23.07.1998
Kosovo:
Ablehnung von Asylanträgen ohne Prüfung des Einzelfalles
auf Empfehlung des Auswärtigen Amtes?
PRO ASYL prangert Doppelzüngigkeit
der deutschen Kosovo-Politik an
In Überschreitung seiner Kompetenz gibt das Auswärtige Amt unverhohlen Empfehlungen, wie in Asylverfahren zu entscheiden ist. PRO ASYL befürchtet, daß künftig Asylanträge von Mitgliedern der UCK ohne Prüfung des Einzelfalles abgelehnt werden, denn in einem jetzt bekannt gewordenen Lagebericht vom 6. Mai 1998 des Auswärtigen Amtes heißt es: „Das Auswärtige Amt weist darauf hin, daß aus seiner Sicht für eine Person, die sich selbst als Mitglied der terroristischen Organisation UCK (in deren Namen seit April 1996 Dutzende von Personen verletzt oder getötet wurden) bezeichnet, von vornherein eine Anerkennung als politischer Flüchtling ausscheiden sollte.“ Mit dieser Einschätzung der UCK als terroristische Organisation stellt sich das Auswärtige Amt in Widerspruch zur Politik der USA. PRO ASYL weist darauf hin, daß die USA in den letzten Wochen gezielt Gespräche mit der UCK geführt haben.
PRO ASYL kritisiert den Lagebericht als unverantwortliche Vermischung von Zuständigkeiten. Aufgabe des Auswärtigen Amtes sei es, unabhängige Berichte zur Situation im Land abzugeben. Das Bundesamt müsse in jedem Einzelfall sorgfältig prüfen, ob Flüchtlinge politisch verfolgt seien.
Nach Auffassung von PRO ASYL hat diese Kompetenzvermischung Methode: Die PRO ASYL vorliegende Juni-Ausgabe der bundesamtsinternen Zeitschrift „Der Einzelentscheider-Brief“ belegt dies. Demnach sind seit kurzem Bundesamtsmitarbeiter an die deutsche Botschaft in der Bundesrepublik Jugoslawien abgestellt worden. Die Bediensteten des Bundesamtes arbeiten unmittelbar bei der Feststellung der Lage mit. Der so erstellte Lagebericht des Auswärtigen Amtes werde dann zur Grundlage der Asylentscheidung genommen. Hand in Hand mit dem Auswärtigen Amt produziere das Bundesamt seine Erkenntnisquellen selbst. Nun gehe das Auswärtige Amt hin und empfehle dem Bundesamt gleich, wie mit Asylverfahren von Kosovo-Albanern zu verfahren sei.
PRO ASYL kritisiert die deutsche Kosovo-Politik als „doppelzüngig“. Während Bundesaußenminister Kinkel die Auffassung vertritt, daß der Konflikt im Kosovo nur noch mit Zwangsmaßnahmen bis hin zu Militäreinsätzen zu bewältigen sei, planen Bundes- und Länderinnenminister, das Flugembargo gegen Jugoslawien zu unterlaufen. Es solle so interpretiert werden, daß weiterhin abgeschoben werden kann – allerdings nach Montenegro. Dies geht aus einem PRO ASYL vorliegenden Vermerk des Innenministeriums Nordrhein-Westfalen vom 2. Juli 1998 hervor. Das Innenministerium hatte die Ausländerbehörden wie folgt unterrichtet: Der Bundesinnenminister habe telefonisch informiert, daß Zeitpunkt und Umfang des geplanten Flugembargos noch ungewiß seien. Evtl. könne es Ausnahmen geben. In dem Vermerk heißt es wörtlich: „Sofern eine Ausnahme vom ‚Flugembargo‘ zum Beispiel für die montenegrinische Hauptstadt Podgorica vereinbart würde, könnten Abschiebungen dorthin stattfinden, da das Rückübernahmeabkommen auch Podgorica als Zielort vorsieht.“
Die unverhohlen angestrebten weiteren Abschiebungen von Kosovo-Albanern betrachtet PRO ASYL als „Mitwirkung an einem Vertreibungsprozeß“, auch wenn Abschiebungen nach Montenegro erfolgen.
PRO ASYL erhebt den Vorwurf, daß eine kleinkarierte, auf fremdenfeindliche Stimmungen Rücksicht nehmende Innenpolitik eine sinnvolle Außenpolitik unterlaufe.
PRO ASYL fordert
- den Erlaß eines sechsmonatigen Abschiebestopps nach § 54 Ausländergesetz;
- die sofortige und uneingeschränkte Anwendung der Sanktionen gegen Jugoslawien. Dies schließt den vollständigen Entzug von Landerechten der jugoslawischen Luftverkehrsgesellschaft ein.
- die Aufkündigung des Rückübernehmabkommens;
- den sofortigen Stopp von Abschiebungen nach Jugoslawien.