Frankfurter Rundschau
5.11.1998
Nur wer Geld verdient, soll bleiben
Bei Asyl-Altfällen zeichnet sich strikte Regelung ab
Von Monika Kappus (Bonn)
Kommentar auf Seite 3
Ruling of old cases for refugees with long-standing stay
Nur wer Geld verdient, soll bleiben (FR 5.11.1998)
Vor den Verhandlungen der Innenminister über die Asyl-Altfallregelung deutet alles darauf hin, daß nur solche Flüchtlinge davon profitieren werden, die zumindest mittelfristig für ihren Lebensunterhalt selbst aufkommen können. Vor allem ein Vorstoß aus Rheinland-Pfalz sorgt für Unmut unter den Befürwortern einer liberaleren Lösung.
Die Bündnisgrünen wollen wenigstens erreichen, daß Flüchtlinge ein dauerhaftes Bleiberecht erhalten, die seit fünf Jahren in der Bundesrepublik lebend und alleinstehend sind. Bei Familien sollen drei Jahre reichen. Das kündigte die am Mittwoch vom Bundeskabinett zur Ausländerbeauftragten ernannte Bündnisgrüne Marieluise Beck im Gespräch mit der FR an. Der Grundsatz, daß Alleinlebende wie auch Familien eine von Sozialhilfe unabhängige Lebensführung nachweisen müssen, dürfe nicht von vorneherein zum Ausschlußkriterium werden. In Fällen, wo die Betroffenen Hilfe zum Lebensunterhalt bezögen, könnte ein befristetes Aufenthaltsrecht erteilt werden. Demnach hätten die Betroffenen dann zwei Jahre Zeit nachzuweisen, daß sie für ihren Unterhalt selbst aufkommen können. Ausnahmen sind Beck zufolge in Härtefällen etwa bei Alleinerziehenden mit kleinen Kindern oder Flüchtlingen in Ausbildung denkbar.
Unvereinbar mit den Intentionen der rot-grünen Koalitionsvereinbarung nannte Beck den Vorstoß des rheinland-pfälzischen Innenministers Walter Zuber (SPD), der zugleich Vorsitzender der Innenministerkonferenz ist. Nach Zubers Vorstellungen sollen nur diejenigen ein Bleiberecht erhalten, „die seit 1. Januar 1990 (Familien mit Kindern seit 1. Juli 1993) hier leben, ihren Lebensunterhalt und Krankenschutz selbständig sichern, Steuern und Sozialabgaben zahlen, über ausreichenden Wohnraum verfügen und nicht straffällig geworden sind“. Zuber hat das Thema für die nächste Innenministerkonferenz am 19./20. November auf die Tagesordnung gesetzt. Beck warf Zuber vor, nach dem Motto zu verfahren, „Du hast keine Chance, aber nutze sie“. Käme er mit seinen Vorstellungen durch, würde nur eine „winzig kleine Gruppe“ eine Aufenthaltsbefugnis erhalten.
Das von Otto Schily (SPD) geführte Bundesinnenministerium wertet Zubers Vorschlag nicht als offizielle Vorlage für die November-Konferenz, sondern lediglich als Beitrag auf Arbeitsebene. Konkrete Entwürfe gebe es im Hause Schily noch nicht, erklärte Sprecher Roger Kiel. In der Koalitionsvereinbarung von Rot-Grün heißt es nur: „Wir wollen gemeinsam mit den Ländern eine einmalige Altfallregelung erreichen.“
Die Hilfsorganisation Pro Asyl wirft Zuber vor, er versuche, die Koalitionsvereinbarung „weitgehend ins Leere laufen zu lassen“. Die geforderten langen Aufenthaltszeiten würden den Kreis der Begünstigten sehr eng ziehen. Mit Kirchen, Gewerkschaften und Verbänden fordere Pro Asyl ein Bleiberecht nach fünfjährigem Aufenthalt in Deutschland.
Auch die von den Grünen letztlich akzeptierte Forderung nach eigenständiger Sicherung des Lebensunterhaltes rügt Pro Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt als „absolut nicht ausreichend“. An dieser Hürde müßten viele Flüchtlinge scheitern. Duldungen seien oft nur für kurze Zeit verlängert worden, so daß kaum ein Arbeitgeber bereit gewesen sei, die Menschen einzustellen. Zudem seien Flüchtlinge oft bereit, schlecht bezahlte Arbeiten zu verrichten, die weder bevorrechtigte Deutsche noch EU-Ausländer annähmen. Gerade für die Flüchtlingsfamilien bedeute das jedoch oft, daß sie trotz Erwerbstätigkeit auf eine ergänzende Sozialhilfe angewiesen seien, erklärte Burkhardt. Zudem blähe eine Fristenlösung die Bürokratie auf, statt sie dadurch zu entlasten, daß tatsächlich ein Schlußstrich gezogen werde.