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TAG DES FLÜCHTLINGS 1992

Iran

Von Schah Reza Pahlevi über AyatollahKhomeini bis zu seinen heutigen Nachfolgern haben Menschenrechtsverletzungen im Iran Tradition. Oppositionelle Gruppen und religiöse Minderheiten werden rücksichtslos verfolgt, gefoltert und unterdrückt.

Hierzulande wird die unter Präsident Rafsanjani vorangetriebene außenpolitische Öffnung in der öffentlichen Meinungsbildung immer häufiger mit einer innenpolitischen Liberalisierung verwechselt, die den tatsächlich dort stattfindenden Menschenrechtsverletzungen – und damit auch der Gefährdung iranischer Asylsuchender – nicht gerecht wird. Nach einer Meldung der Nachrichtenagentur AFP vom 10.4.1992 ist im Iran wieder. ein Anhänger der Bah’ai-Religion hingerichtet worden, weil er sich geweigert hatte, seinem Glauben abzuschwören.

Eine Rückkehr von Menschen, die im Ausland einen Asylantrag gestellt haben, in den Iran stellt für die Betroffenen ein hohes Risiko dar.

Faktenübersicht:

Der Iran ist eine multiethnische Gesellschaft mit 48 Millionen Bürgern. Nahezu die Hälfte der Bevölkerung gehört ethnischen Gruppen an, die nicht das Neupersische als Muttersprache sprechen. Turksprachige Gruppen (Aserbeidschaner, Gashgai, Afscharen, Turkmenen) bilden mit einem Anteil von 20 Prozent die stärkste Sprachgemeinschaft, gefolgt von den circa dreieinhalb Millionen Kurden und den Luren. Im Süden und Südwesten des Landes leben arabischsprachige Gruppen.

Neben den ethnischen Gruppen sind die größten Religionsgemeinschaften zu nennen: Etwa 300.000 Baha’ai, 200.000 zumeist assyrische und armenische Christen, 40.000 Juden und 21.000 Zorastner.

Aktuelle politische Situation

Im Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 17. Januar 1991 wird behauptet, daß man im Iran nicht länger von einem Willkürsystem sprechen könne. Dieser Einschätzung widerspricht die Menschenrechtsorganisation amnesty international entschieden:

„Auch nach dem Tode Ayatollah Khomeinis und dem Machtantritt von Präsident Rafsanjani finden im Iran schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen in großem Ausmaß statt. Willkürliche Verhaftungen und unfaire Gerichtsverfahren für politische Gefangene, von denen viele keine Gewalt angewandt haben, halten weiterhin an.“

Willkürherrschaft im Iran

Politische Prozesse im Iran entsprechen meist nicht den internationalen Richtlinien für ein faires Gerichtsverfahren.

Die Gerichtsverfahren sind kurz auch bei Todesurteilen nur wenige Minuten lang – und finden häufig geheim statt. Dem Angeklagten werden elementare Grundrechte verweigert, so das Recht auf einen eigenen Anwalt, das Hinzuziehen von. Entlastungszeugen und das Recht auf Berufung. Die Haft wird teilweise willkürlich ausgedehnt. In vielen Fällen werden die lnhaftierten trotz Abbüßung der Haftstrafen nicht freigelassen.

In einer Stellungnahme für die 47. Sitzung der UN-Menschenrechtskommission, die vom 28.1. bis 8.3.1991 in Genf tagte, weist amnesty international auf den Fall von mehr als 50 weiblichen Gefangenen im Evin-Gefängnis hin, die weiterhin in Haft gehalten werden, obwohl sie ihre Gefängnisstrafen schon längst abgegolten haben: „Allem Anschein nach wird ihre Freilassung von den Behörden so lange verweigert, bis sie ihrer politischen Überzeugung abgechworen haben. “

Das Fehlen rechtlicher oder anderer Kontrollmechanismen der gerichtlich wie außergerichtlich angeordneten Haft hat zur Folge, daß viele der Gefangenen „verschwinden“. So wurden beispielsweise die Angehörigen der politischen Gefangenen, die während des Massakers 1988 zu tausenden hingerichtet wurden, von offizieller Seite nicht über deren Schicksal informiert. Auch heute noch werden vor allem Angehörige linksgerichteter Organisationen verhaftet und „verschwinden“, ohne daß ihre Spur verfolgt werden kann.

