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TAG DES FLÜCHTLINGS 1991

Keine Abschiebungen in die Türkei!

Aktionen in Bayern

In Bayern werden in den letzten Jahren viele Kurden abgeschoben oder sind von Abschiebung bedroht und entziehen sich durch Binnenflucht in andere Bundesländer und andere europäische Länder. Das bayerische Innenministerium verteidigt seine brutale Abschiebungspolitik in die Türkei als „rechtsstaatlich“. Innenminister Stoiber mißachtet dabei bindende Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention und des Grundgesetzes (besonders Artikel 1 und Artikel 2,2 GG). Wohl ganz bewußt, wurde doch von seinem Pressesprecher in anderem Zusammenhang die Genfer Flüchtlingskonvention als „Scheinargumentation“ abgetan und wird immer penetrant von den 4 % „wirklich politisch Verfolgten“ gesprochen.

Die Abschiebungspraxis kommt aber an die Öffentlichkeit, Initiativen von vielen Seiten protestieren dagegen. Im Sommer 1989 versuchten der Münchner sowie der Bayerische Flüchtlingsrat, ein Bleiberecht für Kurden zu erreichen. Die Antwort des Innenministers, seitdem in Varianten wiederholt: Die Türkei ist EG- und Nato-Partner, dort wird politisch nicht verfolgt. In einer Dokumentation wie auch mit Pressekonferenzen und durch Anträge der Grünen im Bayerischen Landtag wurde die Forderung: Keine Abschiebungen in die Türkei, insbesondere von kurdischen Flüchtlingen, begründet. Der Nürnberger Stadtrat beschloß im Juli 1990 mit Mehrheit: Keine Abschiebungen von Kurden in die Türkei. In verschiedenen Städten und Gemeinden setzten sich – zum Teil sehr viele Menschen mit ihrer Unterschrift gegen Abschiebungen ein. Petitionen wurden im Landtag eingereicht. Leider stimmten und stimmen auch SPD-Mitglieder im Petitionsausschuß häufig für Abschiebung, obwohl bekannt ist und in einigen Fällen auch nachweisbar, daß die Menschen bei Ankunft am Istanbuler Flughafen sofort verhaftet und gefoltert werden.

Besondere Empörung rief die Abschiebung der türkischen Familie Öztürk im Oktober 1990 hervor- Der zeitliche Zusammenhang – kurz vor den bayerischen Landtagswahlen und vor der Bundestagswahl – läßt stark annehmen, hier wollte Stoiber Zeichen setzen und Wählerstimmen von den „Republikanern“ zurückgewinnen.. Trotz laufender Petition mit 500 Unterschriften aus dem kleinen fränkischen Ort Gerolzhofen, wo die Familie wohnte, trotz offensichtlicher Bedrohung von Herrn Öztürk, trotz Kirchenasyl und dem Einsatz von vielen gegen eine Abschiebung wurde die Familie abgeschoben. Die Familie wurde sofort verhaftet, 2 Tage festgehalten und geschlagen. Die Vereinigung demokratischer Juristen erstattete Anzeige gegen Stoiber wegen des Verdachts der Verschleppung, Freiheitsberaubung und Körperverletzung, sowie der Verleitung Untergebener zu Straftaten.

Die Initiativen und Flüchtlingsräte wiesen auch mehrfach darauf hin, daß Menschen bereits an den bayerischen Landesgrenzen abgewiesen werden und damit gegen geltendes Recht verstoßen wird. Nachdem durch Visumpflicht auch in Österreich das „Loch“ in der Grenze bei Lindau „gestopft“ wurde, versuchen immer mehr kurdische Flüchtlinge auf dem Landweg über die Grenze Tschechoslowakei-Bayern zu gelangen. Sie werden mit Fluchthilfeorganisationen hierhergebracht, da sie kein Visum erhalten. Es steht zu befürchten, daß in vielen Fällen Menschen, die Asyl beantragen, an der Grenze abgewiesen werden. Wenn – wie in Lindau geschehen – ein Rechtsanwalt und engagierte Leute den Flüchtlingen an den Grenzstationen beistehen wollen, werden sie behindert und in der Öffentlichkeit sogar noch als „Schlepper“ diffamiert. Im Sommer 1990 stellte der Bayerische Flüchtlingsrat der Presse den Fall eines kurdischen Flüchtlings vor, der an der österreichisch-bayerischen Grenze zurückgewiesen wurde. Er gelangte wieder in die BRD. In der Zwischenzeit ist er asylberechtigt!

Derzeit laufen in vielen Städten, mit besonderem Nachdruck in Regensburg, Aktionen für die Duldung von kurdischen abgelehnten Asylbewerbern. In Regensburg liegen auch juristische Gutachten u. a. vom UNHCR vor, nach denen die Stadt nach eigenem Ermessen und in eigener Zuständigkeit über eine Duldung zu entscheiden hat. Befürchtet wird von der Oberbürgermeisterin Christa Meier (SPD) wohl Druck der Bezirksregierung der Oberpfalz wie des Innenministeriums (beide CSU). Die Bürgerinitiative Asyl Regensburg hat aber so viel an öffentlichem Druck in der Stadt und auch von Seiten der SPD erzeugt, daß diese die Duldung hoffentlich ausspricht.

Besonders hervorheben möchte ich hier auch die Bayreuther Petition an die Staatsregierung von der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Bayreuth. Neu daran ist, daß sich die Kirchen ausdrücklich gegen die Abschiebung aller kurdischen Flüchtlinge in die Türkei wendet, eben auch derer muslimischen Glaubens. Bislang hatten sich führende Kirchenvertreter in Bayern für einzelne Gruppen religiös Verfolgter (Christen und Yeziden) aus der Türkei eingesetzt. Für diese Gruppen wurde auch ein Bleiberecht erwirkt. Um so erfreulicher ist die Aktion aus Bayreuth. „Wir können nicht Weihnachten feiern und dabei mißachten, was uns die Bibel lehrt.“ Dies war eine der Begründungen für die Petition Anfang Dezember 90. Die bayerische Staatsregierung wird darin zum Schutz von Flüchtlingen kurdischer Abstammung, auch Moslems, aufgerufen. Diese seien aus Angst vor Deportationen, Schikanen und Verfolgung durch türkisches Militär aus ihren Dörfern geflohen. Pfarrer Jochen Fähler von der reformierten Gemeinde sagte bei einer Pressekonferenz u. a.: „Nach der Genfer Flüchtlingskonvention haben meiner Meinung nach Kurden einen Rechtsanspruch auf Asyl, da für sie jüngsten Berichten zufolge keine innertürkische Fluchtmöglichkeit besteht.“ Anlaß der Aktion und Petition war die drohende Abschiebung einer siebenköpfigen kurdischen Familie aus Bayreuth.

In Gottesdiensten der christlichen Kirchen in der Adventszeit wurde in Bayreuth auf die Situation der Kurden hingewiesen. Wir hoffen, daß diese Aktion Nachahmung in vielen Gemeinden nicht nur in Bayern findet! Denn nur durch ständige Information über die bedrohte Lage der Flüchtlinge und durch öffentlichen Protest gegen die brutale Abschieberei läßt sich etwas erreichen.

Letztlich müssen aber alle Informationen, aller Protest und Aktionen für ein Bleiberecht für Kurden dahin führen, daß das Asylrecht so geändert wird, daß kurdische Flüchtlinge hier sicheren Aufenthalt bekommen.

Lili Schlumberger-Dogu Bayerischer Flüchtlingsrat

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