TAG DES FLÜCHTLINGS 1988
Keine Abschiebung in den Libanon
Aktion Riesenpostkarte
an den Berliner Innensenator
INHALT
- Grußwort des Vertreters des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen 1988
- Grußwort der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege
- Zuflucht gewähren!
Ökumenischer Vorbereitungsausschuß zur Woche der ausländischen Mitbürger - Susan, Yilmaz, Fadel, Kristina und Ruhollah: de‑facto‑Flüchtlinge Victor Pfaff
- Offene Grenzen oder ein neuer Flüchtlingsbegriff Herbert Leuninger
- Kinder und Jugendliche im Asylverfahren Klaus Wolken
- Flüchtlingsschicksale
- Bausteine für einen Gottesdienst – Predigt am Tag des Flüchtlings 1987 in Berlin
- Keine Abschiebung in den Libanon – Aktion Riesenpostkarte an den Berliner Innensenator
- Für mehr Menschlichkeit – Demonstration zum Tag des Flüchtlings in Siegen
- Der Kunst Asyl geben – Flüchtlinge melden sich zu Wort mit Gedichten, Bildern und Skulpturen
- Tag des Flüchtlings im Kino – Filmwoche zum Thema Asyl
- (Sechs Tore zum Tag des Flüchtlings)
- Aufruf des Flüchtlingsrates Berlin zu einem „Berliner Edikt“
- Tag des Flüchtlings oder Tag der Flüchtlingsbetreuer?
- Heimat ist, wo ich wachsen kann ‑ Kultur im Exil
- Stellungnahmen
Den Anstoß hatte der Appell des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen gegeben, der im Januar 1987 den Berliner Innensenator „in aller Schärfe“ aufgefordert hatte, nicht in den Libanon abzuschieben, da „kein Palästinenser den (Beiruter) Flughafen verlassen kann, ohne sein Leben zu gefährden“.
Der Hintergrund: das Land Berlin hatte nach der Saulgauer Innenministerkonferenz vom Oktober 1986 in spektakulären Einzelaktionen begonnen, Flüchtlinge in den Libanon abzuschieben, obwohl damals der internationale Flughafen von Beirut von schiitischen Milizen kontrolliert wurde und jedem zurückkehrenden Flüchtling dort Gefängnis und Folter, wenn nicht der Tod drohte.
Da zu befürchten war, daß das Land Berlin eine Vorreiterrolle übernommen hatte und die anderen Bundesländer nachziehen würden, letztendlich auch die 38 in Nürtingen lebenden Flüchtlinge aus dem Libanon betroffen sein würden, hielten wir – Mitglieder des Arbeitskreises Asyl Nürtingen – es für äußerst wichtig, schon die ersten Abschiebungen mit massivem Protest zu verhindern, bevor diese erst zur Normalität werden konnten.
In unserer süddeutschen Kleinstadt Öffentlichkeit für die Vorgänge in Berlin herzustellen, war nach unserer Auffassung die geeignetste Form, die Berliner Flüchtlingsinitiativen, die mit Blockadeaktionen auf dem Berliner Flughafen Tegel und massivem öffentlichen Protest den Abflug von zurückgewiesenen Flüchtlingen verhinderten, wirksam zu unterstützen.
Wir sammelten Unterschriften gegen die Abschiebungen, mehrere Hundert waren in wenigen Tagen zusammengekommen. Die Protestschreiben wurden auf eine Riesenpostkarte geklebt, die an den Berliner Innensenator adressiert war. Die örtliche Zeitung, die alternative Stadtzeitung und amnesty international berichteten über die Aktion, druckten das Foto von der ungewöhnlichen Post ab.
Daß aus Berlin keine Antwort kam, überraschte nicht: daß es dort auch Papierkörbe für Riesenpostkarten geben würde, hatten wir erwartet.
Der Beamte am Nürtinger Postschalter hat nebenbei dazugelernt: er meinte erst, die Post nicht befördern zu können, da die Sache „politisch“ sei. Er akzeptierte dann allerdings, daß es hier um die Verteidigung eines Grundrechts geht. Wie heißt es doch in Artikel 16 Absatz 2 Satz 2 Grundgesetz so prägnant: „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.“ Das hat auch für Flüchtlinge aus dem Libanon zu gelten.
Asylarbeitskreis Nürtingen c/o Roland Dietrich, RA, Hülenbergstr. 7, 7440 Nürtingen-Reudern