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Frankfurter Rundschau
20. Oktober 1998 (Frankfurt)

Neuerliche Flucht von algerischen Asylbewerbern auf Rhein-Main

Fenster in der Flughafen-Unterkunft wurde ausgehebelt
Sechs der 14 Ausbrecher wieder gefangen


Aus der Flüchtlingsunterkunft am Frankfurter Flughafen sind in der Nacht zum Montag erneut 14 algerische Asylbewerber geflüchtet. Sechs von ihnen wurden im Laufe des Tages wieder gefangen und sollen nun dem Haftrichter vorgeführt werden, teilte der Bundesgrenzschutz (BGS) mit.

Nach den anderen acht Flüchtlingen werde „bundesweit gefahndet“, sagte BGS-Sprecher Klaus Ludwig am Montag. Es war bereits der vierte Ausbruch von Asylbewerbern aus der bewachten und verschlossenen Flüchtlingsstation seit Ende September. Dreimal davon waren es Gruppen von Algeriern, die den Ausbruch der – meist überfüllten – Sammelunterkunft im Flughafengebäude C 182 versuchten.

In einem Fall wurden laut Ludwig Anfang Oktober alle drei Flüchtlinge noch auf dem Flughafengelände wieder gefangen. Eine Woche zuvor hatte sich einer von sechs Algeriern bei der Flucht so schwer verletzt, daß er in eine Klinik gebracht werden mußte. Er sitzt nach Auskunft des Flughafen-Sozialdienstes zur Zeit in Abschiebehaft. Nach den anderen fünf werde noch gefahndet.

Daß sich zur Zeit die Ausbruchsversuche gerade von Algeriern häuften, liege unter anderem daran, daß ihre Ablehnungsquote im Asylverfahren extrem hoch sei, sagt Bernd Mesovic von der Organisation Pro Asyl. Auch unter den Flüchtlingen, die sich in der Flughafen-Unterkunft das Leben nehmen wollten oder Aggressivität gegen sich selbst zeigten und deshalb psychiatrisch behandelt werden müßten, seien zahlreiche Algerier.

Viele von ihnen seien junge Leute, die auf seiten der islamischen FIS oder der staatlichen Sicherheitskräfte in den Bürgerkrieg verwickelt seien und Massaker oder andere Übergriffe erlebt hätten, sagen Pro Asyl und Salima Mellah von der Berliner Organisation „Algeria Watch“. Nach ihrer Abschiebung würden sie meist schon am Flughafen in Algier von der Polizei in Empfang genommen. Die wenigen Fälle, in denen ihr weiteres Schicksal von Deutschland aus nachvollzogen werden konnte, zeigten, daß ihnen anschließend Haft, Folter oder sogar unmittelbare Lebensgefahr drohe, sagte Frau Mellah. Pro Asyl und Algeria Watch kritisierten, daß die deutschen Behörden und Gerichte aufgrund von „beschönigenden Lageberichten“ (Mesovic) des Auswärtigen Amtes so gut wie keine Algerier wegen ihrer Verstrickung in den Brügerkrieg als Flüchtlinge anerkennen – die Anerkennungsquote liegt laut Algeria Watch bei nur 1,1 Prozent. „Es wird spannend sein, ob Lageberichte unter dem designierten Außenminister Joschka Fischer realistischer werden“, sagt Bernd Mesovic von Pro Asyl.

Nach Auskunft von BGS-Sprecher Ludwig gelang der Gruppe am Montag die Flucht, indem sie mit den Metallteilen eines Raumteilers im Aufenthaltsraum der Unterkunft ein gesichertes Fenster mit Rahmen aushebelte. Anschließend sei „mit großer Kraftanstrengung“ ein Loch in eine davor angebrachte Panzerglasscheibe geschlagen worden.

Der Grenzschutz werde seine Bewachung verstärken und dann „bauliche Maßnahmen vorschlagen, um solche Ausbrüche künftig zu unterbinden“, sagte Ludwig. mat


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