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22.07.1998

Flüchtlinge aus dem Kosovo in Deutschland:
Statt Abschiebungsstopp und Duldung möchten
die Innenminister abschieben – nach Montenegro


Die Innenministerien des Bundes und der Länder versuchen weiterhin, den politisch längst notwendigen Abschiebungsstopp für Kosovo-Albanerinnen und -Albaner zu vermeiden. Um die betreffende Personengruppe weiterhin abschieben zu können erwarten sie, daß auf EU-Ebene das geplante Flugembargo so interpretiert wird, daß weiterhin abgeschoben werden kann – allerdings nach Montenegro. Dies geht aus einem internen Vermerk des Innenministeriums Nordrhein-Westfalen vom 2. Juli 1998 hervor. Ausländerbehörden und Bezirksregierungen werden darin unterrichtet, daß Kosovo-Albaner vorläufig nur aus organisatorischen Gründen nicht abgeschoben werden. Die Abschiebestopp-Regelung des Ausländergesetzes (§54) soll nicht in Anspruch genommen werden. Der Bundesinnenminister habe telefonisch darüber informiert, daß Zeitpunkt und Umfang des geplanten Flugembargos noch ungewiß seien. Eventuell könne es Ausnahmen geben. In dem Vermerk heißt es wörtlich: „Sofern eine Ausnahme vom ‚Flugembargo‘ zum Beispiel für die montenegrinische Hauptstadt Podgorica vereinbart würde, könnten Abschiebungen dorthin stattfinden, da das Rückübernahmeabkommen auch Podgorica als Zielort vorsieht.“

Bereits seit längerem wird in Lageberichten des Auswärtigen Amtes Montenegro als „interne Fluchtalternative“ für in ihrer Herkunftsregion verfolgte Kosovo-Albanerinnen und -Albaner propagiert. In Montenegro sind etwa 7% der Bevölkerung ethnische Albanerinnen und Albaner. Über die Entwicklung ihrer Lebenssituation vor dem Hintergrund der Eskalation im Kosovo ist wenig bekannt.

PRO ASYL kritisiert die ins Auge gefaßten Abschiebungen nach Podgorica (früher Titograd) als Mitwirkung an einem Vertreibungsprozeß. Es sei im übrigen möglich, daß die Abgeschobenen sofort von Montenegro aus in die Kosovo-Region geschafft würden. Abschiebungen von Kosovo-Albanern nach Belgrad hätten in den letzten Monaten immer dazu geführt, daß die Gelandeten sofort in Busse in den Kosovo gesetzt wurden oder kurzfristige Vorladungen zu Behörden in ihrer Herkunftsregion erhielten.

PRO ASYL: „Anstelle eines klaren und notwendigen Abschiebungsstopps liebäugelt man immer noch mit Massenabschiebungen durch die Hintertür – dies ist ebenso eine unverantwortliche Gefährdung der Betroffenen wie eine Parteinahme für die serbische Seite.“

Anlage: Auszug aus dem Originalvermerk des Innenministeriums Nordrhein-Westfalen.

Zum Hintergrund:

Vermerk des Innenministeriums NRW vom 2. Juli 1998:

    Aufgrund der Lage im Kosovo werden aus NRW ab dem 10.6.1998 nur Staatsangegörige aus der BRJ mit nicht-albanischer Volkszugehörigkeit (z. B. Serben, Roma) und Straftäter (mindestens 50 Tagessätze) nach Belgrad zurückgeführt.

  1. Diese Aussetzung der Abschiebungen für Kosovo-Albaner mit Ausnahme der Straftäter erfolgt ohne Rückgriff auf § 54 AuslG aus organisatorischen Gründen
  2. Am 29.6.1998 hat der EU-Außenminister ohne Aussprache beschlossen, der jugoslawischen Fluggesellschaft JAT die Landerechte in den EU-Staaten zu entziehen.
  3. Der Zeitpunkt des Wirksamwerdens und der Umfang des „Flugembargos“ sind ungewiß. Nach fernmdl. Mitteilung des BMI muß zunächst die EU-Kommission nach Abstimmung in den EU-Ausschüssen dem EU-Rat einen Entwurf über eine entsprechende Verordnung vorlegen. Dabei sei es denkbar, daß Ausnahmen für bestimmte Zielorte vorgeschlagen werden, da es z.B. eine gemeinsame EU-Erklärung gibt, nach der die Wirtschaft Montenegros nicht belastet werden soll. Nachdem eine EU-Verordnung erlassen worden ist, muß jeder Mitgliedstaat der EU sein jeweiliges Luftverkehrsabkommen mit der BRJ gesondert suspendieren (in Deutschland liegt die Federführung beim Bundesverkehrsminister, der eine Kabinettentscheidung der Bundesregierung herbeiführen muß).
  4. Bei Wirksamwerden eines „Flugembargos“ ohne Ausnahmen würde ein faktisches Abschiebungshindernis bestehen, da laut Rückübernahmeabkommen Rückführungen nur auf dem Luftweg und hier grundsätzlich mit der JAT durchzuführen sind. Ausländerrechtliche Folge wäre: Erteilung von Duldungen nach § 55 Abs. 2 AuslG.
  5. Sofern eine Ausnahme vom „Flugembargo“ z. B. für die montenigrinische Hauptstadt Podgorica vereinbart würde, könnten Abschiebungen dorthin stattfinden, da das Rückübernahmeabkommen auch Podgorica als Zielort vorsieht. Sobald der Zeitpunkt des Wirksamwerdens und der Umfang des „Flugembargos“ feststehen, werden die Ausländerbehörden durch Erlaß über die sich daraus erbenden rechtlichen und tatsächlichen Folgen unterrichtet.

(…)


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