Flughafenasylverfahren:
Rechtsanwälte beginnen mit der Einrichtung
einer unabhängigen Beratung.
PRO ASYL finanziert Probelauf.
BMI will sich aus EU-Mitteln
„Scheinberatung“ finanzieren lassen
Legal Advice for Asylum-Seekers in Frankfurt Airport
Am Montag, dem 2. Februar 1998, beginnen mehr als 50 auf Ausländer- und Asylrecht spezialisierte Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte mit der vom Bundesverfassungsgericht seit langem geforderten unabhängigen asylrechtskundigen Beratung. Mit finanzieller Unterstützung von PRO ASYL soll in einem Probelauf ein Beratungsmodell getestet werden. Dieses Modell unterscheidet sich wesentlich von den Vorstellungen des Bundesinnenministers. Praxiserfahrene Rechtsanwältinnen, Rechtsanwälte und PRO ASYL üben so konstruktive Kritik an einem unerträglichen Zustand.
Das Modell des Bundesinnenministeriums sah u.a. folgendes vor:
- Bei der Übergabe des Asylablehnungsbescheids an einen Flüchtling informiert der Bundesgrenzschutz über die Möglichkeit einer asylrechtlichen Beratung.
- Der BGS stellt den Kontakt zu Anwältinnen und Anwälten her.
- Die Beratung findet in den Räumen des BGS statt.
- Eine Rechtsvertretung ist nicht vorgesehen. Anwälte sollten auf die Chancenkalkulation reduziert werden.
Das selbstorganisierte Modell der Anwältinnen und Anwälte und von PRO ASYL sieht demgegenüber vor:
- Beratung außerhalb der BGS-Räume
- Bereitschaftdienst von Anwältinnen und Anwälten mit festen Präsenzzeiten
- Zusammenarbeit des jeweils am Flughafen Dienst tuenden Rechtsanwalts und externen, auf bestimmte Herkunftsländer spezialisierten Rechtsanwälten
- nach Prüfung ggf. Einlegung von Rechtsmitteln.
Die mit dem Modell gemachten Erfahrungen werden dem BMI und dem Deutschen Bundestag in Form eines Erfahrungsberichts zugänglich gemacht. Die Ergebnisse können eine praxisnahe Gesprächsgrundlage für weitere Verhandlungsrunden zwischen dem Deutschen Anwaltsverein und dem BMI sein.
PRO ASYL vertritt die Auffassung, daß die dauerhafte Finanzierung der asylrechtskundigen Beratung nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes selbstverständlich staatliche Aufgabe sein müsse. Vor diesem Hintergrund sei es „hochnotpeinlich“, so heute PRO ASYL-Sprecher Heiko Kauffmann, daß offensichtlich für die Einrichtung eines solchen Beratungsdienstes Mittel der Europäischen Kommission beantragt und gewährt worden seien. PRO ASYL liegt ein Dokument der EU-Kommission vor, in dem dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge Mittel gewährt werden für folgenden Zweck: „Establishment of an office for legal counselling at Frankfurt airport to improve access to independent legal advice during the appeal procedure in accelerated cases.“
Heiko Kauffmann: „Es ist beschämend, daß sich das BMI die Einrichtung eines vom Verfassungsgericht geforderten Pflichtberatungsdienstes aus einem europäischen Haushaltstitel finanzieren läßt und dabei in Konkurrenz um die knappen Mittel mit kleinen Trägern der sozialen Arbeit tritt.“ Eine Förderung aus demselben EU-Topf erhalten z.B. eine Wohngemeinschaft für Flüchtlingskinder in Nürnberg und die Rummelsburger Anstalten der Inneren Mission für die Unterstützung minderjähriger Flüchtlinge in Nordbayern.
LEGAL ADVICE FOR ASYLUM-SEEKERS
IN FRANKFURT AIRPORT
Thanks to the role played by a refugee support agency, Pro Asyl, asylum-seekers arriving at Frankfurt Airport will be able to obtain legal advice. A spokesman of Pro Asyl has pointed out that in its ruling of May 1996 the Federal Constitutional Court (BVerfG) called for the setting up of such an advice centre. As the Federal Ministry of Interior and the German Union of Lawyers have not agreed on the terms and conditions of providing legal advice to asylum-seekers, Pro Asyl has decided to go ahead at its own expense. This will cost the agency some 500,000 DM per year.
Südd. Zeit., 03.02.1998
Migration News Sheet 03/98