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09.05.1997

Maastricht II und Asylrecht
PRO ASYL-Kampagne:
Kein Abbau des Flüchtlingsschutzes
Mehr Demokratie im Asylbereich


„Maastricht II könnte das Ziel von mehr Demokratie und vollem Menschenrechtsschutz im Asylrecht verfehlen“, das erklärte PRO ASYL-Sprecher Heiko Kauffmann zu der am 16./17. Juni in Amsterdam anstehenden endgültigen Revision der Europäischen Verträge.

Wahrung des Flüchtlingsschutzes

In einem Schreiben an Werner Hoyer, den für die Regierungskonferenz zuständigen Staatssekretär im Auswärtigen Amt wendet sich die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft vor allem gegen den „äußerst bedenklichen Vorschlag“ des Europäischen Rates an die Regierungskonferenz. Danach soll EU-Bürgerinnen und -Bürgern das Recht genommen werden, in einem anderen Mitgliedsstaat Asyl zu suchen.

  • Dem og. Vorschlag liege das Motiv zugrunde, Terroristen wie etwa die der spanischen ETA vom Asylrecht auszuschließen.
    PRO ASYL verweist darauf, daß hierfür die Ausschlußregelung der Genfer Flüchtlingskonvention vollauf genüge.
  • Andererseits sei „kein Land in Europa angesichts wirtschaftlicher und sozialer Krisen vor einem Rechtsruck gefeit, der zu schweren Verletzungen der Menschenrechte führen könne“.
  • Die EU würde mit einer solchen Regelung nicht nur die Genfer Flüchtlingskonvention verletzen, sondern auch einen Nachahmungseffekt in den Krisenregionen der Welt auslösen.

Mehr Demokratie in der Gemeinschaft!

PRO ASYL setzt sich in dem Schreiben, das gleichlautend an Norbert Wieczorek (SPD) den Vorsitzenden des Bundestagsausschusses für die Angelegenheiten der EU gerichtet ist, für eine demokratischere EU ein: „Die bisherige Asylpolitik in der EU ist geprägt von großen demokratischen Defiziten“. Es fehle eine angemessene Beteiligung der Gemeinschaftsorgane, vor allem auch des Europäischen Parlamentes. „Die Entscheidungsprozesse verlaufen hinter einem Schleier der Geheimniskrämerei“. Nicht zuletzt fehle es an einer gerichtlichen Kontrollmöglichkeit durch den Europäischen Gerichtshof.

Auf diesem Hintergrund fordert PRO ASYL u.a. eine stärkere Vergemeinschaftung im Asylbereich, größere Transparenz bei allen Entscheidungsprozessen und die volle Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofes.

Hinweis zur Kampagne:

Musterbrief im Internet

Heiko Kauffmann fordert im Internet (http://ourworld.compuserve.com/homepages/PROASYL/) dazu auf, sich dieser Kampagne anzuschließen. Sie sei auf der kürzlichen Hauptversammlung des Europäischen Rates in Sofia vom Holländischen Flüchtlingsrat angeregt worden. Kauffmann schlägt vor, den beigefügten Musterbrief an Hoyer und Wieczorek, aber auch an die für die EU zuständigen Minister der einzelnen Bundesländer und die deutschen Abgeordneten des Innenausschusses des Europäischen Parlamentes zu schicken. Er basiert auf einer Stellungnahme des Europäischen Rates (ECRE), dem in Deutschland außer PRO ASYL die großen Wohlfahrtsverbände angehören.


ANLAGEN
Musterbrief
Stellungnahme des Europäischen Rates
Europäischer Flüchtlingsrat – EUROPEAN COUNCIL ON REFUGEES AND EXILES (ECRE)


(Text markieren, kopieren und mit dem eigenen Textprogramm bearbeiten!)

MAASTRICHT II UND ASYLRECHT

Sehr geehrte(r) !

Aller Voraussicht nach wird die Regierungskonferenz am 16./17. Juni d. J. in Amsterdam die endgültige Fassung des Vertrages über die Europäische Union verabschieden. Damit soll für die Europäische Gemeinschaft mehr Demokratie, mehr soziale Gerechtigkeit und eine umfassende Garantie der Menschenrechte verbunden sein.

Ich/Wir sind mit dem Europäischen Flüchtlingsrat (ECRE) und seinen Mitgliedsorganisationen besorgt, daß dieses Ziel beim Asylrecht in wichtigen Fragen verfehlt wird.

