23.06.1998
Leistungsgesetz für Asylsuchende
Unzureichende Abschwächung des Bundesratsentwurfes
PRO ASYL: Wahlkampf auf dem Rücken der Flüchtlinge
In letzter Minute Kompromiß im Ausländerrecht – Reuter vom 23. Juni 1998
Koalition entschärft Asylbewerberleistungsgesetz – dpa vom 24. Juni 1998 (kurz)
Union lenkt beim Asylbewerberrecht ein – Frankfurter Rundschau vom 24.07.1998
Als absolut unzureichend bewertet die bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL die von CDU/CSU und FDP verabredete Entschärfung des Bundesratsentwurfes zum Leistungsgesetz für Asylsuchende. Die öffentliche Kritik hat dazu geführt, daß Flüchtlinge, „die nicht freiwillig ausreisen, obwohl ihrer Ausreise in den Herkunftsstaat oder einen anderen zur Aufnahme bereiten Staaten keine tatsächlichen Hindernisse entgegenstehen“, von den vorgesehenen Kürzungen ausgenommen bleiben sollen.
PRO ASYL ist bestürzt, daß in den letzten Sitzungsstunden des Deutschen Bundestages in dieser Legislaturperiode das Leistungsgesetz für Asylsuchende nun nochmals verschärft werden soll. Dies könne nur als Einstieg in einen Wahlkampf auf dem Rücken der Flüchtlinge interpretiert werden, erklärte Heiko Kauffmann, Sprecher von PRO ASYL. Sachlich sei die Verschärfung des Leistungsgesetzes nicht zu rechtfertigen.
PRO ASYL kritisiert, daß ohne sorgfältige Kalkulation der Folgen weitere unbestimmte Rechtsbegriffe in das Asylverfahrensgesetz eingeführt werden. Nach dem Vorschlag des Bundesrates ist vorgesehen, daß Flüchtlinge, die angeblich einreisen, „um Leistungen nach diesem Gesetz zu erlangen“, Leistungen fast vollständig entzogen werden. PRO ASYL befürchtet, daß Sozialverwaltungen damit geradezu nahegelegt werde, sich großzügig auf diesen Paragraphen zu berufen und Leistungen zunächst zu verweigern. Da die Flüchtlinge aber weitgehend mittellos seien, könnten sie bei der langen Dauer des Rechtsweges kaum ihr Recht durchsetzen.
Mit der jetzt vorgenommenen Verschärfung des Leistungsgesetzes für Asylsuchende wird die umstrittene, aus dem Bundessozialhilfegesetz stammende sog. „Um-zu-Regelung“ unmittelbar im Leistungsgesetz für Asylsuchende festgeschrieben. In Hunderten von Fällen haben die Sozialbehörden in den letzten Jahren mit Verweis auf diese „Um-zu-Regelung“ versucht, Flüchtlingen Leistungen zu verweigern. So habe man beispielsweise einer Reihe von Kriegsflüchtlingen aus Bosnien, die im Besitz einer Duldung waren, Sozialleistungen mit der Begründung verweigert, sie hätten sich auf ihrer Flucht kurzfristig in Drittstaaten aufgehalten. Deshalb müsse unterstellt werden, sie seien eingereist, um Sozialhilfe zu beziehen, bzw. hätten dies zumindest in Kauf genommen.
Bereits die in der letzten Neuregelung des Gesetzes enthaltene Einbeziehung von Bürgerkriegsflüchtlingen in das Asylbewerberleistungsgesetz habe dazu geführt, daß Hundertausende nur noch die drastisch reduzierten Leistungen nach dem bisherigen Gesetz erhielten. Die Einführung der „Um-zu-Regelung“ in die Neufassung des Leistungsgesetzes könne zu einer nochmaligen Leistungsabsenkung in die Nähe von Null führen. Es bestehe die Gefahr, daß auch diese Gruppe Leistungen nur noch erhalte, „soweit dies im Einzelfall nach dem Umständen unabweisbar geboten ist“.
PRO ASYL hat sich in der Vergangenheit mehrfach gegen soziale Sondergesetze für Asylsuchende und Kriegsflüchtlinge ausgesprochen. Es gebe nur eine unteilbare Menschenwürde. Die Instrumentalisierung sozialer Leistungsgesetze für ausländerpolitische Absichten sei ein gefährlicher Weg. PRO ASYL fordert deshalb, daß sich der Deutsche Bundestag nach der Wahl in einer ruhigeren Atmosphäre erneut mit dem Leistungsgesetz für Asylsuchende beschäftigt.