensatz zu früher – anders ist. Vermeiden Sie den Fehler, die frühere Entscheidung als falsch zu schelten. Damit werden Sie nicht gehört! Besser ist es, die frühere Entscheidung als richtig zu unterstellen und argumentativ vorzugehen, etwa, dass die damaligen Erkenntnisse zwischenzeitlich überholt sind. Vor allem aber darf nie übersehen werden, die allgemeinen Änderungen auf den Fall konkret anzuwenden. Sie dürfen also nicht etwa argumentieren, „die Kurden“ würden heute mehr denn je verfolgt, sondern Sie müssen möglichst überzeugend schon im Asylfolgeantrag darlegen, warum Ihr Klient, der Kurde ist, im Falle der Rückkehr zu diesem Zeitpunkt verfolgt würde, obwohl er vor einem halben Jahr noch nicht verfolgt worden wäre (wie die erste Entscheidung bindend festgestellt hat), etwa dadurch, dass Sie aufzeigen, dass Familienmitglieder festgenommen wurden, im Dorf ein Dorfschützer etabliert wurde oder dass nach ihm gefragt wurde.

Beruft sich der Flüchtling auf neue Beweismittel, müssen Sie sie sofort vorlegen (also nicht nur ankündigen) und ferner darlegen, dass und warum diese neuen Beweismittel relevant sind. Einfach ist dies natürlich dann, wenn sich aus dem Beweismittel selbst eine unmittelbare Gefahr der politischen Verfolgung ergibt, Sie also beispielsweise jetzt einen Haftbefehl vorlegen können, der damals noch nicht im Besitz des Flüchtlings war. In diesem Fall genügt es vorzutragen, dass man damals den Haftbefehl nicht hatte und dass aus diesem Grunde die schon immer behauptete Verfolgungsgefahr nicht überzeugend dargetan werden konnte. Schwieriger wird es, wenn das neue Beweismittel möglicherweise noch nicht genügt, um die politische Verfolgung selbst zu beweisen, sondern nur ein Indiz für die Richtigkeit des früheren Vortrages ist. Hat beispielsweise der Flüchtling behauptet, er sei politisch aktiv gewesen, und deshalb verfolgt worden, und wurde ihm dies im Erstverfahren nicht geglaubt, kann ein jetzt verfügbarer Mitgliedsausweis einer oppositionellen Partei ein Beweismittel sein, das zu einer günstigeren Entscheidung führen kann. Sie müssen in diesem Falle also beispielsweise vortragen, dass das Gericht dem Kläger im Erstverfahren nicht geglaubt habe, dass er überhaupt politisch aktiv und deshalb gefährdet war. Da er nun durch den später erhaltenen Mitgliedsausweis belegen könne, politisch aktiv gewesen zu sein, sei die Schlußfolgerung des Gerichtes, er sei nicht gefährdet gewesen, erschüttert. Dies muss auch so vorgetragen werden. Es muss also beispielsweise ausgeführt werden: „Das Gericht hat im früheren Asylverfahren dem Antragsteller nicht geglaubt, dass er überhaupt politisch aktiv war und deshalb im Falle einer Rückkehr eine asylrelevante Gefährdung verneint. Diese Annahme kann nun widerlegt werden. Der Antragsteller hat nunmehr ein Beweismittel erhalten, das seine Mitgliedschaft in der X-Partei belegt. Die Annahme des Erstgerichtes, der Antragsteller sei überhaupt nicht politisch aktiv gewesen, ist damit nicht mehr haltbar. Damit ist auch die Schlußfolgerung des Gerichts, der Antragsteller werde im Falle einer Rückkehr in seine Heimat nicht verfolgt, ohne tatsächliche Grundlage. Hätte der Antragsteller schon im Erstverfahren den Mitgliedsausweis vorlegen können, wäre der Richter überzeugt gewesen, dass der Antragsteller politisch aktiv gewesen ist. Da nach den Auskünften von … (ist auszuführen) Mitglieder der X-Partei politisch verfolgt werden, wäre das Gericht schon im Erstverfahren zu einem anderen Ergebnis gelangt. Der jetzt erhaltene Mitgliedsausweis ist damit ein neues Beweismittel, das geeignet ist, zu einem anderen, positiven Ergebnis zu führen. Der Asylfolgeantrag ist daher beachtlich.“

Manchmal wird strittig sein, was man als neue Tatsachen ansieht. Wer beispielsweise im Erstverfahren verschwiegen hat, dass er Mitglied einer radikalen Y-Partei war, kann seinen Asylfolgeantrag prinzipiell nicht darauf stützen, auch wenn er gute Gründe hatte, diese Mitgliedschaft zu verschweigen. Anders kann (muss aber nicht) die Lage beurteilt werden, wenn er diesen neuen Vortrag nun zugleich auf neue Beweismittel stützt, also beispielsweise vorträgt, er habe die Mitgliedschaft in der Y-Partei nicht erwähnt, weil er keinerlei Beweismittel in Händen gehabt habe und man ihm diese Mitgliedschaft sowieso nicht geglaubt hätte, was sich aus bestimmten Umständen ergebe. Jetzt gebe es einen Zeugen – zu dem er vorher keinen Kontakt gehabt habe – oder ein Dokument, womit er den Beweis seiner Aktivitäten erbringen könne. In diesem Falle hat man gute Chancen, dass der Asylfolgeantrag als beachtlich angesehen wird, wenn die Aktivitäten für diese Partei im Kontext zu dem früheren, allgemeinen Vortrag stehen. Angriffspunkt sind ja die politischen Aktivitäten als solche, die zu einer Verfolgungsgefahr führen. Von diesen kann ein erheblicher Aspekt nun bewiesen werden.

Oftmals stützt sich der Folgeantrag sowohl auf neue Tatsachen, als auch auf neue Beweismittel. In diesem Falle ist beides ausführlich darzulegen. Sind die neuen Tatsachen Nachfluchtaktivitäten, genügt es nicht, zu behaupten, der Antragsteller sei „weiterhin politisch oppositionell tätig gewesen“. Vielmehr ist ganz konkret vorzutragen, welche Aktivitäten der Antragsteller zwischenzeitlich unternommen hat, dass und warum sie voraussichtlich zur Kenntnis der Heimatbehörden gelangt sind und dass sie geeignet sind, nunmehr eine politische Verfolgung auszulösen. Die Nachfluchtaktivitäten müssen dabei schon im Asylfolgeantrag nicht nur konkret benannt, sondern auch bewiesen, also durch Vorlage von Urkunden (z. B. Flugblätter, Anmeldungen von Demonstrationen, Fotos oder eidesstattliche Versicherungen).

Inwieweit eine Änderung in der deutschen Rechtsprechung zur Durchführung eines Folgeverfahrens führt, ist strittig. Eine Änderung der örtlichen Verwaltungsrechtsprechung genügt nie, allenfalls eine generelle Rechtsprechungsänderung durch die Obergerichte wird ernsthaft diskutiert. Sie sollten sich daher bei einem Asylfolgeantrag nicht mit einem Hinweis auf die geänderte Rechtsprechung bescheiden, sondern zumindest auch die geänderten Fakten vortragen, die zu dieser Änderung geführt haben, also beispielsweise argumentieren, die Lage im Herkunftsland habe sich dramatisch entwickelt, was zwischenzeitlich zu einer Änderung der Rechtsprechung geführt habe. Deshalb müssen Sie auch die neue Situation ausführlich schildern und belegen.

Wie auch immer: Ein erfolgversprechender Asylfolgeantrag wird immer mehrere Seiten umfassen müssen und verlangt stets die Auseinandersetzung mit den Argumenten des Erstverfahrens und den aktuellen Verhältnissen im Herkunftsstaat.

2) 3-Monats-Frist

Zu beachten ist dabei stets, dass neue Tatsachen und Beweismittel innerhalb einer Drei-Monats-Frist, beginnend ab Kenntnis der wesentlichen Umstände (also der neuen Tatsachen oder der neuen Beweismittel) geltendzumachen sind. Allein das Verstreichen dieser Frist führt zur Unzulässigkeit des Folgeantrages.

Die Berechnung der 3-Monats-Frist ist schwierig, wenn es um Nachfluchtaktivitäten geht, also eine oppositionelle Tätigkeit, die in Deutschland durchgeführt wurde. Für jeden Teilakt, also das Verteilen eines Flugblattes, die Teilnahme an einer Demonstration oder die Organisation einer Veranstaltung läuft nach der herrschenden Meinung die 3-Monats-Frist jeweils neu. Nimmt man diese Rechtsprechung ernst, müßte das Bundesamt laufend mit Folgeanträgen überzogen werden. Ich halte dies weder für praxisgerecht, noch für juristisch überzeugend. Denn oftmals wird es so sein, dass die einzelne Aktivität – also beispielsweise die Teilnahme an einer Demonstration – für sich allein betrachtet nicht ausreichend ist, um nunmehr eine Rückkehrgefahr zu begründen. Oft wird erst die Summe der Einzelakte ein erhöhtes Risiko bewirken. Aus der Sicht des Verfolgerstaates mag die ein- oder zweimalige Teilnahme an einer Demonstration oder die Herausgabe eines Flugblattes noch als verzeihbare, ausschließlich auf das Erlangen eines Aufenthaltsrechtes in Deutschland gerichtete, unerhebliche Aktivität gewertet werden, während umgekehrt die Vielzahl derartiger Handlungen beim Verfolgerstaat zu dem Eindruck führt, hier habe man es doch mit einem ernstzunehmenden Gegner zu tun. Die Vielzahl der Aktionen oder eine aus der Sicht des Verfolgerstaates besonders herausgehobene Tätigkeit führt so zum qualitativen Umschlag der Bewertung. Wann dieser Beurteilungswandel eintritt, lässt sich abstrakt nicht festlegen. Anlaß hierfür kann die Übernahme einer Führungsrolle sein, das Bekanntwerden einer solchen Funktion, aber auch eine besondere Vielzahl und Nachhaltigkeit der Aktivitäten. Hier bleibt ein Bewertungsspielraum, der entsprechend dem asylrechtlichen Grundsatz, wonach die Verfolgungsgefahr nur glaubhaft zu machen ist, zugunsten des Flüchtlings auszufüllen ist. Wenn der Flüchtling also einen Asylfolgeantrag jetzt stellt, weil er zum Vorstand eines oppositionellen Vereines gewählt wurde oder weil er bei der zehnten Demonstrationsteilnahme von einem Botschaftsmitglied angesprochen und gewarnt wurde und hierin das qualitatitve Umschlagen der bisherigen, umbeachtlichen Nachfluchtgründe in beachtliche Nachfluchtgründe sieht, müßte dies nach meiner Meinung dazu führen, dass nicht nur diese eine Teilaktivität zu berücksichtigen ist, sondern auch die vorangegangenen Einzelaktivitäten, ohne dass sie ausgeblendet werden dürften, nur weil die 3-Monats-Frist abgelaufen ist. Dies ist aber, wie gesagt, meine Meinung und nicht unbedingt die der Rechtsprechung. Wie absurd aber die Gegenmeinung ist, wird völlig deutlich, wenn man sich ihre praktischen Auswirkungen anhand eines konkreten Beispiels überlegt. Unterstellt man beispielsweise, dass ein Staat in der einmaligen Demonstrationsteilnahme noch keine politische Gegnerschaft sieht, wohl aber nach der beispielsweise fünften, die der Betreffende erst nach über einem Jahr vorzuweisen hat, müßte der politische Aktivist gleichwohl nach jedem Protestmarsch einen Asylfolgeantrag stellen, von dem er selbst mit dem Bundesamt davon ausgeht, dass er unbegründet ist. Er müßte also vier offensichtlich unbegründete Folgeverfahren durchführen, damit die früheren Demonstrationsteilnahmen beim fünften Asylverfahren berücksichtigt werden. Denn die herrschende Meinung würde die hier vorangegangenen, mehr als drei Monate zurückliegenden Demonstrationen ohne die sinnlosen Asylanträge nicht berücksichtigen. Dass eine solche Rechtsprechung weder mit asylrechtlichen oder verfahrensökonomischen Gründen, sondern allenfalls mit arbeitsmarktpolitischen Gründen gerechtfertigt werden kann, liegt auf der Hand.

Dass die früheren Aktivitäten nur wegen des Ablaufs der 3-Monats-Frist nicht ausgeblendet werden dürfen, ergibt sich meines Erachtens auch aus dem Charakter des Asylfolgeantrages. Denn das Asylfolgeverfahren ist nichts anderes, als ein Wiederaufnahmeverfahren, wenn auch teilweise spezialgesetzlich geregelt. Das Gesetz macht dies selbst deutlich, indem es auf die Vorschriften des Wiederaufnahmeverfahrens nach § 51 VwVfG verweist. Nach allgemeinem Recht ist es aber so, dass ein Wiederaufnahmeverfahren nichts anderes als die Fortsetzung des Erstverfahrens ist; das Wiederaufnahmeverfahren schließt sozusagen die bereits zugeschlagene Tür wieder auf und ermöglicht eine neue, zweite Überprüfung des eigentlich bereits abgeschlossenen Falles. Mit diesem System ist es nicht zu vereinbaren, wenn man Einzelakte ausblenden will.

Wer sichergehen will, sollte jedoch jeden Einzelaspekt zum Anlaß eines Folgeverfahrens machen, auch wenn ihm schon bewußt ist, dass allein dieser noch nicht genügt.

Zu beachten ist auch noch, dass die Rechtsprechung auch verlangt, dass während eines laufenden Folgeverfahrens – also auch während des gerichtlichen Verfahrens – neue Tatsachen ihrerseits ebenfalls innerhalb der 3-Monats-Frist vorgetragen werden müssen. Man darf also nicht etwa auf die mündliche Verhandlung im gerichtlichen Verfahren warten und dann umfangreiche Listen der Aktivitäten vorlegen, sondern muss jeweils zeitnah das Bundesamt oder das Gericht von den neuen Fakten unterrichten und diese auch belegen!

Nicht selten kommt es vor, dass neue Beweismittel oder neue Tatsachen erst nach Durchführung der mündlichen Verhandlung bekannt werden und mithin in das laufende Verfahren zunächst nicht eingebracht werden können, sondern nur dann, wenn die Berufung zugelassen wird. Was ist zu tun?

Ein sofortiger Folgeantrag ist unzulässig, weil das Erstverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Ein Folgeantrag auf Vorrat, also unter der Bedingung gestellt, dass das Erstverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist, wird vom Bundesamt in der Praxis nicht entgegengenommen, sondern wieder zurückgeschickt. Man ist dort der Meinung, dass ein Folgeantrag erst nach rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens zu stellen ist, dann aber innerhalb einer 2-Wochen-Frist. Diese 2-Wochen-Frist wird aus einer Analogie zu einem Wiederaufnahmegesuch, das eine 2-Wochen-Frist kennt, hergeleitet. In diesem Falle muss also unbedingt vorgemerkt werden, dass sogleich nach der Rechtskraft des Erstverfahrens der Folgeantrag zu stellen ist, soll nicht auch diese Frist versäumt werden. Darüber hinaus rate ich bei einer solchen Fallkonstellation gleichwohl dazau, die neuen Tatsachen und Beweismittel vorab dem Bundesamt zur Kenntnis zu bringen. Bekanntlich sind die Entscheider des Bundesamtes unabhängig. Niemand kann garantieren, dass die oben skizzierte Rechtsansicht der Bundesamtsleitung auch von dem unabhängigen Entscheider vor Ort geteilt wird und er nicht einen innerhalb der 2-Wochen-Frist nach Abschluss des Erstverfahrens gestellten Folgeantrag als unzulässig, weil verspätet behandelt.

3) Persönliche Antragstellung

Der Asylfolgeantrag ist im Regelfalle persönlich bei der Außenstelle des Bundesamtes zu stellen, die der Aufnahmeeinrichtung zugeordnet ist, in der der Asylbewerber während des früheren Asylverfahrens wohnen musste (§ 71 II AsylVfG; die Ausnahmen hiervon stehen im Gesetz). Dies bedeutet in der Praxis oftmals, dass der Flüchtling seinen jetzigen Aufenthaltsort verlassen muss und wieder in die frühere Erstaufnahmeinrichtung zurückkehren muss, um dort den Asylfolgeantrag persönlich zu stellen. Ihnen als Betreuer obliegt es daher, auf der einen Seite dafür Sorge zu tragen, dass der Flüchtling einen ausformulierten Asylfolgeantrag vorlegen kann, andererseits in Kontakt mit der jetzigen Ausländerbehörde zu treten und diese zu informieren, dass ein Asylfolgeantrag gestellt wird und eine Abschiebung damit vorerst unzulässig ist. Am besten tun Sie dies schriftlich und unter Beifügung des Asylfolgeantrages.

Die Stellung des Asylfolgeantrages führt im Gegensatz zum Erstantrag nicht dazu, dass ein Aufenthaltsrecht entsteht. Vielmehr entsteht nur ein vorläufiges Abschiebungshindernis. Dies hat unter Umständen weitreichende Folgen.

Ein Asylfolgeantragsteller beispielsweise, der illegal wieder eingereist ist, ist aufgrund der illegalen Einreise kraft Gesetzes ausreisepflichtig (§ 42 II Nr. 1 AuslG). Er kann damit in Abschiebungshaft genommen werden (§ 57 II Nr. 1 AuslG).

Auch der im Land befindliche Asylfolgeantragsteller erhält nicht wieder ein Aufenthaltsrecht; sein Aufenthalt wird vielmehr nur hingenommen. Liegen die Voraussetzungen der Abschiebungshaft vor, verhindert ein Asylfolgeantrag nicht die Festnahme. Bei jemand, der bereits im Bundesgebiet ist und hier den Asylfolgeantrag stellt, ist wichtig, ob der Antrag innerhalb von zwei Jahren, nachdem die im Erstverfahren erlassene Abschiebungsandrohung oder -anordnung vollziehbar geworden ist, gestellt wird, oder danach. Sind die zwei Jahre noch nicht vollstrichen, bedarf es zum Vollzug der Abschiebung keiner erneuten Fristsetzung und Abschiebungsandrohung oder -anordnung (§ 71 V 2 AsylVfG). Es genügt die formlose, auch telefonische, Mitteilung des Bundesamtes an die Ausländerbehörde, dass ein Folgeverfahren nicht durchgeführt wird, damit die Ausländerbehörde aus der früheren Abschiebungsandrohung oder -anordnung vollstrecken kann. Es gibt Ausländerbehörden, die nach Stellung eines Asylfolgeantrages beim Bundesamt anrufen und auf eine rasche Entscheidung drängen und sich sozusagen per Zuruf die telefonische Mitteilung nach § 71 V AsylVfG abholen, um dann in einer Nacht- und Nebelaktion den Flüchtling unbehelligt durch Rechtsmittel abschieben zu können. Andere warten zumindest den Eingang der (internen) schriftlichen Mitteilung ab; wieder andere setzen eine Nachfrist zur freiwilligen Ausreise. Manche ermöglichen auch noch die Beantragung einstweiligen Rechtsschutzes, obwohl sie hierzu nicht verpflichtet wären. Es ist also wichtig, die örtliche Praxis zu kennen. Man sollte sich mit der Ausländerbehörde in Verbindung setzen und offen besprechen, wie diese verfahren wird. (Und nicht unbedingt alles glauben!)

Ist der Asylfolgeantrag nicht innerhalb von zwei Jahren gestellt, muss das Bundesamt eine neue Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung erlassen. Dies geschieht durch förmlichen Bescheid, gegen den Rechtsmittel zulässig sind.

4) Verhältnis Asylfolgeantrag / Abschiebungshindernisse gemäß § 53 AuslG

Noch immer nicht geklärt ist das Verhältnis zwischen dem Asylfolgeantrag und dem Antrag auf Feststellung von Abschiebungshindernissen gem. § 53 AuslG.