Wahrung des Flüchtlingsschutzes

  • Gemeinsam mit dem Hochkommissariat für Flüchtinge (UNHCR) wenden wir uns gegen den höchst bedenklichen Vorschlag des Europäischen Rates, Bürgerinnen und Bürgern der EU das Recht zu nehmen in einem anderen Mitgliedsstaat Asyl zu suchen.
    • Kein Land in Europa ist angesichts wirtschaftlicher und sozialer Krisen vor einem Rechtsruck gefeit, der zu schweren Verletzungen der Menschenrechte führen könnte. Diese Gefahr nimmt mit der Erweiterung der EU und der Aufnahme junger Demokratien sicher nicht ab.
    • Die EU würde mit einer solchen Regelung die Genfer Flüchtlingskonvention verletzen, mit der sich die Unterzeichnerstaaten verpflichtet haben, die Flüchtlingseigenschaft unabhängig vom Herkunftsland zu prüfen und keinen Flüchtling in sein Herkunftsland zurückzuschicken.
    • Natürlich gibt es die Freizügigkeit innerhalb der EU mit ihrem Niederlassungsrecht für EU-Bürgerinnen und -bürger. Das ist aber keine ausreichende Sicherheit gegen eine Abschiebung in die Heimat. Man denke nur an einen entsprechenden Vollzug der Auslieferungskonvention von 1996.
    • Dem og. Vorschlag liegt das Motiv zugrunde, Terroristen vom Asylrecht auszuschließen. Dem wird aber durch die Ausschlußregelung von Art. 1F (a) der Genfer Flüchtlingskonvention vollauf Rechnung getragen.
    • Ein Vorpreschen der EU in dieser zentralen Frage des allgemeinen Flüchtlingsschutzes ist geeignet, einen erheblichen Nachahmungseffekt in den Krisenregionen der Welt auszulösen.
  • Keinen verpflichtenden Charakter erhalten darf der Gemeinsame Standpunkt „betreffend die harmonisierte Anwendung des Begriffs ‚Flüchtling‘ in Artikel 1 der Genfer Flüchtlingskonvention“ von 1996. Entgegen dem Wortlaut und Geist der Genfer Flüchtlingskonvention wird Flüchtlingen, deren Verfolgung nicht von staatswegen sondern durch nichtstaatliche Stellen erfolgt, der Rechtsschutz versagt. Es handelt sich um eine einschränkende Interpretation der Genfer Flüchtlingskonvention, die in Deutschland schon längst praktiziert wird.
    • Dabei trifft Artikel 1A der Genfer Flüchtlingskonvention keinerlei Aussage zur Frage der Urheberschaft von Verfolgung. Die normale Bedeutung des Begriffs „Verfolgung“ schließt sämtliche Verfolgungstaten ein, unabängig davon, ob der Staat daran beteiligt ist oder nicht.
    • Auch in diesem Fall kommt es der Europäischen Union als einer regionalen Staatengruppe nicht zu, die Genfer Flüchtlingskonvention in substantieller Weise und einschränkend zu interpretieren. Die Menschenrechtspolitik, die moralisches Fundament der Gemeinschaft ist, verliert ein weiteres Mal ihren Vorbildcharakter.

Mehr Demokratie in der Gemeinschaft!

Die bisherige Asylpolitik in der EU ist geprägt von großen demokratischen Defiziten. Das System zwischenstaatlicher Vereinbarungen gerade in diesem Bereich verhindert eine angemessene Beteiligung der Gemeinschaftsorgane, vor allem auch des Europäischen Parlamentes. Die Entscheidungsprozesse verlaufen hinter einem Schleier der Geheimniskrämerei. Nicht zuletzt fehlt es an einer gerichtlichen Kontrollmöglichkeit durch den Europäischen Gerichtshof.

Die Asylpolitik selbst war statt von der Ausrichtung an einem hohen menschenrechtlichen Niveau von der Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner geprägt.

Auf dem Hintergrund dieses Demokratiemangels fordern wir u.a.

  • eine Übertragung der Kompetenzen im Asyl- und Flüchtlingsbereich von der 3. auf die 1.Säule;
  • Transparenz in den Entscheidungsprozessen und Zugang der Öffentlichkeit zu den entsprechenden Dokumenten:
  • volle Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofes im Asylbereich.

Dies sind einige der wichtigsten Forderungen, für die wir Ihre politische Unterstützung erwarten.

Mit freundlichen Grüßen!

(evt.) Anlage
Stellungnahme des Europäischen Flüchtlingsrates (ECRE) zur
„Funktionsweise des Vertrages über die Europäische Union
in Bezug auf die Asylpolitik“


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