Generic selectors
Nur exakte Ergenisse
Suchen in Titel
Suche in Inhalt
Post Type Selectors
04.02.1997

Prozeß zur tödlichen Abschiebung
des Nigerianers Kola Bankole am 30. August 1994
Amtsgericht stellt das Verfahren gegen
den die Abschiebung begleitenden Arzt ein
PRO ASYL: Moralische Schuld des Arztes
und des BGS steht außer Zweifel


Mit der Einstellung des Verfahrens gegen Doktor H., Arzt der Flughafenklinik und ärztlicher „Betreuer“ der Abschiebung des nigerianischen Staatsangehörigen Kola Bankole, der am 30. August 1994 in einem Lufthansa-Flugzeug gefesselt, geknebelt und nach heftiger Gegenwehr gegen seine Abschiebung mit Psychopharmaka „ruhiggestellt“ ums Leben kam, endete heute der Prozeß vor dem Amtsgericht Frankfurt.

Dazu erklärte Heiko Kauffmann, Sprecher der bundesweiten Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL: „Ungeachtet der Verfahrenseinstellung wegen geringer Schuld steht die moralische Schuld des Arztes und des Bundesgrenzschutzes außer Zweifel.“ Im Verlauf des Prozesses sei durch die Zeugenaussagen der BGS-Beamten die erschreckende Tatsache deutlich geworden, daß dem Rechtsstaat verpflichtete Beamte unter den Augen nicht einschreitender Vorgesetzter ein ganzes Arsenal privater und dienstlich nicht vorgesehener Hilfsmittel, vom privaten Knebel bis zum Autosicherheitsgurt, eingesetzt hätten, um die Abschiebung durchzuführen. Daß der Arzt dann dem nach seinen Aussagen „wie eine Wurst verschnürten“ Bankole noch eine Beruhigungsspritze gesetzt habe, bleibe unverständlich.

Kauffmann: „Alle haben agiert. Keiner hat den Tod so gewollt. Keiner hat sich aber auch geweigert, seinen Beitrag zur Gewaltanwendung zu leisten. Die Verantwortung war in viele Teile zerteilt – am Ende steht das Unbehagen, daß das Verfahren gegen die wirklich Verantwortlichen bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt eingestellt worden ist. Der Prozeß hat das verhängnisvolle Zusammenwirken von lebensbedrohender Gewaltanwendung durch den BGS und ärztlichem Versagen in allen Einzelheiten belegt.“

Die Hauptverhandlung habe darüber hinaus einen erheblichen schuldhaften Verstoß gegen ärztliche Sorgfaltspflichten belegt, indem Doktor H. durchaus mögliche Reanimationsmaßnahmen unterlassen habe. Jedoch waren Gericht, Staatsanwaltschaft und Nebenklage der Auffassung, diesem Verschulden könne durch eine Geldbuße Rechnung getragen werden.

In einer kurzen Begründung zur Verfahrenseinstellung brachte die Richterin zum Ausdruck, die Hauptverhandlung habe deutlich gemacht, daß der Bundesgrenzschutz im Zentrum der Ereignisse stand. Dessen Aktionen hätte Doktor H. zwar unter Umständen in ärztlicher Verantwortung entgegentreten müssen, jedoch sei es unangemessen, wenn er statt der am Tode möglicherweise schuldigen BGS-Beamten zur Verantwortung gezogen werde. Die Richterin wies darauf hin, daß nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme die Staatsanwaltschaft möglicherweise zu prüfen habe, ob das eingestellte Verfahren gegen BGS-Beamte wieder aufgenommen werden müsse.

Im Verlauf des Prozesses hatten als Zeugen vernommene Bundesgrenzschutzbeamte sich widersprüchlich zu der Frage geäußert, ob Knebelungen bis zum heutigen Tage noch erlaubt seien und weiter benutzt würden. PRO ASYL wird deshalb Bundesinnenminister Kanther zu einer Klarstellung auffordern, wo die Grenzen der Gewaltanwendung gegenüber Abzuschiebenden künftig verlaufen und welche Hilfsmittel unzulässig sind. Der Bundesgrenzschutz habe auch nach dem Tode von Kola Bankole Abschiebungen in einer Weise durchgeführt, daß es zu erheblichen Verletzungen der Abgeschobenen gekommen sei.


Nach oben