Presseerklärung
13. August 1998
Kosovo-Unfall-Opfer von Weißenborn
PRO ASYL-Appell an Innenminister
Neuer Bericht über Grenz- und Fahndungspolitik
sieht Flüchtlinge als „Opfer der Festung Europa“
Kosovo casualties of Weissenborn (en)
Unfallopfer sollen bleiben dürfen (Frankfurter Rundschau)
RESSOURCEN
Die Grenze: Flüchtlingsjagd in Schengenland Bericht (Auszüge) der Berliner Forschungsgesellschaft Flucht und Migration (FFM) zur aktuellen Kriminalisierung von Flüchtlingen, zur Fluchthilfe, über Flüchtlingserfahrungen an der deutsch-polnischen Ostgrenze und zum System der deutschen Abschottungs- und Fahndungspolitik
Die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL hat an den Sächsischen Innenminister Hardraht appelliert, den Flucht- und Unfallopfern des Busunglücks von Weißenborn als Bürgerkriegsflüchtlingen ein vorübergehendes Bleiberecht zu gewähren und sich dafür einzusetzen, dass von der im Asylverfahrensgesetz vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, aus humanitären Gründen von einer Zurückschiebung abzusehen (§ 18 Abs. 4 S. 2 AsylVfG). Wörtlich heißt es in dem Schreiben von PRO ASYL-Sprecher Heiko Kauffmann: „Dass selbst bei den schwer verletzten und frisch operierten Opfern des Busunfalls Abschiebeverfügungen auf dem Nachttisch liegen, darf nicht zum Sinnbild für die politische Kultur dieses Landes und zum Umgang mit Menschen werden, die nur mit knapper Not Kriegswirren und existentiellen Gefahren entkommen sind.“
Kauffmann erinnerte daran, dass die bei dem Busunfall getöteten Flüchtlinge aus dem Kosovo auch „Opfer der Festung Europa“ seien. Ein „perfektes System der Flüchtlingsabwehr“ sei den Kosovo-Albanern, die bei dem Busunglück starben, zum Verhängnis geworden. Sie hätten berechtigte Fluchtgründe gehabt, sie seien alle unmittelbar vor dem Bürgerkrieg im Kosovo geflohen und hätten zu ihren Verwandten, Freundinnen und Freunden und Bekannten gewollt, die zum Teil schon seit über 20 Jahren in Deutschland, in Belgien und der Schweiz lebten.
Vor diesem Hintergrund stellt PRO ASYL gleichzeitig einen von ihr unterstützten umfangreichen Bericht (Auszüge)der Berliner Forschungsgesellschaft Flucht und Migration (FFM) zur aktuellen Kriminalisierung von Flüchtlingen, zur Fluchthilfe, über Flüchtlingserfahrungen an der deutsch-polnischen Ostgrenze und zum System der deutschen Abschottungs- und Fahndungspolitik vor. Dieser Bericht ist unter dem Titel „Die Grenze. Flüchtlingsjagd im Schengenland“ als Publikation des Niedersächsischen Flüchtlingsrates erschienen (Bezugsadresse s. unten).
Die Broschüre soll nicht nur Flüchtlingsräten und engagierten Gruppen in der Grenzregion Anregungen geben, sondern zur grundsätzlichen Auseinandersetzung mit der Flüchtlings- und Gesellschaftspolitik der Bundesregierung auffordern.
Die neue Grenzpolitik – dies machten die Ergebnisse der Studie deutlich – etabliere einen direkten Fahndungsverbund zwischen Behörden, Verbänden und Teilen der Bevölkerung, die per Öffentlichkeitskampagnen des BGS und durch die Einrichtung eines sogenannten Bürgertelefons voll in die Fahndung nach heimlichen Grenzgängerinnen und Grenzgängern eingebunden werde. Kauffmann: „Die Politik bedient sich dabei der Muster von Vorurteilen, Schreckgespenstern und Bedrohungszenarien, welche Flüchtlinge, Migrantinnen und Migranten degradieren und entrechten. Flüchtlinge werden bewußt nicht mehr als Opfer wahrgenommen, sondern zu „Tätern“ gemacht. Dies lässt für die Entwicklung dieser Gesellschaft Schlimmes befürchten.“
Kauffmann rief die Bürgerinnen und Bürger und die verantwortlichen Politikerinnen und Politiker in den Grenzregionen dazu auf, den besonderen Härten und Entbehrungen des Flüchtlingsdaseins mit besonderen Hilfen und der gebotenen Achtung vor dem Schicksal schutzsuchender Menschen entgegenzukommen.
Flüchtlingsrat. Zeitschrift für Flüchtlingspolitik in Niedersachsen, Ausgabe 5/98, Heft 55: FFM. Die Grenze – Flüchtlingsjagd in Schengenland, 208 Seiten, DM 8,-, zu beziehen über: Niedersächsischer Flüchtlingsrat, Lessingstr. 1, 31135 Hildesheim, Fax: 05121 / 31609.
Rezensionsexemplare für Journalistinnen und Journalisten über PRO ASYL frei.