Einigkeit besteht mittlerweile zwar darin, dass dann, wenn ein Asylantrag gestellt war und nunmehr neue Abschiebungshindernisse geltend gemacht werden, für die Prüfung dieser Abschiebungshindernisse das Bundesamt zuständig ist. Gleichwohl beschränkt sich das Bundesamt bei der Stellung eines Asylfolgeantrages meist darauf, das Vorliegen des asylrechtlichen Schutzes zu prüfen und entscheidet nur selten ausdrücklich darüber, ob auch Wiederaufnahmegründe hinsichtlich § 53 AuslG vorliegen. Allerdings findet sich meist ein beiläufiger Satz im ablehnenden Bescheid, was die Rechtsprechung überwiegend als ausreichend ansieht: § 53 AuslG sei ja indirekt mitgeprüft worden. Ich halte dies zumindest dann für fraglich, wenn neben den asylrechtlichen Gründen auch ausdrücklich Wiederaufnahmegründe hinsichtlich § 53 AuslG geltend gemacht sind. Dieser Fehler hat allerdings keine Konsequenzen, weil das Gericht jedenfalls von Amts wegen das Vorliegen von Abschiebungshindernissen zu berücksichtigen hat und dabei die Sache auch spruchreif zu machen hat. Es darf also nicht wegen des Formalfehlers der nicht ausdrücklichen Verbescheidung des §-53-AuslG-Antrages den Bescheid an das Bundesamt zurückreichen, sondern muss selbst entscheiden, ob Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen.

5) Auf § 53 AuslG beschränkter Folgeantrag

Möglich ist auch ein auf § 53 AuslG beschränkter „Folgeantrag“. Will man dies, sollte man klarstellen, dass eine Überprüfung der asylrechtlichen Entscheidung nicht gewünscht wird. Wenn ein Asylverfahren voranging, ist auch dieser Antrag beim Bundesamt zu stellen. Dieser isolierte Antrag richtet sich nicht nach § 71 AsylVfG, sondern ausschließlich nach den Regelungen des § 51 VwVfG. Bei den inhaltlichen Voraussetzungen (neue Tatsachen oder neue Beweismittel) gibt es grundsätzlich keine Unterschiede, doch ist insoweit ein relevanter Unterschied gegeben, als auch § 51 V VwVfG für diesen isolierten Antrag zur Anwendung kommt. Er erlaubt der Behörde, unter der Voraussetzung des § 48 I VwVfG oder § 49 I VwVfG eine frühere Entscheidung auch dann zu ändern, wenn die Voraussetzungen des Wiederaufnahmeverfahrens nicht vorliegen. Mit anderen Worten: Auch wenn die 3-Monats-Frist versäumt ist oder neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorliegen, sich aber aus heutiger Sicht die frühere Entscheidung als falsch erweist, darf ein Abschiebungshindernis bejaht werden. Diese Regelung trägt der Tatsache Rechnung, dass bei Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG regelmäßig ein unmittelbarer Grundrechtsbezug gegeben ist: Die Menschenwürde ist regelmäßig tangiert. Da es allen deutschen Behörden verboten ist, an einer menschenrechtswidrigen Behandlung mitzuwirken oder sehenden Auges (und nur aus formellen Gründen) jemanden einer menschenrechtswidrigen Behandlung zuzuführen oder auszusetzen, kann in diesen Fällen Abschiebungsschutz gewährt werden, obwohl die formellen Voraussetzungen eines Wiederaufgreifens nicht vorliegen. Von dieser Möglichkeit wird allerdings nur bei exzeptionellen Ausnahmen Gebrauch gemacht; die Gefahr muss also wirklich konkret und unmittelbar drohend sein.

Wie schon dargestellt, führt die Stellung eines Asylfolgeantrages (oder auch eines isolierten Wiederaufnahmeantrags hinsichtlich § 53 AuslG) regelmäßig (zunächst) nicht zu einem gesicherten Aufenthalt, sondern nur zu einem höchst labilen, vorläufigen Status. Der Flüchtling ist, solange das Bundesamt nicht positiv entschieden hat, dass ein Asylfolgeverfahren oder ein Wiederaufnahmeverfahren durchgeführt wird, der permanenten Unsicherheit einer jederzeit möglichen Abschiebung ausgesetzt.

Bis eine solche Entscheidung ergangen ist, erhalten die Asylfolgeantragsteller von den Ausländerbehörden oft ein selbstgebasteltes Papier mit der Überschrift „Asylfolgeantragsteller“, manchmal eine Grenzübertrittsbescheinigung, gelegentlich eine Duldung und in manchen Fällen auch die Verlängerung der früheren Aufenthaltsgestattung. Eine Erwerbstätigkeit wird in dieser Phase meist untersagt.

Einen Rechtsanspruch auf Aufenthaltsgestattung haben die Asylfolgeantragsteller erst, wenn das Bundesamt entschieden hat, dass ein Asylfolgeverfahren durchgeführt wird.

Beschränkt sich der Antrag auf die Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG und ist dieser Antrag nicht von vorneherein offensichtlich substanzlos (etwa, weil es sich um die Wiederholung des früheren Vortrags handelt, eine Verschlechterung nicht einmal behauptet ist oder individuelle Gründe nicht vorgetragen sind etc.), besteht ein Rechtsanspruch auf Ausstellung einer Duldung. Vom Bundesamt muss dann eine inhaltliche Entscheidung ergehen, ohne dass vorab eine Mitteilung nach § 71 V 2 AsylVfG erfolgt.

6) Rechtsschutz

Entsprechend der Vielzahl der Verfahrenskonstellationen ist auch der Rechtsschutz kompliziert. Das Hauptproblem liegt dabei darin, dass es meist notwendig ist, auch einstweiligen Rechtsschutz zu beantragen.

a) Erst-Verfahren vor mehr als zwei Jahren rechtskräftig abgeschlossen

Die einfachste Konstellation ist die, dass das Erstverfahren vor mehr als zwei Jahren vollziehbar abgeschlossen war, so dass eine neue Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung ergehen muss. Vor Zustellung der Entscheidung braucht der Flüchtling nicht zu befürchten, abgeschoben zu werden (wohl aber, wenn die Voraussetzungen vorliegen, in Abschiebungshaft genommen zu werden, wie § 71 VIII AsylVfG ausdrücklich erklärt). Gegen den förmlichen Bescheid ist eine Klage zulässig, die jedoch keine aufschiebende Wirkung hat, so dass auch ein Antrag nach § 80 V VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gestellt werden muss.

Formularmuster 3

b) Folgeantrag innerhalb von zwei Jahren nach Abschluss des Erst-Verfahrens

Ist der Asylfolgeantrag innerhalb der zwei Jahre gestellt, kann schon vor Erlass eines förmlichen Bescheides aus der früheren Abschiebungsandrohung oder -anordnung vollstreckt, also abgeschoben werden. Hieraus ergibt sich oft die Notwendigkeit, einstweiligen Rechtsschutz zu beantragen.

Wenn klar ist, dass die Vollstreckungsbehörde (dies ist entweder die Ausländerbehörde oder die zentrale Abschiebungsbehörde) die Abschiebung konkret betreibt und erklärt oder auch nur durchblicken lässt, dass sie trotz des Asylfolgeantrages vollstrecken wird und befürchtet werden muss, dass die in jedem Falle erforderliche Mitteilung nach § 71 V 2 AsylVfG der Ausländerbehörde vorab (eventuell telefonisch) gemacht wird, so dass bei einem Abwarten dieser Mitteilung ein effektiver Rechtsschutz nicht mehr möglich wäre, ist vorbeugender Rechtsschutz möglich. In diesem Falle ist ein Antrag nach § 123 VwGO zu stellen, mit welchem der Ausländerbehörde einstweilen untersagt werden soll, den Asylfolgeantragsteller abzuschieben. Der Antrag muss nicht nur die Gründe des Asylfolgeantrages schildern, sondern auch, warum die Besorgnis besteht, dass ein späterer Rechtsschutzantrag nicht mehr zum Ziel führen wird. So muss etwa der Stand der Abschiebungsvorbereitungen dargelegt werden oder, dass die Ausländerbehörde geheimniskrämerisch jede konkrete Information verweigert.

Ein Beispiel sehen Sie Formularmuster 4.

Die Notwendigkeit eines vorbeugenden Rechtsschutzes wird allerdings die Ausnahme sein. Im Regelfalle wird die Ausländerbehörde sich bereitfinden, zuzuwarten, bis dem Flüchtling die Mitteilung zugeht, dass ein Asylfolgeverfahren nicht durchgeführt wird oder zumindest zuzusichern, den Betroffenen von dieser Mitteilung zu unterrichten und vor einer Abschiebung noch ausreichend Zeit und Gelegenheit zu geben, einstweiligen Rechtsschutz zu beantragen.

Wie bei dieser Fallkonstellation der einstweilige Rechtsschutz erhalten werden kann, ist noch immer strittig. Die eine Meinung hält auch hier einen Antrag nach § 123 VwGO gegen die Ausländerbehörde für erforderlich, die wohl herrschende Meinung einen solchen gegen das Bundesamt mit der Zielrichtung, die Mitteilung nach § 71 V 2 AsylVfG einstweilen zurückzunehmen. Eine Mindermeinung hält bei dieser Fallkonstellation auch einen Antrag nach § 80 V VwGO für das richtige Rechtsmittel, um ein vorläufiges Bleiberecht zu erreichen. Wenn Sie sicher sind, welche Meinung bei dem zuständigen Gericht vertreten wird (Achtung: Manchmal haben die verschiedenen Kammern unterschiedliche Rechtsauffassungen!), können Sie das entsprechende Rechtsmittel auswählen, ansonsten empfiehlt es sich, alle Rechtsmittel nebeneinander einzulegen. Es kostet ja nichts und die Richter freuen sich, dass sie mit einem Fall drei Aktenzeichen erledigen können.

Nicht selten ist es so, dass eine vorzeitige Abschiebung nicht zu befürchten ist, weil es noch an den erforderlichen Dokumenten fehlt, so dass abgewartet werden kann, bis der eigentliche Bundesamtsbescheid ergeht. Hier gibt es wiederum mehrere Möglichkeiten.

c) Der neue Bundesamtsbescheid

1. Die positivste Entscheidung ist die, dass asylrechtlicher Schutz zugebilligt wird oder Abschiebungshindernisse bejaht werden. In diesem Falle wird die Erstentscheidung teilweise aufgehoben und im übrigen wie im Erstverfahren tenoriert. Häufiger ist die Fallkonstellation, dass dem Antrag nur teilweise stattgegeben wird, also z.B. Asyl verweigert, § 51 oder § 53 AuslG jedoch zugebilligt werden. Regelmäßig entsprechen dann die Rechtsmittel denen des Erstverfahrens, einstweiliger Rechtsschutz ist bei dieser Fallkonstellation regelmäßig nicht erforderlich. Bezüglich des Klageantrages, der dann auch nur eine Teil-Ablehnung (z. B. hinsichtlich Art. 16 a GG) betreffen kann, siehe

Formularmuster 5.

