Internationaler Tag des Kindes am 20. September 1996
PRO ASYL: Völkerrecht endlich zugunsten
der Flüchtlingskinder anwenden
Gesetzliche Handlungspflicht angemahnt
„Das deutsche Ausländer- und Asylrecht befindet sich fünf Jahre nach der Ratifizierung der UN-Kinderrechtskonvention noch immer nicht im Einklang mit den völkerrechtlichen Normen für Flüchtlingskinder“, heißt es in einer Erklärung der Bundesarbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge, PRO ASYL, anläßlich des Weltkindertages am morgigen Freitag. Dies führe dazu, daß gerade viele der durch Flucht und die Erfahrungen von Menschenrechtsverletzung und Krieg seelisch äußerst schwer belasteten kriegstraumatisierten Kinder keine ausreichenden Hilfen in Deutschland erhielten.
„Die gesetzlich verschärften Bestimmungen des deutschen Asylrechts werden den besonderen seelischen Belastungen und Schwierigkeiten von Flüchtlingskindern in keiner Weise gerecht“, erklärte Heiko Kauffmann, der Sprecher von PRO ASYL. „Wer das Leid dieser oft völlig erschöpften und schwer traumatisierten Kinder – die unmittelbar unter dem Eindruck von Krieg, Verfolgung und Gewalt z. B. in Ruanda, Afghanistan oder Bosnien-Herzegowina zu uns gekommen sind – immer wieder erlebt, findet kein Verständnis für die absichtsvolle, gesetzlich vorgeschriebene Verweigerung von Hilfen für Flüchtlingskinder durch den Rechtsstaat!“
Obwohl Gerichte, Ausländer- und Jugendämter seit fast fünf Jahren zur Anwendung der Normen der UN-Kinderrechtskonvention verpflichtet sind, werden sie durch die Haltung des Gesetzgebers gerade im Bereich des Asylrechts und in ihrer Anwendung auf Flüchtlingskinder ständig unterlaufen, indem diese etwa in für sie aussichtslose Asylverfahren gedrängt und mit 16 Jahren für „asylmündig“ erklärt werden.
„Nach der Kritik des zuständigen UN-Ausschusses für die Rechte des Kindes an der Haltung der Bundesregierung ist der Gesetzgeber nun dringend gefordert, die überfällige und unerläßliche Anpassung des deutschen Asyl- und Ausländerrechtes an die UN-Kinderrechtskonvention endlich nachzuvollziehen, will er sich und die Bonner Menschenrechtspolitik nicht dem Vorwurf der Unglaubwürdigkeit und Kinderfeindlichkeit aussetzen“, erklärt Kauffmann. Als Leitlinien für die dringlichsten Änderungen nennt PRO ASYL vier zentrale Punkte:
- Kinderschutz im Sinne der Konvention (Artikel 1) muß bis zum Alter von 18 Jahren gewährt werden; dies muß insbesondere auch für die Flüchtlingskinder gelten (gesetzl. Änderungen des § 12 AsylVfG und § 68 AuslG).
- Den besonderen Schutzbedürfnissen aller neu eingereisten unbegleiteten Minderjährigen ist durch ein besonderes („Clearing“-) Verfahren Rechnung zu tragen, bei dem der Aspekt des Kindeswohls im Sinne des Artikels 3 der Konvention den Ausschlag für eine realistische Zukunftsplanung und -entscheidung gibt. Für die Dauer dieses Clearing-Verfahrens ist den Kindern eine Aufenthaltsbefugnis zu erteilen.
- Eine Altfallregelung für unbegleitete Flüchtlingskinder, die seit mindestens zwei Jahren in Deutschland leben;
die Ende März von den Innenministern verabschiedete sogenannte „Härtefall“- oder Altfallregelung wird den besonderen Schutzbedürfnissen und Lebensumständen dieser Gruppe nicht gerecht. - Ein Verbot der Inhaftierung von Minderjährigen zur Sicherung der Abschiebung. Über eine Rückführung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingskindern darf nur im Fall einer sorgfältigen Abklärung und Sicherstellung der Aufnahme, Betreuung und Versorgung im Heimatland entschieden werden.
PRO ASYL appelliert an Bundesregierung, Bundestag und die Kinderkommission des Deutschen Bundestages, die einstimmigen Voten aller Menschenrechtsorganisationen und Wohlfahrtsverbände, der Kirchen, der Flüchtlings- und Kinderschutzorganisationen sowie aller Experten zur Kenntnis zu nehmen und ihrer gesetzlichen Handlungspflicht endlich nachzukommen, das Völkerrecht zugunsten der Flüchtlingskinder auch in der Bundesrepublik Deutschland durchzusetzen.