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TAG DES FLÜCHTLINGS 1999

Kampagne »Verfolgte Frauen schützen!«

100.000 Unterschriften dem Bundestagspräsidium übergeben

Materialheft zum Tag des Flüchtlings am 1. Oktober 1999

Herausgeber: PRO ASYL, Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge
mit freundlicher Unterstützung von: Deutsche Stiftung für UNO-Flüchtlingshilfe e. V., Deutscher Caritasverband e. V., Interkultureller Beauftragter der Ev. Kirche in Hessen und Nassau, Kirchlicher Entwicklungsdienst der Ev. Kirche in Deutschland, durch den ABP, Land Hessen

Der Tag des Flüchtlings findet im Rahmen der Woche der ausländischen Mitbürger/ Interkulturellen Woche (26. September bis 2. Oktober 1999) statt und wird von PRO ASYL in Zusammenarbeit mit dem Ökumenischen Vorbereitungsausschuß zur Woche der ausländischen Mitbürger vorbereitet.

INHALT

Am 19. März 1999 haben der Deutsche Frauenrat und PRO ASYL der Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Frau Dr. Antje Vollmer, rund 100.000 Unterschriften der Kampagne »Verfolgte Frauen schützen!« übergeben. Seit Jahren fordern Abgeordnete des Deutschen Bundestages einen verbesserten Schutz verfolgter Frauen.

Bereits 1990 hat der Deutsche Bundestag in einem einstimmig angenommenen Antrag die Bundesregierung aufgefordert klarzustellen, daß wegen ihres Geschlechts oder wegen ihrer sexuellen Orientierung Verfolgte, also auch in Bedrängnis geratende Frauen, in der Bundesrepublik Deutschland Aufnahme finden. Geschehen ist kaum etwas. Immerhin hat der Deutsche Bundestag im Juni 1998 die Genitalverstümmelung bei Frauen und Mädchen als Menschenrechtsverletzung geächtet. Konkrete Auswirkungen im Asylverfahren hat dies jedoch kaum. Die neue Regierungskoalition ist nun einen Schritt weiter gegangen und hat im Koalitionsvertrag verabredet: »Wir werden die Verwaltungsvorschriften mit dem Ziel der Beachtung geschlechtsspezifischer Verfolgungsgründe überarbeiten.« Doch dies ist bei weitem nicht ausreichend.

PRO ASYL hat vorgeschlagen, die Berücksichtigung frauenspezifischer Fluchtgründe durch eine Ergänzung von § 51 AuslG zu regeln. Da § 51 Abs. 1 Ausländergesetz den Wortlaut der GFK aufgreift, wäre so an der richtigen Stelle klargestellt worden, daß man den Schutz der Genfer Flüchtlingskonvention auch denjenigen zugute kommen lassen will, denen Verfolgung durch sexuelle Gewalt droht oder die harte oder unmenschliche Behandlung zu erwarten haben, weil sie gegen den sozialen Sittenkodex ihres Herkunftslandes verstoßen haben.

Frauen sind von der Praxis des Bundesamtes und der Verwaltungsgerichte, Opfern nichtstaatlicher Verfolgung oft jedweden Schutz zu versagen oder Menschenrechtsverletzungen, selbst wenn sie von Amtspersonen begangen werden, als privat zu definieren, besonders betroffen. Deshalb wirkt es sich negativ auf die Situation asylsuchender Frauen in Deutschland aus, daß die Koalitionsverhandlungen in dieser Frage kein Ergebnis gebracht haben. Wirklich nötig gewesen wäre die Anerkennung nichtstaatlicher Verfolgungstatbestände im Asylverfahren. Eine UNHCR- Vertreterin hat zu Recht darauf hingewiesen, daß die Koalitionsvereinbarung wenig nütze, denn wenn die sogenannte »geschlechtsspezifische Verfolgung« nicht von staatlichen Stellen ausgeht, wird die Anerkennung als Flüchtling in Deutschland verweigert.

Was dies bedeutet, soll in aller Kürze an einem einzelnen Beispiel erläutert werden.

