EU soll sich mit Algerien befassen
Cook will mit Delegation ins nordafrikanische Land reisen.
Frankfurter Rundschau (Seite 1)
LONDON/ALGIER/BERLIN, 7. Januar (dpa/rtr/afp). Die Massaker in Algerien sollen bei den außenpolitischen Erörterungen in der EU nun Vorrang erhalten. Das kündigte der britische Außenminister Robin Cook am Mittwoch in London an. Noch vor dem nächsten Treffen der EU-Außenminister in zwei Wochen solle eine hochrangige Delegation Algerien besuchen, um die Besorgnis der EU zu dokumentieren und Fakten zu sammeln, sagte er dem britischen Sender BBC. „Wir sind besorgt, daß die Regierung Algeriens die Bevölkerung nicht schützen konnte. Darüber wollen wir mit der Regierung reden.“ Dabei könne man auch sehen, wie die EU helfen könne. Großbritannien hat derzeit den Vorsitz in den EU-Gremien.
Zuvor hatte bereits Bundesaußenminister Klaus Kinkel (FDP) empfohlen, eine EU-Troika mit Regierungsvertretern aus Luxemburg, Großbritannien und Österreich zu entsenden. In einem Brief an den Generalsekretär der Arabischen Liga schlug Kinkel nach Angaben des Auswärtigen Amtes jetzt außerdem vor, die Staaten der Liga sollten gemeinsam mit der EU nach einer Lösung zur Bekämpfung des Terrors in Algerien suchen.
Die EU könnte der Führung in Algier beistehen, den Dialog mit allen Kräften des Landes zu verstärken und auszuschöpfen, sagte Außenamts-Staatsminister Helmut Schäfer in Bonn der Deutschen Presse-Agentur. Weiter sei Beratung beim Vorgehen gegen die Terroristen und humanitäre Hilfe für die Überlebenden denkbar. Eine Einschaltung der Vereinten Nationen sei denkbar, wenn die EU nicht weiterkomme.
Stärkere Bonner Aktivitäten forderte die deutsche Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge „Pro Asyl“. So müßten die Innenminister der Länder einen Abschiebestopp für Flüchtlinge aus Algerien erlassen, sagte Sprecher Heiko Kauffmann in Frankfurt am Main.
Unterdessen meldeten algerische Zeitungen weitere Massaker. Moslemische Fundamentalisten hätten am Montag abend das Dorf Bakhoucha in der Küstenprovinz Tipaza, etwa 60 Kilometer westlich von Algier, überfallen und mindestens 20 Menschen ermordet, berichtete das Blatt Liberte am Mittwoch. Weitere sechs seien in der Nacht nach dem Überfall in der Wüstenstadt Laghouat umgebracht worden. In dem Dorf Sidi Mammar seien 29 Einwohner getötet worden, gaben die Behörden bekannt. Zwölf Morde habe es in der Gemeinde Ouled Bounif gegeben.
Die algerische Armee hat laut Zeitungsberichten damit begonnen, an die Bewohner abgelegener Dörfer im Westen des Landes Waffen zu verteilen, damit sie sich verteidigen können. Der Kommandeur der Sondertruppen habe die Dorfbewohner zum Bleiben aufgefordert, um den Terroristen nicht das Feld zu überlassen.