Kanthers Warndateigesetz soll Zugang von
Flüchtlingen zum Asylverfahren verhindern
PRO ASYL: Sammlung von Verdachtsdaten aller Art
Als einen groß angelegten Versuch, Flüchtlinge an der Asylantragstellung in Deutschland zu hindern und zu diesem Zweck eine umfangreiche Sammlung von „Verdachtsdaten“ anzulegen, hat die bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL den Entwurf des Bundesinnenministeriums für ein Warndateigesetz kritisiert. Die Absicht des Gesetzes werde auch aus der Presseerklärung des BMI vom 2. Dezember 1997 deutlich, in der es heißt, es sei: „sehr viel vernünftiger, unerwünscht Einreisende bereits im Herkunftsland oder an der deutschen Grenze zu stoppen, als anschließend in Deutschland komplizierte Prüfverfahren“ durchzuführen. Flüchtlinge würden so, unabhängig von ihren Fluchtgründen und der Möglichkeit anerkannt zu werden, als Untergruppe „unerwünscht Einreisender“ gekennzeichnet.
Der Gesetzentwurf stelle Menschen, die einen Ausländer oder eine Ausländerin einladen bzw. eine entsprechende Verpflichtungserklärung abgeben, in einen mehr als symbolischen Zusammenhang mit Schleuser/inne/n. So könnten Einladende (Unterzeichner einer Verpflichtungserklärung) bereits dann in der Warndatei landen, wenn die/der Eingeladene einen Asylantrag in Deutschland stelle. Nicht einmal eine Löschung nach erfolgter Asylanerkennung sei offensichtlich vorgesehen.
Gespeichert in der Warndatei soll auch werden, wer bei der Beantragung eines Visums gefälschte Dokumente vorgelegt hat. Diese Speicherung ist deshalb besonders problematisch, weil die Verweigerung eines Visums nach dem Ausländergesetz nicht begründet werden muß und in der Regel auch nicht begründet wird. Visumsantragsteller/innen können deshalb den Vorwurf, ein gefälschtes Dokument vorgelegt zu haben, nicht widerlegen und müssen damit rechnen, bereits aufgrund des nicht näher spezifizierten Verdachts in der Warndatei zu landen. Sie müssen dann fürchten, künftig auch in anderen Schengen-Staaten ohne Angabe von Gründen kein Visum erhalten zu können.
Auch bei der Speicherung von Schleuser/inne/n würden nach der Absicht des Gesetzentwurfes keineswegs nur überführte Schleuser/innen gespeichert, sondern schon solche, „bei denen tatsächliche Anhaltspunkte einen solchen Verdacht begründen“. Mit dieser rechtsstaatlich fragwürdigen Formulierung könne fast jede/r als Schleusungsverdächtige/r in der Datei landen.
Gespeichert soll auch werden, wer eine Verpflichtungserklärung (Bürgschaft) für eine/n Ausländer/in eingegangen ist und später dieser Verpflichtung nicht mehr nachkommt. Dies gelte unabhängig von Gründen. So sei offensichtlich geplant, auch diejenigen in der Datei zu erfassen, die durch eine plötzliche wirtschaftliche Notlage die Aufenthalts- oder Abschiebungskosten für die Eingeladenen nicht mehr zahlen könnten.
PRO ASYL äußerte die Erwartung, daß im Abstimmungsverfahren mit den Bundesländern entsprechend kritische Fragen gestellt würden. Geklärt werden müsse auch, ob und wie die Daten aus der Warndatei an andere europäische Staaten, etwa über das Schengener Informationssystem, weitergegeben werden dürften. „Eine europaweite Verdachtsdatensammlung solch riesigen Ausmaßes macht Flüchtlinge und auch unbescholtene Bürgerinnen und Bürger zu gläsernen Menschen. Allein unter dem Blickwinkel des Datenschutzes darf dieser Gesetzentwurf nicht Realität werden“, sagte Heiko Kauffmann.