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22.07.1998

Flughafenasylverfahren:
Informationsveranstaltung des BGS für CDU-Abgeordnete
PRO ASYL kritisiert die einseitige Darstellung:
Beteiligung des BGS an der Feindbildproduktion für den Wahlkampf


Zur gestrigen Informationsveranstaltung des Bundesgrenzschutzes mit Abgeordneten des Innenpolitischen Arbeitskreises der CDU-Fraktion im Hessischen Landtag erklärt PRO ASYL:

  1. Wir bedauern, daß Herr Hansen als Amtsleiter des BGS die Gelegenheit nicht wahrgenommen hat, die CDU-Landtagsabgeordneten umfassend über die Situation des BGS und der Asylantragstellerinnen und Asylantragsteller auf dem Frankfurter Flughafen zu informieren und statt dessen die Problematik des gewalttätigen Widerstandes von Abzuschiebenden in den Vordergrund gestellt hat. Damit entspricht der BGS-Amtsleiter offensichtlich dem Bedürfnis nach einer einfachen Rollenverteilung: Abzuschiebende werden zu Tätern stilisiert, BGS-Beamte zu Opfern.
  2. Gewaltsamer Widerstand von Abzuschiebenden ist in vielen Fällen die Konsequenz unfairer Asylverfahren auf der Basis eines immer mehr verschärften Asylrechts und einer restriktiven Rechtsprechung. Am Ende solcher Verfahren müssen BGS-Beamte Abschiebungen auch in Folterstaaten vollziehen. Die Gefährdung der Abgeschobenen liegt in vielen Fällen auf der Hand. Fälle, in denen Menschen nach ihrer Abschiebung inhaftiert, gefoltert und mißhandelt worden sind, hat die EKD erst kürzlich wieder in der Schrift “ Soll ich meines Bruders Hüter sein? – Fünf Jahre neues Asylrecht“ dokumentiert. Psychische Zusammenbrüche, Selbstmordversuche und Verzweiflungstaten sind in dieser Situation an der Tagesordnung. Wer Kurdinnen und Kurden in die Türkei, Kosovo-Albanerinnen und Albaner nach Jugoslawien oder algerische Flüchtlinge nach Algier abschiebt und dabei zum Teil mit den Schergen kooperiert, sollte sich über den Widerstand der Betroffenen zumindest nicht wundern.
  3. BGS-Beamte führen, offensichtlich auf Weisung des Bundesinnenministeriums selbst, Zwangsvorführungen von Asylsuchenden noch während des laufenden Asylverfahrens bei den Botschaften bestimmter Herkunfts- und damit potentieller Verfolgerstaaten durch. Grundlage hierfür ist eine ganz offensichtlich rechtswidrige Interpretation von § 43b AsylVfG (Paßbeschaffung zum „frühestmöglichen Zeitpunkt“). Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen weist seit Jahren darauf hin, daß eine Kontaktaufnahme mit der Botschaft des Herkunftslandes während eines anhängigen Asylverfahrens nicht zumutbar ist und schutzwürdigen Belangen von Flüchtlingen wie der Genfer Flüchtlingskonvention widerspricht. Es wäre zu wünschen gewesen, daß BGS-Amtsleiter Hansen zumindest darauf hingewiesen hätte, welche Konfliktsituationen für seine Beamten auf diese Weise geschaffen wird. Um so härter treffen solche Praktiken Asylsuchende: Wenn über die Zwangsvorführung bei der Heimatbotschaft nicht einmal die Anwältinnen oder Anwälte rechtzeitig informiert werden sondern die Betroffenen ohne Vorwarnung in den BGS-Bus verfrachtet werden, dann wird man sich über deren Panik und die entsprechende Gegenwehr ebenfalls nicht wundern müssen.
  4. Mehrfach haben Flüchtlinge angegeben, sowohl bei solchen Zwangsvorführungen als auch bei Abschiebungsversuchen selbst durch Beamte des BGS schwer mißhandelt worden zu sein. Ermittlungsverfahren verlaufen in der Regel im Sande. Zeuginnen oder Zeugen gibt es im Regelfall nicht oder diese sind selbst Asylantragsteller, die befürchten, aus einer eventuellen Aussage entstehe ihnen ein Nachteil im eigenen Asylverfahren. Obwohl ein Großteil der Abzuschiebenden von Ausländerbehörden direkt zum Flughafen gebracht und an den BGS übergeben wird, sind die BGS-Gewahrsamsräume im Transitbereich weiterhin für Nicht-Regierungsorganisationen nicht zugänglich. Damit kann der BGS bei Abschiebungen von der Öffentlichkeit weitgehend unkontrolliert handeln. Behauptungen über Gewalttätigkeiten von Abzuschiebenden können deshalb genauso wenig überprüft werden wie Mißhandlungs-vorwürfe gegen BGS-Beamte.
  5. Herr Hansens Äußerungen zu unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen sind populistisch und entsprechen nicht den Tatsachen. Pauschal werden Eltern, die ihre Kinder – oftmals aus einer Notsituation heraus – ins Ausland schicken, zu „Rabeneltern“ erklärt, die gegen das Kindeswohl handeln. Man muß schon hartgesotten sein, um die Fluchtverhinderung durch Visumzwang als kinderfreundliche Maßnahme zu verkaufen. Die Theorie, alleinreisende minderjährige Flüchtlinge würden im übrigen nach Deutschland geschickt, damit später die Eltern nachkommen könnten, widerspricht allen praktischen Erfahrungen der letzten Jahrzehnte. Der spätere Familiennachzug zu Flüchtlingskindern beschränkt sich auf eine geringe Zahl von Fällen. Jugendhilfeeinrichtungen können hierzu aus ihrer Erfahrung Auskunft geben.
  6. PRO ASYL bedauert, daß der Amtsleiter des BGS mit seiner einseitigen Information das Niveau der Diskussion unterschreitet, die zwischen BGS-Bediensteten und Nicht-Regierungsorganisationen nach der Gerichtsverhandlung über den Fall des auf dem Frankfurter Flughafen zu Tode gekommenen Nigerianers Kola Bankole begonnen hat. Wir erwarten, daß der BGS frühere Ansätze zu mehr Transparenz wieder aufgreift. Die Mitwirkung an einer Feindbildprodukion für wahlkämpfende Politikerinnen und Politiker läuft dem zuwider.

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