2. War das Bundesamt der Auffassung, dass zwar neue Tatsachen und Beweismittel vorliegen (mit dem Ergebnis, dass ein Asylfolgeverfahren durchgeführt wurde), gleichwohl diese aber nicht zur Bejahung einer Verfolungsgefahr führen, ergeht ein inhaltlicher, gleichwohl aber negativer Bescheid. Ist eine neue Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung enthalten, unterscheiden sich die Anträge auch hier nicht von denen des Erstverfahrens Formularmuster 3.

Oft aber fehlt es bei dieser Fallkonstellation an einer neuen Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung, so dass neben der Klage dann auch einstweiliger Rechtsschutz erforderlich ist, wobei sich – entsprechend dem oben Gesagten – ein Kombinations-Antrag empfiehlt Formularmuster 6.

3. Die häufigste Tenorierung wird jedoch die sein, dass inhaltlich nicht entschieden wird, sondern „die Durchführung eines Asylverfahrens abgelehnt“ wird. Auch hier ist neben der Klage einstweiliger Rechtsschutz erforderlich. Ein Unterschied zur letztgenannten Konstellation ist in den Anträgen nicht mehr vonnöten, nachdem das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat, dass auch bei fehlerhafter Verweigerung der Durchführung eines Asylfolgeverfahrens (und damit der Weigerung einer inhaltlichen Prüfung) das Gericht nicht an das Bundesamt zurückverweisen darf, sondern inhaltlich durchentscheiden muss. Die Klage ist also auch hier auf die Gewährung des begehrten Schutzes und nicht etwa auf Durchführung des Folgeverfahrens gerichtet

Formularmuster 7.

Ist die Beachtlichkeit des Asylfolgeantrages vom Bundesamt verneint worden und diese Entscheidung vom Gericht im Eilverfahren bestätigt worden, ist Ihr Schützling prinzipiell zur Ausreise verpflichtet. Ihm droht aktuell die Abschiebung. An Schutzmöglichkeiten verbleibt allenfalls eine Verfassungsbeschwerde, meist verbunden mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, eine Petition oder die Möglichkeit des Kirchenasyls.

V) Die Anhörung beim BAFl

Beim Bundesamt findet die Anhörung statt. Diese Anhörung ist der zentrale und wichtigste Vorgang im Rahmen des behördlichen Asylverfahrens. Die Entscheidung des Bundesamtes gründet wesentlich auf ihr. Hierbei kann der Flüchtling von seinem Rechtsanwalt, aber auch einem Beistand, begleitet werden (siehe Kapitel B. 4).

Ebenso kann er – wenn auch auf eigene Kosten – einen Dolmetscher seiner Wahl hinzuziehen (§ 17 II AsylVfG).

Leider ist vielen Flüchtlingen die zentrale Bedeutung der Anhörung nicht bewußt, wie manche Protokolle ausweisen. Auch wenn die Kritik hieran vor allem das Bundesamt trifft, muss es auch Ihr Anliegen sein, Ihrem Schützling klarzumachen, dass die Anhörung die Gelegenheit ist, sein Fluchtschicksal darzulegen. Ihm muss bewusst sein, dass ein unterlassener Sachvortrag zu seinen Lasten geht, weil ein oberflächliches Protokoll auch bei den Gerichten zunächst den Eindruck hervorruft, als sei an dem Fall nichts dran. Der Flüchtling muss den Mut haben, auch gegen den Willen des Anhörers darauf zu drängen, dass ihm wichtig erscheinende Sachverhalte im Protokoll wiedergegeben werden. Leider meinen manche Asylbewerber, sich das Wohlwollen des Anhörers durch Anpassung erkaufen zu können und stimmen einem raschen und oberflächlichen Verfahren widerspruchslos zu. Andere gehen davon aus, dass der Anhörer die Sichtweise des Flüchtlings akzeptiert, wenn er nur wenige Rückfragen stellt. Sie übersehen dabei, dass ein kurzes und oberflächliches Protokoll dem Bundesamt nur dazu dient, den Asylantrag leichter ablehnen zu können. Wichtig ist es, die Wahrheit zu sagen, ohne Übertreibung, aber auch ohne falsche Scham. Ohne Übertreibung heißt nicht nur, dass der Flüchtling aus einer „Ohrfeige“ keine „Folterung“ macht, sondern auch, dass er die allgemeinen politischen Verhältnisse nicht übertreibend darstellt. Natürlich hat der Asylsuchende eine subjektive Sicht. Er bezeichnet vielleicht eine Regierung als Diktatur, die nach landläufigen, bundesrepublikanischem Verständnis nur als „autoritärer Staat“ verstanden wird. Eine derartige unterschiedliche politische Bewertung schadet nicht, wohl aber, wenn Handlungen der Regierung und das allgemeine politische Klima in einer Art und Weise präsentiert werden, die der Realität nicht entsprechen. Generell sollte der Flüchtling in seinem Bemühen, die allgemeinen politischen Verhältnisse zu schildern, eher gebremst werden. Diese sind dem Bundesamt im Regelfalle bekannt, auch wenn die Sichtweise dort oft eine andere als die des Flüchtlings ist. Solche allgemeinen Ausführungen sind jedoch (aber auch nur) dann von Gewicht, wenn sie dem konkreten Schicksal des Flüchtlings, seinen politischen Aktivitäten bzw. der Verfolgung den nötigen Hintergrund geben oder sein Verhalten erläutern. Wenn dies so ist, muss auch dieser Hintergrund – aber fallbezogen – dargestellt werden. Wird beispielsweise jemand dafür eingesperrt, weil er im Besitz einer Waffe war, wäre es ein Fehler, nur diesen Tatbestand mitzuteilen, denn der landläufige Kurzschluß wäre, dass ja auch in Deutschland der unerlaubte Waffenbesitz strafbewehrt ist und zur Inhaftierung führen kann. In diesem Beispielsfall ist es wichtig, die ergänzende Information mitzuteilen, dass dort jeder straflos mit einer Pistole in der Tasche herumläuft, dass er, wenn er erwischt wird, allenfalls die Pistole abgeben muss, ohne weitere Sanktionen befürchten zu müssen, dass aber dann, wenn jemand zu den politischen Gegnern gerechnet wird, der Waffenbesitz Vorwand für eine Inhaftierung ist. Diese allgemeine Information ist also bei unserem Beispiel wichtig, damit man den politischen Grund der Inhaftnahme erkennen kann. Wenn aber jemand als Aktivist einer bekannten Oppositionsgruppe anläßlich einer verbotenen Demonstration inhaftiert wird, wird die Schilderung der allgemeinen politischen Situation und die Analyse und Kritik der heimatlichen Diktatur nur dazu führen, dass der Anhörer ungeduldig wird und die Anhörung an anderer Stelle verkürzt. Es ist also wichtig, in jedem Einzelfalle zu erkennen und herauszuarbeiten, was wichtig ist und deshalb unbedingt vorgebracht werden muss. Im Mittelpunkt steht dabei das, was der Flüchtling selbst, am eigenen Leib erlebt bzw. was er getan hat. Ich habe oft erlebt, dass Asylbewerber, von denen ich – durch Schilderung anderer – wusste, dass es sich um hochkarätige Oppositionelle handelte, quasi stumm beim Bundesamt saßen bzw. sich darauf beschränkten, zu erklären, dass sie der Gebietsverantwortliche der oppositionellen Gruppe X waren und die Regierung bekämpft haben. Damit meinten sie, alles Wesentliche gesagt zu haben. Denn schließlich war ihre Gruppe als Oppositionsgruppe bekannt und ebenso, dass Aktivisten dieser Organisation verfolgt werden. Manche glaubten vielleicht auch, ihre Eigenschaft, z. B. als Vorstandsmitglied, sei allgemeinkundig und garantiere die Anerkennung. Sie waren in ihrer Gruppierung angesehene Führungspersönlichkeiten und glaubten es nicht nötig zu haben, ihre Rolle hervorzukehren. Auf Nachfrage, was sie denn konkret getan hätten, kamen dann manchmal Antworten wie: „Politische Arbeit gemacht“, „alles, was dazu gehört, Demonstrationen, Flugblätter usw.“. All das genügt dem Bundesamt und den Gerichten im Regelfall nicht bzw. provoziert zumindest eine Klage durch den Bundesbeauftragten. In einem solchen Fall müssen Sie Ihrem Schützling helfen.

Erforderlich und notwendig ist es, auch in diesem Fall alle Aktivitäten detailgenau und einzeln zu schildern, wobei nicht nur die einzelnen Teilakte, wie Flugblätter herstellen, verteilen, Demonstrationen organisieren etc. genannt werden müssen, sondern auch Einzelheiten der organisatorischen Arbeit, also z. B. der Wahl zum Vorsitzenden, der Organisationsstrukturen usw. Je ausführlicher, plastischer und detailgenauer diese Schilderung ist, desto glaubhafter wird sie. Eine detailgenaue Schilderung steigert das Gewicht der Aussage, weil sie auch im subjektiven Empfinden der Zuhörer die Bedeutung des Flüchtlings und seine Rolle hervorhebt.

Wichtig ist auch, dass die Schilderung exakt ist. Der Asylsuchende muss unterscheiden zwischen dem, was er selbst getan oder erlebt hat und zwischen dem, was ihm von dritten Personen mitgeteilt wurde oder was er ganz allgemein weiß. Die Aussage „Ich habe dann einen Pass beantragt und einen Fluchthelfer organisiert, dem ich 2.000 $ bezahlt habe“ wird üblicherweise so verstanden, dass er selbst bei den zuständigen Behörden einen Passantrag eingereicht hat und selbst dem Schlepper 2.000 $ gezahlt hat. Ergibt sich aus dem späteren Verlauf jedoch, dass er gesucht war und deshalb gar nicht persönlich einen Pass beantragen konnte und dass nicht er, sondern ein Parteigenosse oder Verwandter den Schlepper organisiert hat und nach seinen Angaben dafür 2.000 $ bezahlt hat, ist der erste Widerspruch gesät. Es macht dann später viel Mühe, diesen Widerspruch aufzuklären und die durch die Widersprüchlichkeit erschütterte Glaubwürdigkeit wiederherzustellen.

Ganz wichtig ist es, bei den Zeitangaben präzise zu sein. Wenn ein konkretes Datum genannt ist, muss dieses stimmen. Gleiches gilt für Zeiträume, also etwa die Zeit einer Inhaftierung. Bei Unsicherheit über einen genauen Zeitpunkt darf sich der Flüchtling nicht auf ein genaues Datum festlegen lassen, auch wenn er dazu gedrängt wird. Besser ist eine ungefähre Angabe („im Sommer“), als ein präzises Datum, das sich dann später als unrichtig erweist. Es ist leichter, Verständnis dafür zu erzielen, dass ein politisch Verfolgter keine präzisen Angaben machen kann, als umgekehrt darzulegen, dass jemand, der präzise, aber nachweislich falsche Zeitangaben gemacht hat, trotzdem glaubwürdig ist.

Bei der Anhörung müssen auch Dinge zur Sprache kommen, die der Flüchtling lieber verschweigen möchte. Manchmal will der Flüchtling bestimmte Angaben nicht machen, weil er befürchtet, dadurch andere Personen in Gefahr bringen zu können. Wenn dies der Fall ist, soll er dies klipp und klar sagen und auf seinem Standpunkt auch dann beharren, wenn ihm versprochen wird, dass das Bundesamtsprotokoll niemand zu sehen bekommt. Eine solche Festigkeit schadet nicht, weil die Wahrheit ja auch tatsächlich anders aussieht. Denn das Bundesamtsprotokoll wird ja durchaus nicht nur vom Dolmetscher gelesen, sondern später auch vom Richter und dem Gerichtspersonal, manchmal auch vom Ausländeramt und Geheimdiensten. Auch wenn die Vertraulichkeit der Anhörung grundsätzlich und insgesamt wohl noch gewahrt ist, wird ein vernünftiger Entscheider und Richter eine solche Haltung akzeptieren. Gleichwohl sei nicht verschwiegen, dass dies manchmal nicht der Fall ist und die Weigerung, weitere erwünschte Detailinformationen zu geben, auch zu Lasten des Flüchtlings gehen kann.

Anders ist dies Situation, wenn der Flüchtling aus Scham oder anderen persönlichen Motiven mit der Sprache nicht herausrücken will. Vielen Menschen ist es nicht möglich, über traumatische Erlebnisse zu sprechen, weil dann die alten Wunden wieder aufbrechen. Vielen Menschen ist es unmöglich, über sexuelle Übergriffe – zumal in der oft verlangten Detailgenauigkeit – zu sprechen. Manchmal verbieten auch Ehrenkodizes oder kulturelle Normen die Darlegung, oft die Anwesenheit fremder Menschen oder, noch öfter, die Anwesenheit des Ehemannes oder von Kindern. Wenn Sie den Eindruck haben, dass derartiges der Fall ist, sollten Sie versuchen, einerseits durch technische Regelungen die Bedingungen zu verbessern, also z. B. darauf zu drängen, dass die Frau alleine angehört wird, dass ein weiblicher Dolmetscher und eine Anhörerin die Anhörung durchführen oder in sonstiger Weise versuchen, diese Hürden zu überspringen. Ich erinnere beispielsweise an den Fall eines jungen Mädchens, das bei der Anhörung zwischen den Zeilen anklingen ließ, dass sie sexuell belästigt worden war. Sie war zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung mit einem Dolmetscher und ihrem Vater in meinem Büro erschienen und konnte, auf diesen Aspekt angesprochen, buchstäblich kein Wort über die Lippen bringen. Ich habe dann den Vater hinausgeschickt, was dazu führte, dass sie immerhin erklärte, es habe einen Vorfall gegeben. Mehr brachte sie auch jetzt noch nicht heraus, vielleicht, weil es sich bei dem mitgebrachten Dolmetscher um einen Mann handelte. Da eine Dolmetscherin nicht beschaffbar war, habe ich der Mandantin vorgeschlagen, sie solle doch niederschreiben, was sie erlebt habe, der Dolmetscher solle dies später übersetzen; wir bräuchten über die Sache dann wohl nicht mehr zu sprechen. Glücklicherweise erwies sich dies dann, nachdem ich ihr versprechen musste, dem Vater hiervon nichts zu berichten und auch den Dolmetscher diesbezüglich vergattert hatte, als gangbarer Weg.

Wenn Sie den Eindruck haben, dass ein traumatisierendes Ereignis vorliegt, sollten Sie dies schon in der Vorbereitung in den Blick nehmen und versuchen, dem Flüchting die Wichtigkeit gerade dieser Erlebnisse zu erläutern. Vielleicht gelingt es Ihnen, den Flüchtling zumindest dahin zu bringen, dass er den tabuisierten Bereich anspricht oder zumindest andeutet. Ist man an einen solchen Punkt gelangt, muss man sich überlegen, was man tun kann, um dem Flüchtling zu seinem Recht zu verhelfen: Geht es um Frauenschicksale, hilft es manchmal schon, wenn der männliche Anhörer durch eine Frau ersetzt wird. Steht Folter im Raume, kann man verlangen, dass eine/r der darauf geschulten Anhörer des Bundesamtes die Anhörung fortsetzt. Mittlerweile gibt es solche speziell ausgebildeten Anhörer bzw. Anhörerinnen für Frauen, misshandelte Personen und Minderjährige, die nach einer internen Anordnung des Bundesamtes die Anhörung fortsetzen, wenn dies vom Flüchtling gewünscht wird. Hierauf hat er ein Recht! Oft ist es auch leichter, das, was man nicht sagen kann, niederzuschreiben, weil man dann seine „Schande“ nicht laut verkünden muss. Manchmal hilft dieser Trick weiter. Oft braucht es ärztliche oder psychologische Unterstützung, die Sie dann auch organisieren sollten.

Wenn Sie als Beistand an der Anhörung teilnehmen und an einem solchen Punkt angelangt sind, Ihr Klient – oder öfter die Klientin – nicht weiter kann und z. B. weint, sollten Sie unbedingt darauf drängen, dass auch diese averbalen Äußerungen protokolliert werden. Dem Richter, dem später der Fall zur Entscheidung vorliegt, wird die Anhörungssituation nachvollziehbar, wenn es im Protokoll heißt: „Befragt nach den konkreten Foltermaßnahmen, die er erlitten hat, kann der Antragsteller nicht weitersprechen. Er blickt zu Boden und fängt schließlich an zu weinen. Nach Erläuterung der Wichtigkeit der Detailschilderung schreibt er seine Erlebnisse schließlich nieder (siehe Anlage 1 zum Protokoll).“ Heißt es im Protokoll am Ende nur lapidar „Der Antragsteller übergibt ein Schreiben als Anlage 1“, werden die Emotionen, die für die Glaubwürdigkeitsbeurteilung wichtig sind, nicht deutlich. Dies war nur ein Beispiel, wie man dem Flüchtling Brücken bauen kann, viele andere sind denkbar.

In manchen Fällen, gerade wenn schwere Traumata vorliegen, helfen solche Tricks nicht weiter. Die Psychologie und die Medizin lehren uns, dass schwer traumatisierte Menschen oder auch Kinder, die aus einer Verfolgungssituation in eine völlig fremde und ihnen feindlich erscheinende Welt fliehen mussten, oft nicht zum sprachlichen Ausdruck finden oder nicht konsistent vortragen können. In diesen Fällen ist ein späterer Detailvortrag unumgänglich, welcher oft erst nach psychologischer Behandlung erbracht werden kann. Gleichwohl ist es sehr hilfreich, wenn sich dann im Anhörungsprotokoll zumindest ein Ansatzpunkt dergestalt findet, dass Misshandlungen etc. erwähnt sind.

1) Die Psychologie der Anhörung

Damit sind wir bei der Psychologie der Anhörungssituation angelangt, einem sehr wichtigen Thema. Leider wird dies nach wie vor von den Bundesamtsentscheidern und vor allem von den Gerichten geringgeachtet. Sie können die Situation, in der sich ein Flüchtling nach seiner Ankunft befindet, nicht nachvollziehen. Sie meinen meist, aus dem Flüchtling müßte jetzt, wo er im „sicheren Hafen“ des Asyllandes gelandet ist, alles heraussprudeln. Sie verstehen nicht, dass jemand in der Anhörungssituation Angst haben kann.

Meine Erfahrung sagt mir, dass die Angst oft das zentrale Empfinden der Flüchtlinge bei der Anhörung ist. Ihnen ist die Situation fremd. Sie fürchten, etwas falsch zu machen, gerade weil sie sich Hilfe erhoffen. Daraus entsteht ein Anpassungsdruck, das zu liefern, was anscheinend erwartet wird, und zugleich eine Zurückhaltung, sich doch nicht zu offenbaren, weil man ja weiß, dass die meisten doch abgelehnt werden. Der Flüchtling befindet sich in einer ungeheuer schwierigen Situation. Sie können dabei schon dadurch helfen, dass Sie den Flüchtling zur Anhörung begleiten. Bitte tun Sie dies, wenn es Ihnen möglich ist. Er hat in Ihnen zumindest eine psychologische Unterstützung, weil er Ihnen vertraut und in Ihnen jemanden sieht, der auf seiner Seite steht.

Sie können auch leichter als der Flüchtling versuchen, das Klima zu entspannen, indem Sie mit dem Anhörer reden, ihn ins Gespräch ziehen und, am Rande und außerhalb des Protokolles, ihm auch persönliche Informationen mitteilen, die nicht unbedingt etwas zur Sache tun, aber die Person des Antragstellers vorstellen. Wenn Sie z. B. erzählen, dass Sie eigentlich nicht mitkommen wollten, weil Sie ja berufstätig sind und dass Sie sich trotzdem extra freigenommen haben, weil Sie gesehen haben, dass der Flüchtling die letzten zwei Nächte nicht mehr geschlafen hat und alle in seiner Umgebung verrückt gemacht hat, ist zumindest die Basis für ein Verständnis mancher Reaktionen gelegt. Wichtig ist Ihre Teilnahme auch deshalb, weil es manchmal unvermeidlich ist, einen Streit vom Zaun zu brechen. Ich erinnere mich an eine Anhörung, bei der der Anhörer zwar aufgenommen hat, dass der Asylbewerber angab, gefoltert worden zu sein, dass er sich aber weigerte, die Einzelheiten der Folterung zu protokollieren. „Das kennen wir ja schon, wir wissen doch, wie in türkischen Gefängnissen gefoltert wird“, war seine Begründung. Erst eine massive Intervention verbunden mit der Drohung, den Raum zu verlassen und mich beim Vorgesetzten zu beschweren, führte dann dazu, dass die Einzelheiten, die der Mandant erzählen konnte, protokolliert wurden. Ich habe darauf bestanden, weil ich weiß, dass die bloße Angabe, in der Haft gefoltert worden zu sein, meist untergeht und später, bei Gericht nachgefragte Details dann als ‘gesteigertes Vorbringen’ abgetan werden können. Sie müssen deshalb darauf drängen, dass solche, später wichtigen Angaben, auch dann aufgenommen werden, wenn der Anhörer erklärt, dies sei nicht nötig, weil er dem Flüchtling ja schon glaube, ja sogar dann, wenn er erklärt, für ihn laufe alles auf eine positive Entscheidung hinaus. Eine solche Aussage ist leider nicht verläßlich. Selbst wenn der Anhörer dies in dem Moment glaubt, kann es sein, dass er es sich nach der Lektüre des Protokolles bei der erst später geschriebenen Entscheidung anders überlegt (weil er die konkrete Anhörungssituation nicht mehr in Erinnerung hat), weil ein anderer nur auf der Grundlage des Protokolls und ohne persönlichen Eindruck den Fall beim Bundesamt entscheidet oder dass der Bundesbeauftragte wegen der „dürftigen Angaben ohne Detailschilderungen“ Klage gegen eine positive Entscheidung einreicht.

2) Die Protokollierung

Streit gibt es auch oft um die Protokollierung. Das Protokoll beim Bundesamt ist kein Wort-Protokoll. Meist lässt der Anhörer den Flüchtling reden und fasst seine Aussage zusammen. Dabei fallen manchmal, auch ohne bösen Willen, später wichtige Aspekte oder Details unter den Tisch. Beharren Sie deshalb darauf, dass Ihnen wichtig erscheinende Gesichtspunkte aufgenommen werden. Bestehen Sie darauf, dass der Anhörer die Fragen und Antworten sorgfältig, nicht summarisch, protokolliert. Es ist besser, über die Protokollierung einer Aussage zu streiten und – notfalls mit der Drohung, das Protokoll nicht zu unterschreiben – darauf zu drängen, dass alles, was Ihnen bzw. dem Flüchtling wichtig erscheint, auch aufgeschrieben wird, als später mit dem Vorwurf einer dürftigen Aussage als unglaubwürdig dazustehen. Der Anhörer will ein unterschriebenes Protokoll. Ist es nicht unterschrieben, dokumentiert dies, dass der Flüchtling mit dem Inhalt des Protokolls nicht einverstanden ist, dass es also Streit bezüglich der Protokollierung gab. Dem Antragsteller kann dann später weder der Vorwurf der Widersprüchlichkeit, noch des gesteigerten Vorbringens gemacht werden. Ein unterschriebenes Protokoll kann dagegen praktisch nicht mehr korrigiert werden, weil am Ende die Floskel enthalten ist, dass der Vortrag vollständig und richtig ist.

Meist lässt der Anhörer den Flüchtling berichten und fasst dann den Vortrag abschnittsweise zusammen. In diesem Fall bekommen Sie mit, was protokolliert ist. Sie können sogleich intervenieren. Manche Anhörer schreiben die Angaben des Flüchtlings jedoch nieder, diktieren sie im Anschluss an die Anhörung und teilen das Protokoll erst dann, wenn es geschrieben ist, also nach einigen Stunden des Wartens, dem Flüchtling mit. Da Sie nicht wissen, wie der Anhörer die Aussagen des Asylsuchenden zusammenfasst, müssen Sie dann die Last auf sich nehmen, ebenfalls zu warten. Einfacher ist es natürlich, wenn Sie mit dem Anhörer bei einer solchen Fallkonstellation einen konkreten Termin zur Verlesung (und anschließenden Unterzeichnung) des Protokolls vereinbaren können, beispielsweise am nächsten Tag. Möglich ist auch, zu vereinbaren, dass Ihnen das Protokoll zugeschickt wird. Lesen Sie es dann gemeinsam mit Ihrem Schützling durch, nehmen Sie eventuelle Korrekturen vor und senden Sie es dann unterschrieben zurück. Versuchen Sie dies einfach! Die Anhörer sind keine Unmenschen, sondern meist durchaus kooperativ. Den wenigen, die es nicht sind, sollten Sie vorher schon die Zähne gezogen haben, indem sie dem erforderlichen Streit nicht aus dem Weg gegangen sind und so Ihre Vorstellungen von der Protokollführung durchgesetzt haben.

Gelegentlich ist auch zu beobachten, dass das Bundesamt Protokolle nicht sofort fertigt und auch nicht unterzeichnen (geschweige denn rückübersetzen) lässt, sondern diese erst mit der (meist negativen) Entscheidung zusendet. Ich halte dies für kein ordnungsgemäßes Verfahren. Wenn Sie an der Anhörung teilnehmen, sollten Sie darauf bestehen, dass das Protokoll dem Flüchtling vor der Entscheidung zur Kenntnis gegeben wird und von diesem auch durch Unterschrift gebilligt wird. Eine Blanko-Unterzeichnung des Protokolles – mit dem Argument, Sie haben ja gehört, was ich diktiert habe – ist ebenfalls nicht sachgerecht. Sie sollten an einem solchen Verfahren nicht mitwirken, sondern auf dem korrekten Prozedere beharren. Auch wenn Sie sich dabei möglicherweise nicht durchsetzen (letztlich bestimmt der Anhörer, wie er die Anhörung durchführt), kann später im gerichtlichen Verfahren überzeugend dargelegt werden, dass das Verfahren nicht korrekt war, dass eine Rückübersetzung verweigert wurde und dass damit ein später anderslautender Vortrag nicht notwendigerweise einen Widerspruch darstellt, sondern möglicherweise auf einem Irrtum oder einer falschen Protokollierung beruht.

All diese Ratschläge helfen natürlich nichts, wenn der Flüchtling erst zu Ihnen kommt, wenn er bereits angehört wurde. In diesem Falle bleibt nichts anderes übrig, als mit dem Flüchtling das bereits vorhandene Protokoll auf Vollständigkeit und Richtigkeit durchzusprechen. Sind Sie der Auffassung, dass wesentliche Aspekte nicht oder falsch geschildert sind, sollten, wenn noch keine Entscheidung vorliegt, notwendige Korrekturen dem Bundesamt sofort mitgeteilt werden. Es wäre ein Fehler, diese Berichtigungen erst dem Gericht zu unterbreiten.

3) Wesentlicher Inhalt des Protokolls

Die wesentlichen Dinge, die mitgeteilt und protokolliert werden müssen, sind:

– Eine vollständige Schilderung der Erlebnisse, die zur Flucht geführt haben. Nicht ausreichend ist ein Hinweis auf die allgemeine Situation im Herkunftsstaat, die der Flüchtling oft als bekannt voraussetzt. Stets sollte die allgemeine Situation geschildert werden (auch wenn dies oftmals auf den Unwillen des Anhörers stößt), soweit der Flüchtling hiervon betroffen war oder ist. Selbstverständlich müssen jedoch Schwerpunkte im persönlichen Bereich gesetzt werden. Entscheidend sind dabei zunächst die die Flucht auslösenden Erlebnisse, die unbedingt konkret unter Angabe des Zeitpunktes oder Zeitraumes dargestellt werden sollten, sofern dies möglich ist. Bei Unsicherheit über den genauen Zeitpunkt darf sich andererseits der Flüchtling nicht festlegen lassen. Besser ist eine ungefähre Angabe („im Sommer“), als ein präzises Datum, das sich später als unrichtig erweist. Auch wenn die eigenen Erlebnisse im Mittelpunkt der Darstellung stehen sollten, sind die vorangegangenen Geschehnisse meist ebenfalls zum Verständnis erforderlich. Die Mitgliedschaft in einer bestimmten politischen Partei, die Zugehörigkeit zu einer bestimmten religiösen oder ethnischen Gruppe, sind ebenso von Belang wie Erlebnisse von Familienmitgliedern, ja selbst von Vorfahren, wenn ein Zusammenhang zum konkreten Fluchtschicksal besteht. Auch hier wird der Flüchtling oftmals den Unwillen des Anhörers spüren, wenn dieser, wie so oft, behauptet, auf das Schicksal des Vaters komme es nicht an. Möglicherweise aber ist gerade die Tatsache, dass die ganze Familie schon seit Generationen in Opposition zur herrschenden Regierung stand, der für die Asylberechtigung entscheidende Gesichtspunkt. Es kommt darauf an, klarzumachen, warum und dass der Asylbewerber sein Heimatland verlassen hat und in Deutschland Schutz sucht. Dies muss nachvollziehbar und möglichst lebendig herüberkommen.

– Auch der Fluchtweg ist von großer Bedeutung. Das Bundesamt befasst sich am Anfang der Anhörung schwerpunktmäßig damit. Dies hat zum einen die Funktion, festzustellen, ob der Flüchtling über einen sicheren Drittstaat eingereist ist, weil dies das Asylrecht des Art. 16 a GG ausschließt. Zum zweiten hat die Schilderung des Fluchtweges aber auch die Funktion, Anhaltspunkte zu finden, um den Flüchting als unglaubwürdig darstellen zu können. In zahlreichen Bundesamtsbescheiden kann man nachlesen, dass der Flüchtling deshalb unglaubwürdig sei, weil er ja schon über den Reiseweg und die Modalitäten der Einreise die Unwahrheit gesagt habe. So habe er beispielsweise behauptet, der Pass sei ihm vom Schlepper abgenommen worden, was aber schon deshalb unglaubwürdig sei, weil dies alle behaupten würden.

Abgesehen davon, dass diese Bewertung falsch ist (jedermann weiß, dass Fluchthilfeorganisationen einerseits aus eigenem Schutzinteresse – die verhängten Strafen für Fluchthelfer sind drastisch hoch –, andererseits auch aus Geschäftsinteresse – Pässe sind viel wert – so verfahren), ist es richtig, dass nachweislich falsche Angaben über den Fluchtweg ein Indiz für die Glaubwürdigkeit auch des übrigen Vortrages sein können. Es braucht guten Willen, um zu differenzieren, dass jemand, der aus nachvollziehbaren Gründen (Drittstaatenklausel, Drohung durch Schlepper, Fehlinformation durch Landsleute etc.) den Fluchtweg verschleiert, nicht auch hinsichtlich der Fluchtgründe lügt. Viele sind zu einer solchen Differenzierung nicht bereit oder in der Lage. Aus diesem Grunde ist es wichtig, auch auf die Angaben zum Fluchtweg sein Augenmerk zu richten.

