06.04.1998
Flughafenasylverfahren Frankfurt Rhein-Main:
Inkognito-Auftritt zweier Angehöriger
des libyschen Konsulats im Transitbereich
Flüchtlinge berichten, bedroht worden zu sein
Wartet in Tunesien der Geheimdienst des Ghaddhafi-Regimes
auf die Abgeschobenen?
PRO ASYL verlangt vom Bundesgrenzschutz unverzügliche Aufklärung im Falle zweier libyscher Flüchtlinge, deren Asylantrag im Flughafenverfahren vom Verwaltungsgericht Frankfurt abgelehnt worden war. Sie hatten über massive Bedrohungen von Seiten libyscher Konsulatsvertreter, die ihnen im Transit des Flughafens zunächst unerkannt gegenübergetreten seien, berichtet. Sie seien vom Bundesgrenzschutz über die Identität ihrer Gesprächspartner nicht aufgeklärt worden.
Die Angaben der beiden Flüchtlinge hat der Bundesgrenzschutz noch am selben Tag zu Protokoll genommen: „Wir wurden am 26.03.1998 gegen 11.00 Uhr von zwei Beamten des Bundesgrenzschutzes zum ‚Interview‘ gebeten. Wir wurden nacheinander in einen Raum geführt und von zwei Männern befragt. Wir dachten, daß es sich um Dolmetscher handelt. Wir wurden gefragt, ob wir einen Asylantrag gestellt haben. Wir bejahten dies. Außerdem fragten sie uns, was wir mit unseren Reisepässen gemacht haben. Wir antworteten, daß wir sie vernichtet haben. Zudem gaben wir Auskunft über unsere Namen, Wohnort und Wohnort unserer Verwandten. Sie haben diese Angaben mit den Fotokopien, die wir der Polizei gegeben haben, verglichen. Sie fragten uns auch, wie lange wir uns am Flughafen aufhalten. Dann beschimpften sie uns, weil wir die Pässe vernichtet hatten. Wir fragten einen der Männer, warum sie uns beschimpfen. Darauf gab sich der Mann als Konsul von Libyen zu erkennen.“
Nach dieser Überraschung hätten die beiden Konsularbeamten gesagt, daß sie die Abgeschobenen persönlich nach Tunesien begleiten und die libysche Polizei benachrichtigen würden, „damit sie uns abholen und sich um uns kümmern. Die Männer sagten dies in einem bedrohlichen Ton.“
Die Betroffenen befürchten nun, daß sowohl Verwandte im Heimatland gefährdet, als auch sie selbst tatsächlich bereits in Tunesien an libysche Sicherheitsbeamte überstellt werden. (Tunesien ist als der bei der Flucht zuletzt durchquerte Staat Ziel des Abschiebungsflugs.)
Der Asylantrag beider Betroffener war von der 15. Kammer des Verwaltungsgerichts Frankfurt u.a. mit der Begründung zurückgewiesen worden, die Asylantragstellung führe nur bei Regimegegnern zur Verfolgung, für sich alleine betrachtet allerdings nicht, zumal die libyschen Behörden nicht von der Asylantragstellung erführen.
PRO ASYL am heutigen Tage: „Diese richterliche Fiktion ist von der Realität überholt worden. Die Asylantragstellung ist nun bekannt. Die Gefährdung kann nicht mehr strittig sein. Denn selbst das Auswärtige Amt hat in einer Auskunft vom 31. Mai 1995 darauf hingewiesen, daß ein bekannt gewordener Asylantrag eines libyschen Staatsangehörigen im Ausland nicht unerhebliche Repressalien nach sich ziehen dürfte.“
Die Libysche Liga für Menschenrechte, Sektion Deutschland, behauptet, zwei im Januar 1998 ebenfalls nach negativen Asylentscheidungen der 15. Kammer nach Tunesien abgeschobene Libyer seien von dort direkt an Libyen ausgeliefert und inhaftiert worden.
Zwischen den Maghreb-Staaten besteht ein multilaterales Abkommen zur gegenseitigen Auslieferung von Staatsangehörigen. amnesty international sind Fälle der zwangsweisen Rückführung aus Ägypten und Sudan bekannt, die die Inhaftierung der Rückkehrer nach sich zogen. Da auch Auslieferungen von tunesischen Flüchtlingen aus Libyen nach Tunesien bekannt sind, muß davon ausgegangen werden, daß libysche Flüchtlinge ebenfalls von tunesischen Behörden ausgeliefert werden.
PRO ASYL: „Vor diesem Hintergrund weiterhin die Entscheidung aufrecht zu erhalten, der Asylantrag sei ‚offensichtlich unbegründet‘, ist ein Skandal.“
PRO ASYL kritisiert auch das Verhalten des Bundesgrenzschutzes. Dieser dürfe Menschen im Flughafenverfahren, die ihre Situation nicht überschauen können, nicht mit Konsularbeamten ihres Heimatstaaten konfrontieren, ohne darauf hinzuweisen, daß es sich um solche handelt und daß das Ziel des Gespräches die Beschaffung von Heimreisedokumenten ist. Der BGS dürfe sich nicht zum Handlanger diktatorischer Regime machen lassen.
Die Abschiebung der beiden Libyer ist für morgen geplant.
Die Rechtsanwälte haben erneut Anträge auf Abänderung der gerichtlichen Entscheidung gestellt.
PRO ASYL fordert, die Abschiebung zunächst bis zur Klärung des Vorfalls vom 26. März 1998 auszusetzen.