Hungerstreik sudanesischer Flüchtlinge
auf dem Flughafen Frankfurt:
Situation spitzt sich zu
Arzt stellt Fluguntauglichkeit fest
Bedenken gegen Abschiebung auch bei UNHCR
Die Situation im seit Freitag, dem 4. August 1995, andauernden Hunger- und Durststreik sudanesischer Flüchtlinge auf dem Rhein-Main-Flughafen spitzt sich zu. Ein am gestrigen Abend eingeschalteter unabhängiger Arzt stellte bei dem unmittelbar von Abschiebung bedrohten A. massive gesundheitliche Beeinträchtigungen fest,
die zur Fluguntauglichkeit führen. Nach Aussage des Mediziners ist auch der körperliche Zustand der anderen acht an der Aktion teilnehmenden Flüchtlinge besorgniserregend. Sollten die Flüchtlinge bei wieder steigenden Außentemperaturen weiterhin nur 0,5 Liter Flüssigkeit täglich zu sich nehmen, so sei innerhalb weniger Tage mit einem lebensbedrohlichen Zustand zu rechnen.
Neben PRO ASYL haben weitere Menschenrechtsorganisationen, Sudan-Initiativen und Einzelpersonen, darunter ein Bundestagsabgeordneter der CDU, den Bundesinnenminister gebeten, sudanesische Flüchtlinge zu einem regulären Asylverfahren im Inland zuzulassen, und auf die katastrophale Menschenrechtslage im Sudan hingewiesen. PRO ASYL hat das Bundesinnenministerium gestern nachmittag dringend gebeten, einen Gesprächspartner zu benennen, um im Dschungel angeblicher Unzuständigkeiten zu einer menschlich vertretbaren Lösung zu kommen.
„Sollte A. gegen ärztlichen Rat und trotz seines Gesundheitszustandes heute nachmittag mit der Lufthansa nach Khartoum zurückgeschoben werden, so wird PRO ASYL ggf. Strafantrag gegen diejenigen Stellen, die sich über die Diagnose hinweggesetzt haben, stellen. Der Bundesinnenminister hätte in diesem Fall bewiesen, daß ihm an einer Entschärfung der Situation nicht gelegen ist“, so PRO ASYL-Sprecher Heiko Kauffmann am Donnerstag. „Wir halten die Herausnahme der Sudanesen aus dem Flughafenasylverfahren und ihre Zulassung zu einem regulären Asylverfahren weiter für die angemessene und keinesfalls überzogene Forderung.“
Wie gestern bekannt wurde, hatte das Bonner Amt der Hohen Flüchtlingskommissarin der Vereinten Nationen (UNHCR) im Falle des bereits in der letzten Woche zurückgeschobenen Sudanesen N. nachdrücklich von einer Abschiebung abgeraten.
Das Amt hatte insbesondere auf den letzten Bericht des UN-Sonderberichterstatters Nigel S. Rodley hingewiesen, der eine systematische Folterpraxis im Sudan bestätigt. Im Verfahren habe man sich mit der Frage, ob dies im konkreten Fall ein Abschiebungshindernis darstellen könnte, nicht auseinandergesetzt. UNHCR stellt weiter fest, daß sich die Aussage des Verwaltungsgerichtes Frankfurt im Falle N., im Sudan hätten nur solche Personen bei der Rückkehr Verfolgungsmaßnahmen zu befürchten, die sich offen und prominent gegen das Regime ausgesprochen hätten, mit den Feststellungen des UN-Sonderberichterstatters nicht deckt. Er hatte hervorgehoben, daß „potentiell alle Kategorien und Schichten der Bevölkerung von Menschenrechtsverletzungen durch staatliche Urheber betroffen sind“.
Da alle PRO ASYL bekannt gewordenen Entscheidungen des Bundesamtes, die Hungerstreikende im Transit des Frankfurter Flughafens betreffen, weitgehend identische Textbausteine und vergleichbare Wertungen enthalten, sieht sich PRO ASYL in seiner Kritik bestätigt, daß das Flughafenverfahren in Fällen sudanesischer Flüchtlinge nachlässig und unfair geführt wird. Abgesehen von den offiziösen Informationen des Auswärtigen Amtes würden neuere Berichte von Menschenrechtsorganisationen zur Gefährdungslage im Sudan regelmäßig nicht zur Kenntnis genommen.