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29.11.1997

IM BLICKPUNKT: Sprachanalysen

Frankfurter Rundschau
Von Pitt von Bebenburg (Frankfurt a. M.)


Streit über die neuen Sprach- und Textanalysen bei Asylbewerbern: Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge erhofft sich „wertvolle“ Informationen, um die Herkunftsländer der Bewerber festzustellen. Die Organisation Pro Asyl ist erbost: Es wehe „ein Hauch von Inquisition durch das Bundesamt“.

Seit das Asylrecht in Deutschland im Jahr 1993 drastisch verschärft wurde, sind die Chancen von Flüchtlingen auf Anerkennung oder Duldung winzig, wenn die Behörden ihr Heimatland und ihren Fluchtweg kennen. Also verschweigen viele Flüchtlinge, woher sie stammen und wie sie gekommen sind. Selbst wenn deswegen der Asylantrag abgelehnt wird, können die Menschen manchmal bleiben, denn eine Abschiebung ist in der Regel nicht möglich, solange nicht feststeht, aus welchem Land der Betreffende stammt.

Das ist der Hintergrund, wenn der Präsident des Bundesamtes, Hans Georg Dusch, jetzt beklagt: „Immer mehr Asylbewerber geben ein falsches Herkunftsland an.“ Deswegen setzt er auf die „Sprach- und Textanalyse“, die in einem „umfangreichen Testlauf“ von Januar an ausprobiert werden soll. So könnten „die Angaben über das Heimatland überprüft und gleichzeitig wichtige Erkenntnisse für eine gegebenenfalls bei Nichtvorliegen politischer Verfolgung veranlaßte Rückführung gewonnen werden“, erwartet Dusch.

Im Haus des Bundesinnenministers Manfred Kanther (CDU) verweist man gerne auf die „große Übereinstimmung“ mit den sozialdemokratisch regierten Ländern. Diese hätten sich einverstanden erklärt, als die Testpläne bei der Innenministerkonferenz vorgestellt worden seien, sagt Kanthers Sprecher Detlef Dauke. Er gibt sich im übrigen überzeugt, daß man die Flüchtlinge per Sprachanalysen „auf bestimmte Staaten zurückführen kann“.

Daran kommen allerdings Zweifel auf, wenn man die Protokolle erster Analysen liest, wie sie der FR vorliegen. Darin geht es etwa um einen Asylbewerber, der sich als Sudanese ausgegeben hatte. Ein Analytiker aus Sudan stellt über die Englischaussprache fest: „Der Antragsteller sagt z.B. ,pigdja‘ für picture und ,dis‘ für this. Ein Sudaner würde ,piksha‘ bzw. ,ziz‘ oder ,this‘ sagen. … Der Sprechende hat ein zischendes ,t‘ in den Wörtern ,fight‘ und ,otu‘, was charakteristisch für Westafrika (z.B. Nigeria) ist.“ Also analysiert anschließend ein Nigerianer die Texte. Er bemerkt: „Das englische ,th‘ spricht er in einer typisch westafrikanischen Weise wie ,d‘ aus, z.B. wurde this wie ,diss‘ ausgesprochen, als er ,this farm me‘ sagte.“ Zwar zieht auch er den Schluß, der Mann komme aller Wahrscheinlichkeit nach aus „West-Afrika“; einem bestimmten Staat kann er ihn aber nicht zuordnen.

Die Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge, Pro Asyl, befürchtet, daß hier „mit einer Schrumpfform der Sprachwissenschaft Schindluder getrieben“ werde. Einerseits gebe es keine Angaben über die Qualifikation der Gutachter. Zum anderen verbiete sich schlicht der Rückschluß von einer Sprache auf eine Staatsangehörigkeit, denn: „Die künstlich gezogenen Grenzen aus der Kolonialzeit sind überwiegend keine Sprachgrenzen.“ Deshalb könne kein ernstzunehmender Wissenschaftler „behaupten, im ethnischen Puzzle Westafrikas eine bestimmte Staatsangehörigkeit anhand der Sprache mit der notwendigen Sicherheit feststellen zu können“. Aber auch anderswo, etwa im „sehr viel sprachenärmeren Europa“, gebe es „keine wissenschaftliche Möglichkeit, von der Sprache auf die Staatsangehörigkeit zu schließen“, bemerkt Pro Asyl.

Das Bundesamt ist offenbar gegenteiliger Ansicht. Es verweist darauf, daß andere europäische Staaten die Methode „bereits mit Erfolg“ praktizierten, und bemerkt zu den eigenen Vorläufen: „Erste Ergebnisse bestätigen, daß die Sprachanalyse eine wertvolle Ergänzung der für das Bundesamt bereits verfügbaren Erkenntnisquellen darstellt.“


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