– Von Bedeutung ist auch der persönliche Werdegang des Flüchtlings.

Am Anfang der Anhörung werden scheinbar belanglose Fragen zur familiären Situation und insbesondere zur Schul- und Ausbildung und zur Berufstätigkeit des Flüchtlings gestellt. Manchmal ergibt sich dann später, bei den Fluchtgründen, ein Widerspruch, etwa, weil der Flüchtling angegeben hat, dass er bis zur Ausreise gearbeitet hat. Gibt er später an, dass er bereits vor seiner Flucht längere Zeit in Haft war und sich nach seiner Freilassung noch versteckt hat, existiert schon ein scheinbarer Widerspruch zwischen den tabellarmäßigen Erfassungen auf den ersten Seiten des Protokolls und den inhaltlichen Ausführungen später. Es macht viel Mühe, später zu erklären, dass hierin kein Widerspruch liegt, sondern dass der Flüchtling schon bei der tabellarischen Erfassung angemerkt hat, dass er zwischenzeitlich inhaftiert war und sich dann versteckt hielt. Manche Richter wollen hierin einen Widerspruch sehen, der nicht aufgelöst werden kann. Bitte beharren Sie daher darauf, dass auch bei der tabellarischen Erfassung dieser Daten angemerkt wird (etwa durch ein Sternchen mit Erläuterung), dass dies nur vorbehaltlich der nachstehenden Erläuterungen bzw. Haftzeiten gilt oder durch eine einleitende Klarstellung zu Beginn des inhaltlichen Protokolls.

– Politische Aktivitäten des Flüchtlings in Deutschland sind als Nachfluchttatbestände meist von großem Gewicht. Wenn der Asylbewerber also auch in Deutschland gegen seinen Heimatstaat aktiv ist oder zumindest Kontakt zu seiner Partei oder Gruppe hält, sind auch diese Angaben unbedingt zu machen und soweit wie möglich zu belegen (Fotos, Flugblätter, Zeugenaussagen, Veröffentlichungen, Zeitungsberichte etc.). Für derartige „Nachfluchtaktivitäten“ muss der Flüchtling den vollen Beweis erbringen.

– Soweit Beweismittel existieren, sind diese unbedingt vorzulegen. Beweismittel sind neben Haftbefehlen, Gefängnisentlassungsscheinen und ähnlichen Dokumenten auch scheinbar für das Fluchtschicksal unwichtige Papiere wie Heiratsurkunden. Im Einzelfalle, beispielsweise dann, wenn der Flüchtling berichtet, dass er die Schule abbrechen musste, können auch Schulzeugnisse und Arbeitspapiere von Belang sein, weil sich aus ihnen z. B. ergibt, dass die Schilderung des Flüchtlings, dass er die Hochschule nicht beenden durfte und statt dessen als Verkäufer arbeiten musste, der Wahrheit entspricht. Höchst wichtig sind natürlich auch Mitgliedsausweise von politischen Organisationen oder andere Dokumente über eine politische Aktivität. Auch Briefe aus der Heimat sind Mosaiksteinchen, obwohl solchen Dokumenten kein allzu großes Gewicht beigemessen wird, weil sie vom Flüchtling „bestellt“ sein können.

Die wichtigsten Beweismittel, die in der Praxis viel zu selten angeführt werden, sind jedoch Zeugen. Oftmals kann der Flüchtling andere Personen benennen, die entweder ebenfalls im Bundesgebiet als Asylbewerber leben oder in anderen Staaten Zuflucht gefunden haben. Da das Bundesamt trotz bestehender gesetzlicher Verpflichtung keine Zeugenanhörung durchführt, müssen schriftliche Erklärungen dieser Personen vorgelegt werden, zumindest aber sollten ihre Namen und Anschriften bekanntgegeben werden.

– Entscheidend ist, ob der Sachvortrag des Asylbewerbers als glaubwürdig eingeschätzt wird. Dies hängt zum einen von der allgemeinen Situation im Herkunftsstaat, zum anderen von der Glaubwürdigkeit des individuellen Vortrages ab. Diese ergibt sich nicht nur aus vorgelegten Beweismitteln und einem schlüssigen Vortrag, sondern auch aus psychologischen Faktoren. Manchmal erscheint gerade der perfekte Vortrag als unglaubhaft, weil er mit der konkreten Person nicht in Einklang zu bringen ist. Umgekehrt kann auch ein stockender und bei Nebenfragen widersprüchlicher Vortrag zur Anerkennung führen, wenn die Person insgesamt einen glaubwürdigen Eindruck macht. Versuchen Sie daher nicht, den Flüchtling auf ein bestimmtes Verhalten zu trimmen, sondern versuchen Sie, seiner Persönlichkeit gerecht zu werden.

Vielfach kursieren unter Asylbewerbern Gerüchte, welcher Vortrag zum Erfolg führt. Manche Flüchtlinge erliegen dann der Versuchung, bestimmte Umstände anders als wahrheitsgemäß darzustellen oder auch später „nachzubessern“. Sie übersehen dabei, dass kaum ein Mensch so gut „lügen“ kann, dass er die Lüge durch das gesamte Verfahren durchhalten kann. Meist verstricken sich die Menschen in Widersprüche, oft fehlt es dann an Details oder einzelne geschilderte Erlebnisse stehen im Widerspruch zu anderen. Bei einem Nachbessern droht die Gefahr, dass der gesamte Vortrag als sogenannter gesteigerter Vortrag als unglaubwürdig angesehen wird.

Wenn Sie den Eindruck haben, dass Ihr Schützling diesen Versuchungen erlegen ist oder erliegen könnte, sprechen Sie ihn darauf offen an und raten Sie ihm, von falschen Angaben ebenso abzusehen wie von Übertreibungen. Der wahrheitsgemäße Vortrag mit nicht so schwerwiegenden Verfolgungen führt leichter zum Erfolg als ein übertriebener.

Tipp

  1. Die Anhörung durch das Bundesamt ist der wichtigste Vorgang im Rahmen des behördlichen Asylverfahrens. Versuchen Sie dies Ihrem Schützling klarzumachen und bereiten Sie ihn auf die Anhörung vor.
  2. Falls möglich, begleiten Sie ihn als Beistand.
  3. Achten Sie darauf, dass alle wichtigen Punkte zur Sprache kommen und protokolliert werden. Verlassen Sie sich nicht auf Versprechen des Anhörers, möglicherweise entscheidet er später die Sache doch nicht. Achten Sie auch darauf, dass Gefühlsausbrüche (z. B. Weinen, Schweißausbruch, Unfähgkeit weiterzureden) im Protokoll festgehalten werden.
  4. Wenn Sie mit der Protokollierung nicht einverstanden sind – also z. B. nach Ihrer Auffassung falsch protokolliert ist oder wichtige Teile fehlen –, beharren Sie auf einer Korrektur. Ist der Anhörer hierzu nicht bereit, raten Sie Ihrem Schützling, das Protokoll nicht zu unterschreiben.
  5. Beharren Sie in jedem Fall darauf, dass das Protokoll dem Asylbewerber nochmals – und vor der Entscheidung – zur Kenntnis gebracht wird. Bringen Sie Korrekturwünsche sofort an!

VI) Mitwirkungspflichten

Das Gesetz hat in § 15 AsylVfG eine Reihe von Mitwirkungspflichten festgelegt. Ein Verstoß gegen bestimmte Mitwirkungspflichten führt nunmehr gemäß § 30 III AsylVfG bei einem unbegründeten Antrag zwingend zur Ablehnung als „offensichtlich unbegründet“. Wegen der hiermit einhergehenden Verkürzung der Rechtsmittel- und Ausreisefristen ist dies von großer Bedeutung.

Bezüglich der einzelnen Mitwirkungspflichten wird auf den Gesetzestext verwiesen. Für das materielle Asylrecht von großer Bedeutung ist die Bestimmung des § 15 II Nr. 5 AsylVfG zur Vorlage aller relevanter Dokumente und die Bestimmung des § 15 II Nr. 1 AsylVfG, Angaben auf Aufforderung auch schriftlich zu machen. Gelegentlich wird diese Bestimmung dazu missbraucht, das Verfahren nach § 33 AsylVfG einzustellen. Bitte raten Sie daher Ihrem Schützling unbedingt, Anschreiben des Bundesamtes umgehend zu beantworten bzw. sie Ihnen sofort zu zeigen.

1) Umfang der Mitwirkungspflichten

Vor der eigentlichen Anhörung zum Asylbegehren wird der Asylbewerber nach dem Reiseweg gefragt. Diese Befragung hat den Zweck, abzuklären, ob eine anderweitige Sicherheit in einem Drittstaat bestand oder der Flüchtling durch einen sicheren Drittstaat eingereist ist, mit der Konsequenz, dass das Asylbegehren nach § 29 AsylVfG als unbeachtlich gewertet wird.

Ist er nicht im Besitz eines Heimatpasses, wird ihm oft schon vor der Anhörung ein Formular vorgelegt, mit dem er die Ausstellung eines Heimatpasses beantragen soll. Auch Lichtbilder werden vom Flüchtling gefertigt, teilweise unter Verwendung der heimatüblichen Bekleidung (Schador oder Schleier bei Frauen). Abgesehen davon, dass ich zu diesem Zeitpunkt das Ansinnen, für Heimreisedokumente zu sorgen, nicht nur als menschlich unerträglich sondern auch rechtlich fragwürdig erachte, gilt es festzuhalten, dass jedenfalls die zwangsweise Mitwirkung an derartigen Repatriierungsmaßnahmen nicht verlangt werden kann. Es gehört nicht zu den Pflichten einer Asylbewerberin aus einem islamischen Staat, die Asyl gerade deshalb begehrt, weil sie in ihren Menschenrechten als Frau von der dortigen Rechts- und Sittenordnung verletzt wird, sich anläßlich ihres Asylantrages im Schador fotografieren zu lassen. Dass das Bundesamt diese Praxis verteidigt, macht zumindest eines deutlich: Es sieht sich mehr den Interessen des Staates an einer reibungslosen Rückführung, als den Interessen der Flüchtlinge an der Achtung ihrer Menschenwürde verpflichtet. Die gesetzliche Verpflichtung in § 43 b AsylVfG, die Heimreisedokumente zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu beschaffen, kann auch so verstanden werden, dass vorher eine Entscheidung nach §§ 34 ff AsylVfG vorliegen muss. Dies folgt schon aus der Gesetzessystematik. Die gesetzliche Regelung ist jedenfalls nicht eindeutig. Nur eine solche Auslegung entspricht dem Wesen des Asylrechtes und der Menschenwürde!

