Sudanesische Flüchtlinge am Flughafen:
Weicht Karlsruhe dem Druck aus Bonn?
PRO ASYL: Mißachtung elementarer Grundsätze des
internationalen Flüchtlingsschutzes drohen
Als äußerst bedenkliches Signal betrachtet die Arbeitsgemeinschaft PRO ASYL die Vertagung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes über die Verfassungsbeschwerde der sudanesischen Flüchtlinge. Der Grund für die Vertagung sei dem Vernehmen nach eine Absprache zwischen Bonn und der sudanesischen Regierung, des Inhalts, den Flüchtlingen drohe bei einer Rückkehr keine Gefahr für Leib und Leben. „Wozu brauchen wir überhaupt noch ein Asylverfahren, wenn während des laufenden Verfahrens Kontakt mit dem Verfolgerstaat aufgenommen und dessen Aussagen Glauben geschenkt wird?“, fragte Heiko Kauffmann, Sprecher von PRO ASYL. „Wer foltert, dem kann man nicht glauben“, erklärte Kauffmann.
Nur aufgrund von Zusagen des Staatssekretärs eines Folterstaates an die deutsche Botschaft könne man Menschen, die gefoltert wurden, nicht in ein ungewisses Schicksal zurückschicken.
„Wenn die Bundesregierung mit einem Verfolgerland Absprachen über die Rücknahme von gefolterten Flüchtlingen trifft und das höchste deutsche Gericht sich geneigt zeigt, solchen Aussagen Glauben zu schenken, ist dies das Ende des internationalen Flüchtlingsschutzes“, erklärte Heiko Kauffmann. Im Ergebnis liefe das auf eine fatale Komplizenschaft mit einem Unrechtsregime hinaus.
PRO ASYL verweist darauf, daß
- Sudan wiederholt bindende internationale Abkommen gebrochen hat und wegen schwerster Menschenrechtsverletzungen, Inhaftierung, Folter und Massenexekution von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verurteilt worden ist;
- das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit u.a. wegen der katastrophalen Menschenrechtssituation im Sudan jegliche Projektzusammenarbeit 1996 beenden wird;
- Sudan neben Ländern wie Iran, Irak und Kuweit der einzige Staat ist, der auf dem NGO-Forum der Weltfrauenkonferenz die eigenen Delegierten beschattet;
- die sudanesische Regierung die Zusammenarbeit mit dem Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen aufkündigte, der zu dem Schluß kam, daß „alle Gruppen und Schichten der Bevölkerung potentiell von Menschenrechtsverletzungen durch Regierungsstellen betroffen sind.“
Vor dem Hintergrund dieser unbestreitbaren Fakten und des hohen Verfolgungsrisikos für Oppositionelle ist PRO ASYL äußerst befremdet darüber, dass während eines laufenden Asylverfahrens Kontakt mit einem Verfolgerstaat aufgenommen wird und
- das Bundesverfassungsgericht entgegen seiner eigenen Fristsetzung heute nicht die Kraft aufbringt, den sudanesischen Flüchtlingen, die in Deutschland seit sechs Wochen weiterhin um ihr Leben bangen müssen, den Zugang zu einem regulären Asylverfahren zu gewähren.
„Angesichts der Menschenrechtslage im Sudan und des rechtsstaatlich äußerst bedenklichen und unzulässigen Vorgehens Bonner Regierungsstellen müßte eine negative Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts als Zurückweichung vor dem massiven politischen Druck aus Bonn verstanden werden“, sagte Heiko Kauffmann.
Anlage
Frankfurt, den 8. September 1995
Sehr geehrte Damen und Herren,
als Anlage zu unserer Pressemeldung vom heutigen Tage übermitteln wir Ihnen folgenden Auszug aus der Stellungnahme des Auswärtigen Amtes vom 1. September 1995 an das Bundesinnenministerium. Dort heißt es:
„Es trifft zu, daß die sudanesische Regierung wie auch die sudanesischen Sicherheitsbehörden über die Asylantragstellung der Sieben unterrichtet sind. So hat nach hiesigen Erkenntnissen die sudanesische Botschaft in Bonn ihre Regierung über die in den hiesigen Medien veröffentlichten Berichte unterrichtet. Die aufgrund der umfangreichen hiesigen Medienberichterstattung im Sudan bekannte Asylantragstellung wird von der sudanesischen Regierung nicht in einer Weise behandelt, die politische Verfolgung befürchten läßt:
Der Fall wurde mit dem Staatssekretär im sudanesischen Außenministerium Awad El Karim Fadialla vom deutschen Geschäftsträger am 31. August 1995 erörtert. Der Staatssekretär sicherte dabei zu, daß die Sieben nach der Rückkehr keine staatliche Verfolgung oder menschenrechtswidrige Behandlung zu befürchten hätten. Bei ihrer Rückkehr würden sie lediglich zur Identitätsfeststellung bei Einreise durch die Immigrationsbehörden befragt werden, da sie nicht im Besitz von Reisedokumenten seien. Eine derartige Befragung entspricht dem üblichen Verfahren bei der Einreise ohne Reisedokumente.“
Am 1. September 1995 hat die deutsche Botschaft in Khartoum folgenden „Drahtbericht“ an das Auswärtige Amt gefaxt:
„1. sud am regte an, gemeinsam mit deutscher botschaft vertreter aus an/ass des eintreffens o. g. sud sta in khartoum an flughafen zu entsenden. anregung soll dem vernehmen nach vom stm im sud am und e(x)poniertem vertreter der herrschenden nif, dr. ghazi sa/ah ed din atabani, stammen. gegenleistung der botschaft khartoum bestand in zusicherung, sud am rechtzeitig ueber termin einer evtl. ausweisung zu informieren.
2. angebot einer offiziellen kooperation bestaetigt bisherige lagebeurteilung durch botschaft khartoum und raeumt ihr erkundungs- und kontrollmoeglichkeiten zum schutz o. g. personen vor politischer verfolgung ein.
3. botschaft khartoum bittet um moeglichst fruehzeitige information darueber, ob und wann o. g. personen ausgewiesen werden sollen.“
Die Originalberichte liegen PRO ASYL in einer schwer lesbaren Fassung vor. Eine Abschrift der vollständigen Texte kann über die Geschäftsstelle von PRO ASYL angefordert werden. Für Rückfragen stehen Ihnen unser Sprecher Heiko Kauffmann unter der Telefonnummer 02132/76 04 87 oder die Geschäftsstelle zur Verfügung. Nach Auskunft des Bundesverfassungsgerichts wurde die Entscheidung über die Verfassungsbeschwerden auf Dienstag verschoben. PRO ASYL befürchtet, daß das Bundesinnenministerium eine Abschiebung der sudanesischen Flüchtlinge für Dienstag, 14.15 Uhr, mit dem nächsten Flug von Frankfurt nach Khartoum vorbereitet.