Presseerklärung
vom 2. September 1998
EU will Schutz von Flüchtlingen reduzieren
PRO ASYL: Vorschläge verletzen internationale
Verpflichtungen der EU-Mitgliedsstaaten
EU wants to reduce protection of refugees (en)
see also: Obersavtions of ECRE (en)
Additional ECRE-observations (en)
Strategiepapier des österreichischen Ratsvorsitzes zu Migration und Asylpolitik – ECRE Stellungnahme (de)
Strategy paper on immigration and asylum policy – Note from Presidency (en)
Heftige Kritik an Asyl-Vorschlägen aus Österreich – Frankfurter Rundschau
Europäischer Flüchtlingsrat (ECRE)
European Council on Refugees and Exiles ECRE (en)
ECRE Internetseiten (en)
Mit scharfer Kritik reagierte die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL auf die Vorschläge der österreichischen Ratspräsidentschaft, den Anwendungsbereich der Genfer Flüchtlingskonvention durch „Ergänzungen“ so zu verändern, dass sie in der Praxis kaum noch zum Tragen kommt.
„Die Umsetzung dieser Vorschläge würde dazu führen, dass die völkerrechtsverbindlichen Standards zum Schutz von Asylsuchenden und Flüchtlingen weiter sinken und die EU-Mitgliedsstaaten ihre internationale Verpflichtungen verletzen“, erklärte Heiko Kauffmann, Sprecher von PRO ASYL. Gerade vor dem Hintergrund der Fluchtbewegungen aus dem ehemaligen Jugoslawien sei eine Rückbesinnung auf die Entwicklung und Geschichte der Genfer Flüchtlingskonvention erforderlich. Sie müsse den heutigen Flucht- und Vertreibungsbedingungen entsprechend ausgelegt und angewendet werden. Dies bedeute, dass auch Flüchtlinge aus Bürgerkriegsgebieten, wegen geschlechtsspezifischer Menschenrechtsverletzungen oder wegen der Furcht vor Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung Schutz finden müssten.
„Die Genfer Flüchtlingskonvention hat nach den Erfahrungen der Barbarei zweier Weltkriege nicht aus der Sicht von Staaten, sondern aus der Perspektive des vor Verfolgung, Gewalt und Menschenrechtsverletzungen bedrohten Flüchtlings, diesen als Person definiert, die ‚aus der begründeten Furcht vor Verfolgung aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung‘ geflohen ist (Art. 1 A Nr. 2 GFK)“, sagte Kauffmann.
Heute werde durch restriktive rechtliche Konstruktionen und Maßnahmen der Kreis der Schutzbedürftigen immer weiter eingeengt. „Die uneingeschränkte Geltung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention muss beim Flüchtlingsschutz in Deutschland und Europa die oberste Priorität haben“, erklärte der PRO ASYL-Sprecher. Dabei müssten laut PRO ASYL auch die Beschlüsse des Exekutivkomitees der Vereinten Nationen und die Vorschläge für Mindestgarantien des Europäischen Flüchtlingsrats (ECRE) beachtet werden. Dazu gehören:
- Jedem Asylbewerber muss ein faires Verfahren zugestanden werden, das von der kompetenten und zentralen Asylbehörde durchgeführt wird.
- Es muss eine individuelle und umfassende Prüfung erfolgen,
- bei der Rechtsberatung und Übersetzungshilfe garantiert sind.
- Auch muss jederzeit der Kontakt zu UNHCR oder zu Asylorganisationen möglich sein.
Erfolgt eine Ablehnung des Asylantrages,
- Ist der Ablehnungsbescheid dem Flüchtling schriftlich mit der Begründung und mit einer Rechtsmittelbelehrung zuzustellen.
- muss ein eingelegtes Rechtsmittel aufschiebende Wirkung haben.
- ist der Widerspruch inhaltlich zu prüfen.
„Das Asylrecht darf auch auf EU-Ebene nicht Opportunitäts- und staatlichen Zweckmäßigkeitserwägungen unterliegen, sondern muss als Menschenrecht in vollem Umfang, ohne Vorbehalt und uneingeschränkt anerkannt und durchgesetzt werden“, so Kauffmann.
PRO ASYL fordert die Bundesregierung und den Bundestag auf, einer etwaigen Vereinbarung der Innenminister auf EU-Ebene auf ihrer nächsten Ratssitzung am 24. September 1998 zum „vorübergehenden Schutz“ – d.h. reduzierten Schutz für Flüchtlinge – nicht zuzustimmen. Die Bundesregierung und die EU-Innenminister dürften sich nicht über geltendes Völkerrecht hinwegsetzen.