Erster Erfolg der unabhängigen
Rechtsberatung am Flughafen Frankfurt
PRO ASYL fordert den Innenminister auf, endlich die
Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen
Mit Beschluß vom 6. Februar 1998, der dem beauftragten Rechtsanwalt jedoch erst heute zugestellt wurde, hat das Frankfurter Verwaltungsgericht dem iranischen Flüchtling N. die Einreise gestattet. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge hatte seinen Asylantrag als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt. Der Flüchtling war nach seinen Angaben wegen regimekritischer Äußerungen gegenüber einem Mullah drei Monate inhaftiert. Während der Haft wurde er von dem selben Mullah verhört und geschlagen. Das Bundesamt stufte dies als einen sogenannten „Amtswalterexzeß“ ein. Wörtlich urteilte es: „Gezielte, staatlich geduldete oder geförderte Verfolgungsmaßnahmen sind keinesfalls ersichtlich.“ Das Verwaltungsgericht Frankfurt entschied nun: „Der Antragsteller hat seine Verfolgungsgründe in wesentlichen Punkten substantiiert und widerspruchsfrei dargelegt. (…) Entgegen der Ausführungen im Bundesamtsbescheid kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß es sich bei den vom Antragsteller geschilderten Übergriffen seitens des Mullah H. um einen sogenannten Amtswalterexzeß handelte und deshalb die Maßnahmen nicht dem iranischen Staat zugerechnet werden könnten.“
„Dieser Fall zeigt, wie wichtig eine effektive und wirklich unabhängige Rechtsberatung im Flughafenverfahren ist“, sagte Heiko Kauffmann, Sprecher der bundesweiten Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL. Kauffmann forderte das Bundesinnenministerium auf, endlich seine Blockade aufzugeben und die vom Bundesverfassungsgericht vor fast zwei Jahren geforderte „unabhängige asylrechtskundige Beratung“ im Flughafenverfahren zu installieren.
Nachdem der Bundesinnenminister fast zwei Jahre lang untätig war, hat PRO ASYL zusammen mit Rechtsanwältinnen und -anwälten seit 1. Februar 1998 eine unabhängige Rechtsberatung am Flughafen Frankfurt organisiert. Die Kernelemente sind:
- feste Präsenz einer Anwältin oder eines Anwaltes von 14.00 bis 17.00 Uhr im Flughafen
- unabhängige Beratung außerhalb von Räumen des Bundesgrenzschutzes
- Einlegung von Rechtsmitteln.
Demgegenüber sah ein Entwurf des Bundesinnenministeriums vor,
- daß Anwälte Flüchtlinge nur dahingehend beraten, ob sie vor Gericht eine Chance haben. Eine Rechtsvertretung war jedoch nicht vorgesehen.
- Die Beratung sollte in Räumen des BGS stattfinden und von diesem organisiert werden.
„Dieses Modell ist eine Farce. Der Fall des Iraners N. zeigt, daß Flüchtlinge Anwälte brauchen, die sie vor Gericht vertreten. Kranke brauchen auch keinen Arzt, der nur Diagnosen stellt und Prognosen abgibt, sondern konkrete Hilfe“, sagte Heiko Kauffmann.
PRO ASYL wird nach einer zum gegenwärtigen Zeitpunkt auf zwei Monate kalkulierten Testphase eine sorgfältige Auswertung dieses Testlaufes einer unabhängigen Rechtsberatung im Flughafenverfahren vornehmen und sowohl dem Bundesinnenminister als auch dem Parlament und der interessierten Öffentlichkeit vorstellen. „Es kann nicht angehen, daß staatliche Aufgaben auf Dauer von privaten Hilfsorganisationen übernommen werden müssen. Es ist unerträglich, daß der Bundesinnenminister durch seine Verzögerungstaktik zuläßt, daß möglicherweise Verfolgte an ihre Häscher überstellt werden“, erklärte Heiko Kauffmann.