2) Sprachanalyse und Mitwirkungspflichten

Unter dem Stichwort der Mitwirkungspflichten rechtfertigt das Bundesamt auch die sogenannten Sprachanalysen. Das Bundesamt befragt dabei Asylbewerber in ihrer (angeblichen) Heimatsprache zu allgemeinen Themen, aber auch etwa zu geographischen und politischen Verhältnissen im behaupteten Herkunftsstaat. Die Tonkassetten werden dann angeblichen Sprachkundigen zur Auswertung übersandt. Ziel dieser Sprachanalysen ist es, Aufschluß über den tatsächlichen Herkunftsstaat zu erhalten. Zwar entspricht es der bisherigen Praxis, den Asylbewerbern ein Papier vorzulegen, wonach sie an der Sprachanalyse freiwillig teilnehmen, gleichwohl hat das Bundesamt stets den Standpunkt bezogen, dass die Sprachanalysen durch die Mitwirkungspflichten gerechtfertigt seien. Ich halte dies für fragwürdig, weil der eigentliche Zweck der Sprachanalysen ja nicht darin besteht, „bei der Aufklärung des Sachverhalts“, also des asylrelevanten Sachverhaltes, mitzuwirken, sondern darin, herausfinden, in welches Land der Flüchtling abgeschoben werden kann. Allerdings sei eingeräumt, dass man über diese Rechtsmeinung streiten kann.

Nicht streiten kann man hingegen darüber, dass die Sprachanalysen, wie sie bisher vom Bundesamt durchgeführt worden sind, von höchst zweifelhaftem Wert sind. Nur vereinzelt werden wirkliche Wissenschaftler mit diesen Sprachanalysen betraut, meist verfassen sie anonyme Sprachdienste oder Dolmetscher als selbsternannte Koryphäen. Die so erstellten „Sprachanalysen“ sind meist lächerliche Formblätter mit einem dürftigen Inhalt ohne jeglichen wissenschaftlichen Aussagewert. Sie sind das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben sind. Ihre eigentliche Funktion dürfte denn auch weniger darin liegen, die Herkunft des Flüchtlings herauszubekommen, als grundsätzlich neue Wege auszuprobieren. Dahinter steckt die Utopie einer Objektivierung des Fluchtschicksals unabhängig von dem individuellen Vortrag: Sprache, kultureller und ethnischer Habitus, kulturelle und geographische Kenntnisse, irgendwann vielleicht auch einmal das Aussehen oder sogar Gene sollen die Schwachstellen des subjektiven Vortrags und der ebenfalls subjektiven Rezeption diesen Vortrags eliminieren. Irgendwann wird man dem Flüchtling sagen: „Sie sind kein Hutu, die haben andere Gene!“

Es hat wenig Sinn, sich dem fragwürdigen Sprachtest zu verweigern, wenn er vom Bundesamt angeordnet wird. Im Falle der Weigerung käme wahrscheinlich eine offensichtlich-unbegründet-Entscheidung heraus, die viele der Richter dann auch bestätigen würden, weil man sich ja der Möglichkeit, die vorhandenen Zweifel auszuräumen, entzogen hat. Ich rate daher dazu, sich einem angeordneten Sprachtest nicht zu verweigern.

Umgekehrt jedoch besteht keinerlei Anlaß, freiwillig einen solchen Sprachtest beim Bundesamt durchzuführen. Sollte Ihrem Klienten das entsprechende Formblatt vorgelegt werden, raten Sie ihm davon ab, dieses Formblatt zu unterzeichnen. Das Bundesamt muss dann überlegen, ob es auf der wackeligen Rechtsgrundlage des § 15 AsylVfG den dubiosen Sprachtest zwangsweise durchführt.

Wurde ein Sprachtest nicht durchgeführt, der Asylantrag jedoch gleichwohl als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, weil das Bundesamt der Auffassung ist, der Flüchtling komme aus einem anderen Staat, kann man im gerichtlichen Eilverfahren die Unterlassung des Sprachtestes als fehlende Aufklärung rügen. Es ist nicht einzusehen, dass in manchen der Zweifelsfälle das Bundesamt Sprachtests durchführt – wie zweifelhaft sie auch immer sein mögen – und in anderen Fällen einen Sprachtest unterlässt und sich auf den eigenen Hausverstand verlässt. Entweder sind die Sprachtests eine sinnvolle Möglichkeit zur Wahrheitserforschung – dann müssen sie bei allen vergleichbaren Fällen eingesetzt werden – oder sie sind, was ich vermute, ein pseudowissenschaftliches Hobby einiger leitender Köpfe des Bundesamtes – dann ist diese Geldverschwendung zu unterlassen.

3) Mitteilungspflicht der Adresse

Im Zusammenhang mit den Mitwirkungspflichten ist auch auf § 10 AsylVfG hinzuweisen. Nach § 10 I AsylVfG hat der Ausländer während der Dauer des Asylverfahrens vorzusorgen, dass ihn Mitteilungen des Bundesamtes stets erreichen. Er hat jeden Wechsel seiner Anschrift dem Bundesamt unverzüglich anzuzeigen. Jeder Asylbewerber soll über diese Bestimmung zu Beginn seines Verfahrens schriftlich belehrt werden (§ 10 VII AsylVfG).

Diese Bestimmung hat in der Vergangenheit dazu geführt, dass das Bundesamt eine Vielzahl von Verfahren eingestellt hat, weil der Betroffene nicht erreichbar war und seiner Mitwirkungspflicht nicht genügt hat. Das Bundesverfassungsgericht hat damit getriebenem Missbrauch einen Riegel vorgeschoben. Verlangt ist nunmehr nicht nur, dass der Flüchtling allgemein über seine Pflichten belehrt wird, sondern auch in einer ihm verständlichen Sprache und unter Erläuterung der Verwaltungsstrukturen. Die Belehrung muss so umfassend sein, dass der Flüchtling von seinem Horizont aus begreifen kann, unter welchen Umständen die Pflicht zur Adressenmitteilung eingreift.

Die geänderte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes hat zum einen bewirkt, dass das Bundesamt von der Möglichkeit der Verfahrenseinstellung bei versäumter Anschriftenmitteilung nur noch in Ausnahmefällen Gebrauch macht und diese Vorschrift nicht mehr systematisch missbraucht. Andererseits ist das Bundesamt dazu übergegangen, nunmehr einen Textbaustein zu verwenden, wonach der Asylbewerber in seiner Sprache und ihm verständlich belehrt worden sei. Natürlich bedeutet die Verwendung eines Textbausteines noch nicht, dass der Flüchtling tatsächlich ordnungsgemäß belehrt worden ist und auch wirklich alles verstanden hat.

Bitte drängen Sie daher Ihren Schützling nach wie vor, jede Adressenänderung dem Bundesamt mitzuteilen oder tun Sie es für ihn. Wenn Sie in einer Unterkunft arbeiten, scheuen Sie sich nicht, routinemäßig alle Neuzugänge dem Bundesamt zu melden. Ich weiß, dass das Bundesamt in einer Vielzahl von Fällen diese Meldungen mit einem Formularschreiben zurückschickt, wonach ohne Angabe des Aktenzeichens eine Zuordnung nicht möglich sei. Möglicherweise sind Sie dann zunächst frustriert; gleichwohl können Sie damit später vor Gericht nachweisen, dass der Flüchtling durch diese Meldung seinen Verpflichtungen nachgekommen ist. Die Mühe hat sich dann doch gelohnt.

Es ist nicht erforderlich, diese Mitteilung mit Einschreiben abzusenden. Das Problem liegt nicht darin, dass das Bundesamt die Post nicht erhält, sondern darin, dass die Organisation beim Bundesamt so ist, dass die Mitteilung nicht in die Asylakten gelangt. Hieran ändert auch eine Einschreiben-Sendung nichts. Auch den Gerichten ist dies zwischenzeitlich bekannt geworden, so dass Ihnen sicher geglaubt wird, wenn Sie bestätigen, dass Sie eine solche Mitteilung abgesandt haben. Wenn bekannt, sollte aber stets das Aktenzeichen des Bundesamtes angegeben sein.

Ist die Adressenmitteilung gleichwohl unterblieben und erklärt Ihr Klient glaubwürdig, dass er nicht ordnungsgemäß belehrt worden sei, muss in diesem Falle vorgetragen werden, dass trotz des entsprechenden Textbausteines im Anhörungsprotokoll die Belehrung nicht ordnungsgemäß erfolgt ist. Tatsächlich ist es eine weitverbreitete Praxis beim Bundesamt, mittels Textbausteinen angebliche Aussagen des Flüchtlings bzw. Belehrungen des BAFl in das Protokoll routinemäßig einzufügen, die jedoch nie gesagt oder nicht einmal erörtert wurden. Dies müssen Sie dem Gericht dann allerdings konkret unterbreiten.

Tipp

  1. Achten Sie darauf, dass der Schützling seinen Mitwirkungspflichten nach § 15 AsylVfG nachkommt. Die wichtigste ist die Bekanntgabe jeden Anschriftenwechsels.
  2. Zu den Mitwirkungspflichten gehört auch, im Falle des Nicht-Besitzes eines gültigen Passes an der Beschaffung eines Identitätspapieres mitzuwirken. Nach meiner Auffassung entsteht diese Verpflichtung jedoch erst, sobald ein Bescheid gemäß §§ 34 ff AsylVfG vorliegt. Wenn das Bundesamt vorher bereits die Unterschrift unter einem Passantrag oder ähnlichem verlangt, sollte man sich dagegen wehren.
  3. Unzumutbar ist insbesondere, dass sich jemand in ortsüblicher Tracht fotografieren lassen soll (Schador), wenn gerade die Ablehnung dieser Sitten Grund für das Asylbegehren ist.
  4. Ob eine Mitwirkungspflicht an einem Sprachtest besteht, ist strittig. Ihr Klient sollte sich der Anordnung eines Sprachtestes gegebenenfalls nicht widersetzen, andererseits aber auch nicht unterschreiben, dass er freiwillig daran teilnimmt.


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