30.06.1998
AP
Pro Asyl für besseren Schutz
unbegleiteter Flüchtlingskinder tlinge von Leistungskürzung
Organisation sowie Gewerkschaft Erziehung und
Wissenschaft kritisieren deutsches Asyl- und Ausländerrecht
GEW und Pro Asyl wollen Einzelfall-Entscheidungen – Süddeutsche Zeitung vom 01.07.1998
Bonn (AP) Die Hilfsorganisation Pro Asyl hat der Bundesregierung und den deutschen Behörden vorgeworfen, ihren Verpflichtungen zum besonderen Schutz von unbegleiteten Flüchtlingskindern nicht gerecht zu werden. Der Vorrang eines als „Fremdenabwehrrecht“ falsch verstandenen Asylund Ausländerrechts führe in vielen Einzelschicksalen immer wieder zu „unerträglichen Härten“, kritisierte Pro Asyl am Dienstag in Bonn gemeinsam mit der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Die beiden Organisationen forderten mit Nachdruck, das deutsche Ausländerund Asylrecht an die Völkerrechtsnormen der UN-Kinderrechtskonvention anzupassen.
Bei der Ratifizierung dieses Vertragswerks im Jahr 1992 hatte die Bundesregierung den Vorbehalt geltend gemacht, daß die Kinderrechtskonvention nationale Regelungen nicht berühren dürfe. Mit dieser Erklärung und der derzeitigen Praxis stehe Deutschland aber im klaren Widerspruch zu den Anliegen der Konvention, beklagten Pro Asyl und GEW. So sei die Bundesrepublik nach der Konvention verpflichtet, auch unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen die Einreise und den Aufenthalt zu gestatten und sie in jugendhilferechtlicher Hinsicht wie deutsche Kinder zu behandeln.
In der Praxis werde aber beispielsweise die im deutschen Recht verankerte Drittstaaten-Regelung angewandt, nach der jede Person, die aus einem sicheren Drittstaat kommt, an der Grenze zurückgeschickt wird, bemängelten die beiden Organisationen. Ohne Prüfung, ob und welchen Bedarf an Betreuung und Hilfe das Kind benötige, komme es immer wieder zu Zurückschiebungen.
Bei Minderjährigen, die weder einen Paß noch einen Identitätsnachweis besitzen und bei denen damit die Frage des Alters ungeklärt sei, seien Bundesgrenzschutz und Ausländerbehörden zudem dazu übergegangen, eine Altersfeststellung nach bloßer „Inaugenscheinnahme“ vorzunehmen, kritisierten die Organisationen weiter. Dazu seien sie aber weder geschult noch von ihrer Aufgabenstellung her geeignet. Kritik äußerten Pro Asyl und GEW auch am Ablauf des Asylverfahrens: Die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge durchliefen das gleiche Verfahren wie Erwachsene und müßten „ohne Vorbereitung, ohne Hilfe und ohne die erforderliche Behutsamkeit“ eine routinemäßige Befragung über sich ergehen lassen.
Die Organisationen verlangten neben der Anpassung des deutschen Rechts an die UNO-Kinderrechtskonvention unter anderem die Einrichtung von Clearing-Stellen in allen Bundesländern, in denen unbegleitete minderjährige Flüchtlinge unmittelbar nach ihrer Einreise Aufnahme und Unterkunft erhalten. Hier solle ihnen zunächst einmal Ruhe, Verarbeitung ihrer Erlebnisse und eine Neuorientierung ermöglicht werden, ehe dann ihre persönlichen Lebensverhältnise mit fachkompetenter Hilfe ermittelt werden.