TAG DES FLÜCHTLINGS 1990
Grußwort der Bundesarbeitsgemeinschaft
der Freien Wohlfahrtspflege
Asylrecht ist Menschenrecht
INHALT
- Grußwort des Vertreters des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (1990)
- Grußwort der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (1990)
ANALYSEN
- Der gläserne Flüchtling – Gespräch mit Prof. Dr. Spiros Simitis
- Europäische Asylpolitik
- Was garantiert das Grundgesetz? – Zur Diskussion über Asylsuchende und Aussieder
- Behebung der Fluchtursachen
- Flüchtlinge im „Karlsruher Loch“
- Schnellverfahren an der Grenze
FLÜCHTLINGSSCHICKSALE
- Rückblick auf ein Jahrzehnt der Flucht
- „Ich fühle mich wie ein Mann, der mit seinen zwei Beinen in zwei verschiedenen Booten steht“
- „Alles wegen eines Weihnachtsbaumes“
BEISPIELE UND ANREGUNGEN
- Grundregeln der Pressearbeit
- Begrüßungsgeld für Flüchtlinge
- Aufnehmen oder Ausliefern? -Text für eine Meditation
- „Wir suchen Asyl in Ihrer Kirche“
- Aussiedler, Übersiedler, Flüchtlinge: die gleiche Betroffenheit
- Asylantrag als Eintrittskarte
- Umfrage in der Fußgängerzone
- „Bettelmarsch“ gegen drohende Abschiebung
STATISTIK
„Das deutsche Volk bekennt sich zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.“
So jedenfalls heißt es im Artikel 1 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland.
Diese Verfassung entstand unter dem Eindruck der nur wenige Jahre zuvor beendeten Schrecken des nationalsozialistischen Terrors und des unendlichen Leidens, das dieser und der 2. Weltkrieg über die Menschen in Deutschland und aller Welt gebracht haben. Das Grundgesetz trat in einer Zeit in Kraft, die den Beinamen „Jahrhundert der Flüchtlinge“ erhalten hat. Noch nie zuvor in der Menschheitsgeschichte mußten so viele Menschen aus Furcht vor Drangsal und politischer Verfolgung ihre Heimat verlassen und Schutz in einem anderen Land suchen. Dies obwohl der Menschenrechtsgedanke Grundlage zahlreicher Konventionen, Deklarationen und völkerrechtsverbindlicher Verträge für Menschen in aller Welt ist. Über 200 Millionen Menschen wurden seit Beginn dieses Jahrhunderts gezählt, die als Flüchtlinge um die Verwirklichung ihrer Menschenrechte ringen mußten und müssen. Ihre Hoffnung war und ist das Menschenrecht auf Asyl in einem freien Land.
„Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.“ Auch diese Bestimmung steht im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, die zudem die Ziele der UN-Flüchtlingskonventionen von 1951 unterzeichnet hat. Die sich hieraus ergebenden Verpflichtungen hat die Bundesrepublik Deutschland ganz bewußt auf sich genommen, um entsprechend dem neuen Selbstverständnis der Deutschen nach Krieg und Unrechtsherrschaft einen gewichtigen Beitrag zur Förderung von Menschenrechten und Menschenwürde zu leisten.
Doch: 40 Jahre nach Begründung der Bundesrepublik Deutschland mehren sich die Stimmen derer, die befürchten, daß die Bundesrepublik sich nun der Verantwortung für die politisch Verfolgten dieser Welt mehr und mehr entziehen wolle. Nicht zuletzt aufgrund der schwierigen Aufgaben im Zusammenhang mit der angestrebten deutschen Einheit, zeichnet sich eine beunruhigende Entwicklung ab: Flüchtlingen wird es zunehmend unmöglich gemacht, Deutschland zu erreichen und hier Schutz und Aufnahme zu finden. Wem dieses dennoch gelingt, der hat als Asylbewerber Arbeitsverbot, Einschränkung der Freizügigkeit, Abhängigkeit von begrenzter Sozial- und Krankenhilfe, Unterbringung in oft menschenunwürdigen „Asylantenheimen“ und mannigfache Diskriminierung als angeblicher „Wirtschaftsflüchtling“ zu erwarten.
So wird es immer wichtiger zu erkennen, daß niemand freiwillig und ohne Not seine Heimat verläßt, daß Flüchtlinge ständig Angst und Sorge um ihre Zukunft durchleben. daß sie eine Herausforderung an unsere humanistischen Ideale als eine der schwächsten und zugleich hilfsbedürftigsten Gruppen in unserer Gesellschaft darstellen.
Flüchtlinge aus aller Welt werden auch in Zukunft bei uns Zuflucht suchen. Immer wieder entstehen vor allem in den ärmsten Regionen der Welt Konflikte, die rassisch, ethnisch oder wirtschaftlich begründet sind. Das Jahrhundert der Flüchtlinge wird sich auch in den nächsten Jahrzehnten fortsetzen. Verfolgung, Diskriminierung, Kriege und Bürgerkriege, Not und Hungerwerden weiterhin das Schicksal vieler Millionen Menschen auf dieser Erde bestimmen.
So gilt es, nicht nachzulassen im Bemühen um die Beseitigung oder zumindest die Verringerung fluchtauslösender Ursachen. Ebenso wenig aber darf die Sorge um die Menschen, die in der Hoffnung auf ein menschenwürdiges Leben als Flüchtlinge in eines der reichsten Länder der Welt kommen, vernachlässigt werden.
Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege werden auch in der Zukunft eine ihrer Aufgaben darin sehen, Flüchtlingen zu helfen und Brücken zur einheimischen Bevölkerung zu bauen. Sie tun das in der festen Überzeugung, daß jeder Mensch ein unveräußerliches Recht auf die Anerkennung seiner Menschenwürde und auf ein Leben frei von Flucht und Not hat – auch der Flüchtling.
Präsidentin der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege
Mitglieder der Bundesarbeitsgemeinschaft sind: Arbeiterwohlfahrt -Bundesverband, Deutscher Caritasverband, Deutsches Rotes Kreuz, Diakonisches Werk der, Evangelischen Kirche in Deutschland, Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband-Gesamtverband, Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland