TAG DES FLÜCHTLINGS 1993
In die Flucht geschlagen:
Warum Menschen fliehen
INHALT
- Grußwort des Vertreters des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR)
- Auf dem Weg nach rechts
- Der Engel von Marseille
- „Hört auf, vom Mißbrauch des Asylrechts zu reden“
- Fehlentscheidungen des Bundesamtes – Korrektur durch Gerichte
- In die Flucht geschlagen: Warum Menschen fliehen
- Kirchenasyl
An den folgenden Beispielen soll gezeigt werden, was Menschen zur Flucht treibt. Die vorgestellten Länderbeispiele wurden nach verschiedenen Kriterien ausgewählt.
Roma aus Rumänien, aber auch aus anderen Staaten Südost-Europas, bilden eine der größten Gruppen unter den Asylsuchenden in Deutschland. Gerade ihnen wird häufig zur Last gelegt, sie kämen als Wirtschaftsflüchtlinge. Wie schwierig ihre Situation im Rumänien der Nach-Ceaucescu-Ära ist, zeigen viele Dokumente.
Flüchtlinge aus Sri Lanka haben eine lange Leidensgeschichte – in ihrer Heimat und zum Teil in Deutschland. Tamilen, die in den letzten Jahren gekommen sind, sind nach der Aufhebung eines viele Jahre geltenden Abschiebestopps von Abschiebung bedroht. Die Menschenrechtslage im Heimatland hat sich nicht geändert, wie die Experten meinen. (Die Politiker wollen es nicht sehen. Andererseits ist die Anerkennungsquote von Flüchtlingen aus Sri Lanka gestiegen – ein Hoffnungsschimmer.)
Flüchtlinge aus dem Herkunftsland Vietnam waren in vielen Fällen zuvor Vertragsarbeitnehmerinnen und Vertragsarbeitnehmer in der DDR oder anderen osteuropäischen Staaten. Nach der Wende als unerwünschte Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt angesehen, sind viele aus dem Land gedrängt worden. Das Problem der Vertragsarbeitnehmer aus der ehemaligen DDR ist im Einigungsvertrag nur unzureichend geregelt worden. Verhandlungen um ein humanitäres Bleiberecht schleppen sich dahin. So sehen viele im Asylantrag ihre einzige Chance.
Die meisten Flüchtlinge des Jahres 1992 kamen aus dem ehemaligen Jugoslawien. Nur ein Teil von ihnen taucht in der Statistik der Asylbewerber auf. Viele andere leben bei Verwandten und Bekannten, zumeist mit Duldungen, ohne ein Asylverfahren zu betreiben. Am Länderbeispiel Jugoslawien ließen sich fast alle Probleme des Asylrechts darstellen. Wir müssen uns jedoch beschränken auf die Situation in Bosnien-Herzegowina und in Kosovo.
Die Türkei belegt seit Jahren einen Spitzenplatz in der Rangliste der flüchtlingsproduzierenden Staaten. Daß permanente Menschenrechtsverletzungen stattfinden, wird auch von deutschen Behörden kaum noch bestritten. Daß Flüchtlinge aus der Türkei dennoch in vielen Fällen kein Asyl erhalten, zeigt unser Text. Die Blindheit in Sachen Menschenrechte in der Türkei, die die deutsche Regierung an den Tag legt, hat Methode. Wachsweich werden gelegentlich die schlimmsten Auswüchse staatlicher Repression kritisiert, wenig später erhält der NATO-Partner Türkei wieder Waffen.
Insgesamt wird deutlich, daß es „sichere Herkunftsländer“, wie sie die asylrechtliche Konzeption der Bundesregierung vorsieht, kaum gibt. An dieser Stelle kann nur darauf hingewiesen werden, daß als weitere „sichere Herkunftsländer“ Bulgarien, Ghana und der Senegal im Gespräch sind. Nach Auskunft von amnesty international ist es in der bulgarischen Stadt Pazartik am 29. Juni 1992 zu einem Angriff auf Angehörige der Roma-Gemeinschaft gekommen. Die Täter waren mit Maschinenpistolen bewaffnete Polizeibeamte. Die Opfer wurden gefoltert und mißhandelt.
In Ghana ist eine Anzahl gewaltloser politischer Gefangener inhaftiert. Das Haftgesetz gestattet dies ohne gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit. Im Vorfeld der Wahlen kam es im Dezember 1992 zu politisch motivierten Verhaftungen von Oppositionspolitikern.
Im Senegal kommt es nach den Angaben von amnesty international zu Inhaftierungen, Folterungen und Mißhandlungen von Häftlingen, die separatistischer Bestrebungen verdächtigt werden. Es soll sogar zu extralegalen Hinrichtungen gekommen sein.
Dieser kurze Überblick zeigt, wie problematisch die Einstufung der genannten Länder in die Kategorie der „sicheren Herkunftsländer“ wäre.