Generic selectors
Nur exakte Ergenisse
Suchen in Titel
Suche in Inhalt
Post Type Selectors

TAG DES FLÜCHTLINGS 1996

Beispiele und Anregungen

Erste Erfahrungen einer Abschiebehaft-Gruppe

Neue Aufgabe beim Flüchtlingsrat Leipzig e.V.

Petra Krüger

Einer neuen Aufgabe hat sich der Flüchtlingsrat Leipzig e.V. seit März 1995 zugewandt: der Betreuung von Abschiebehäftlingen in Justizvollzugsanstalten (JVA).

Anläßlich des Antirassismus-Tages 1995 begannen wir, uns über die Situation von Abschiebehäftlingen in Leipzig zu informieren. Gespräche mit Sozialarbeitern und Seelsorgern gingen der Anfrage an die Leitung der JVA Leipzig voraus. Gleichzeitig riefen wir in der lokalen Presse zur Mitarbeit auf. So fanden sich einige Leipziger und Flüchtlingsrats-Mitglieder zusammen. Nach Einreichen der polizeilichen Führungszeugnisse und Belehrungen wurden wir als »ehrenamtliche Betreuer« zugelassen. So besuchen wir seit Mitte September 1995 jeweils montags für zwei Stunden Abschiebehäftlinge. In zwei bis drei Besuchsräumen in den beiden Leipziger Hafthäusern können wir je nach Umfang der Gespräche – 10 bis 15 Häftlinge jeden Montag sprechen. Sie müssen sich bei den Sozialarbeitern der JVA anmelden, nachdem sie durch Kurzinformationsblätter, die wir bisher in 15 Sprachen anfertigten, über unsere Tätigkeit erfahren haben. So können wir mit Häftlingen auf deren Wunsch sprechen, ohne daß dies auf ihre Besuchszeit angerechnet wird und ohne daß ein Beamter anwesend ist.

In der JVA Leipzig sind rund 450 Gefangene inhaftiert, davon etwa 30 bis 40 Abschiebehäftlinge. Abgesehen von einigen wenigen Strafgefangenen, die als Arbeitskräfte eingesetzt werden, und den Abschiebehäftlingen, sind alle anderen Untersuchungsgefangene. Etwa 200 Bedienstete sind in der JVA Leipzig beschäftigt, von denen 165 »Uniformierte« sind. Dem gegenüber sind z.Zt. lediglich zwei Sozialarbeiter und zwei Psychologen tätig. Da Abschiebehäftlinge in Leipzig in Untersuchungshaftanstalten untergebracht sind, unterliegen sie auch den sehr strengen Bestimmungen der U-Haft. Dazu gehören beispielsweise: nur eine Stunde überwachter Besuch pro Monat, keine Telefonate, drei Pakete pro Jahr, Kontrolle aller für sie abgegebenen Gegenstände, zwei Stunden Umschluß täglich, eine Stunde Hofgang täglich.

Oft verstehen Abschiebehäftlinge nicht, warum sie in Haft sind, da sie doch keine Straftat begangen haben. Außerdem wollen sie wissen, wann sie wieder herauskommen. Ihre Inhaftierung dient der Sicherung einer Verwaltungsmaßnahme: der Abschiebung. Einige werden nach wenigen Tagen abgeschoben, die meisten jedoch müssen mehrere Monate im Gefängnis bleiben. Oft müssen wir zunächst den Haftbeschluß erklären; es sind Gespräche mit Ausländerbehörden und Rechtsanwälten notwendig; teilweise wird Kontakt zu Freunden und Bekannten aufgenommen, um sie über die Lage des Abschiebehäftlings zu informieren.

Für viele Gefangene bedeutet es bereits sehr viel zu spüren, daß sich jemand für ihr Schicksal interessiert und daß sie jemanden haben, mit dem sie reden können. Viele bekommen keine Besuche und Kontaktmöglichkeiten in der JVA sind aufgrund der Sprachbarrieren oft stark eingeschränkt. Wir können Gespräche teilweise auch erst dadurch führen, daß wir Dolmetscher finden, die uns unentgeltlich ins Gefängnis begleiten.

Bisher haben wir Abschiebehäftlinge vor allem aus Algerien, Tunesien, Indien, Pakistan, Ghana, Irak und Gambia sowie aus Osteuropa betreut.


Nach oben