Folter und Todesstrafe

Um Informationen und Schuldbekenntnisse zu erzwingen oder Abtrünnige zur Rückkehr zum islamischen Glauben zu bewegen, werden Foltermethoden angewandt. Folterarten sind zum Beispiel Schläge auf den nackten Körper, systematische Unterernährung, Aufhängen an den Gelenken, Verbrennungen, psychologische Folter (erzwungenes Zusehen bei Folter und. Exekutionen – auch an Verwandten), Amputationen von vier Fingern der rechten Hand und Peitschenhiebe für Vergehen wie Ehebruch, Alkoholgenuß, Unzucht, Kuppelei -, aber auch für politische „Vergehen“ wie zum Beispiel das Unterzeichnen eines offenen Briefes an Präsident Rafsanjani.

Die Todesstrafe wird u. a. für Spionage, militärische Opposition, Mord, verschiedene sexuelle Vergehen und Abfall vom islamischen Glauben verhängt und vollstreckt. Die Angehörigen werden oft von der bevorstehenden Hinrichtung nicht informiert. Etliche der Hingerichteten wurden nur deshalb inhaftiert, weil sie Flugblätter und Zeitschriften verteilt, Unterstutzungsgelder für die Angehörigen politischer Gefangener gesammelt oder an Demonstrationen teilgenommen hatten. In einigen Fällen wurden sogar ehemalige politische Gefangene erneut inhaftiert und hingerichtet, obwohl sie sich seit ihrer Freilassung nicht wieder an illegalen politischen Aktivitäten beteiligt hatten.

Im Jahr 1990 registrierte amnesty international 700 Hinrichtungen, in der vom Europaparlament verabschiedeten „Resolution über die Menschenrechte im Iran“ wird von über 300 Hinrichtungen nur in den ersten drei Monaten des Jahres 1991 berichtet.

Unterdrückung der Frauen

Jutta Pfannkuche schreibt im Länderbericht Iran in ID-Asyl:

„Die Frauen werden diskriminiert. An der Universität werden Frauen zu bestimmten Fächern nicht zugelassen. Vor Gericht hat die Aussage einer Frau nur das halbe Gewicht einer männlichen Zeugenaussage. Seit 1986 fahren Sittlichkeitspatrouillen durch die Straßen, um Frauen, die gegen die Kleiderordnung verstoßen, helle Strumpfe tragen oder geschminkt sind, aufzugreifen.

Im April 1991 wurden innerhalb einiger Tage 800 Frauen wegen Nichteinhaltung der Kleiderordnung verhaftet. In Isfahan (im Süden Teherans) protestierten im Juli 1991 erstmalig seit dem Sieg der Islamischen Revolution 300 Demonstranten gegen die Verfolgung der Frauen durch die Polizei. Die Frauen sollten ihre Gesichter nicht ausreichend bedeckt gehalten haben. Die Polizei gab dabei Schüsse in die Luft ab (vgl.: Frankfurter Rundschau vom 30. 7.1991).

Fluchtursachen

Etwa zwei Millionen Iraner haben das Land in den letzten Jahren verlassen. Die meisten Monarchisten flüchteten 1978 und 1979 vornehmlich in die USA. Die erste größere Fluchtbewegung setzte 1983 ein.

Neben der Flucht aus politischen Gründen war der irakisch-iranische Krieg eine wichtige Ursache der Fluchtbewegung der letzten Jahre. Nach unterschiedlichen Schätzungen haben 600.000 Iraner ihr Leben in diesem Krieg verloren. Jugendliche ab 18 Jahren waren zum Kriegsdienst verpflichtet, auch Zwölf jährige meldeten sich aufgrund von Kampagnen in den Schulen zur „Front“.

Auf Flugblättern wurde der Märtyrertod gepriesen, der dem Märtyrer ein Paradies mit 70 Gärten, 70 Schlössern und 70 Hallen eröffnete, in denen jeweils 70 Jungfrauen darauf warteten, sich dem Märtyrer in 24 Stunden 70mal hinzugeben.

Unter den Flüchtlingen waren vorallem viele Jugendliche, die sich nicht mit dem Krieg gegen den Irak identifizierten.

Quellen und zugleich Lesehinweise:

Amnesty International: Stellungnahme vom 1.10.1991 an das Regierungspräsidium Stuttgart zur Eigengefährdung bei Rückkehr in den Iran aufgrund politischer Betätigung Verwandter. Bezug: amnesty international, Heerstr. 178, 5300 Bonn 1

Amnesty International: Iran: Menschenrechtsverletzungen 1987-1990. Bezug: s. o. Länderbericht Iran, in: IDAsyl, Nr.47/91. Bezug: ID Asyl, c/o Gerhard Reinders, Obere Holtener Str. 28, 4100 Duisburg 11

Zentralstelle für die Integration von Zugewanderten: Flüchtlingsschicksale, 1991 Bezug: Zentralstelle für die Integration von Zugewanderten, Knochenhauerstr. 20-25, 2800 Bremen 1


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