  • Sechs Jahre lang wurde Frau M. in Somalia inhaftiert und gefoltert. Vor ihren Augen wurde ihrem 3jährigen Sohn mit dem Messer die Kehle durchgeschnitten. Sechs Jahre lang erfuhr Frau M. sexuelle Gewalt und wurde von führenden Militärs des gegnerischen Clans vergewaltigt. Auch ihre minderjährige Tochter wurde die gesamte Zeit über festgehalten und mißhandelt. Als der Bürgerkrieg eskalierte und in der Folge ihr Gefängnis nicht mehr bewacht werden konnte, gelang ihr die Flucht.

    Doch ihre Chancen, in Deutschland dauerhaft Schutz zu finden, sind schlecht, denn in Ablehnungsbescheiden des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge heißt es stereotyp, in Somalia herrsche Bürgerkrieg und deshalb könne es keine politische Verfolgung geben, da keine Staatsmacht vorhanden sei. Selbst ein Abschiebungsschutz nach der Schutzvorschrift der Europäischen Menschenrechtskonvention für Folteropfer (Art. 3 EMRK) wird verneint. Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Grundsatzurteil entschieden: »Als unmenschliche Behandlung gemäß Art. 3 EMRK sind deshalb grundsätzlich nur Mißhandlungen durch staatliche Organe anzusehen.« So werden Flüchtlinge wie Frau M. schutzlos gestellt.

PRO ASYL fordert, daß die international gültigen Standards wie die Genfer Flüchtlingskonvention wie auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Deutschland in Sachen Abschiebungsschutz bei drohender Folter in Deutschland wieder Gültigkeit erlangen.

Für verfolgte Frauen fordern wir im Rahmen unserer Kampagne den Gesetzgeber auf, im Ausländergesetz in § 51 klarzustellen, daß auch eine Verfolgung aus geschlechtsspezifischen Gründen ein asylrechtliches Abschiebungshindernis dar stellt. Doch auch unterhalb der Ebene der Gesetzesänderung gibt es eine Handlungsmöglichkeit: Der Bundesinnenminister kann von seiner Weisungsbefugnis im Bereich des § 53 AuslG gegenüber dem Bundesamt insoweit Gebrauch machen, als er dieses anweisen kann, sexuelle Übergriffe als Abschiebungshindernis im Sinne von § 53 AuslG zu akzeptieren, wenn und solange im Herkunftsstaat die gesellschaftliche Realität ein Leben in Würde der Frau nicht erwarten läßt. Alleinstehende Frauen, die ohne familiären Schutz nach einer Rückkehr Übergriffen ausgesetzt wären, dürfen nicht abgeschoben werden.

Nach Übergabe der Unterschriften werden sich nun der Petitionsausschuß des Deutschen Bundestages und der Innenausschuß mit unserem Anliegen befassen. Besonders wichtig ist es nun, daß die Kampagne »Verfolgte Frauen schützen!« mit der Abgabe der Unterschriften nicht beendet ist, sondern daß weiterhin Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit zu dieser Thematik erfolgt. Unser Ziel ist: Der neue Bundestag muß handeln und die Gesetze ändern, damit verfolgte Frauen in Deutschland Schutz finden.

Zum Tag des Flüchtlings am 1. Oktober 1999 ruft PRO ASYL dazu auf, Veranstaltungen zur Frauenthematik durchzuführen. In den letzten Jahren haben wir erlebt, daß immer wieder sinnvolle Vorschläge durch das Innenministerium oder den Innenausschuß des Deutschen Bundestages abgeblockt werden. Deshalb ist es besonders wichtig, auch Abgeordnete aus anderen Ausschüssen einzuladen. Eine zentrale Rolle spielen hierbei

  • der Ausschuß für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe (Vorsitzende: Claudia Roth) und
  • der Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Vorsitzende: Christel Hanewinckel).
Die Mitglieder dieser Ausschüsse können Sie bei den jeweiligen Ausschußsekretariaten (Tel. Ausschuß für Menschenrechte: 0228/ 16- 23550, Tel. Ausschuß für Frauen: 0228/ 16- 27112) erfragen.

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