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13.05.1998

Erst Spuren der Folter reichen
deutschen Behörden als Beleg für Folter

Ein abgeschobener Kurde wurde in der Türkei tagelang gepeinigt –
jetzt ist Bonn bereit, seinen Fall noch einmal zu prüfen

Frankfurter Rundschau
Von Jörg Schindler (Frankfurt a. M.)


Weil ihm angeblich keine Gefahr drohte, ist ein kurdischer Asylbewerber in die Türkei abgeschoben worden. Nachdem er dort schwer mißhandelt wurde, durfte er nun wieder nach Deutschland kommen.

„Mir war klar, daß ich sterben würde“, sagt Mehmet Ali Akbas. Nach tagelanger Folter, nach Elektroschocks und Knüppelschlägen, nachdem man ihm die Augen verbunden und eine Pistole an die Schläfe gesetzt habe, habe er nicht mehr geglaubt, noch einmal freizukommen. Daß es ihm doch gelang und daß er am Dienstag in Frankfurt am Main über seine Tortur berichten kann, ist nach Ansicht von Pro Asyl-Sprecher Heiko Kauffmann nur „glücklichen“ Umständen zu verdanken. Daß Akbas überhaupt den Peinigern in Istanbul ausgesetzt wurde, daran trügen deutsche Behörden zumindest eine Mitschuld. Der Kurde Akbas wurde im Januar abgeschoben. Ausreichende Gründe für eine Gefährdung in der Türkei, urteilte das Verwaltungsgericht Hannover, lägen nicht vor. Daß Akbas, Mitglied der verbotenen kurdischen Partei HEP, 1993 an einer versuchten Besetzung des türkischen Konsulats in Hannover beteiligt war, focht den Richter nicht an: Es sei unwahrscheinlich, daß türkische Behörden von Akbas‘ Beteiligung Wind bekommen könnten. Der 32jährige mußte gehen.

Bereits in der ersten Nacht in Istanbul, so Akbas, sei er festgenommen worden. Gefolgt seien acht Tage Angst. In dieser Zeit habe man ihn mehrfach bewußtlos geprügelt, um Informationen aus ihm herauszupressen. Unter anderem über die Besetzung des Konsulats, über deren Teilnehmer die Polizisten bestens informiert gewesen seien. Erst nachdem er einer Zusammenarbeit mit der Polizei zum Schein zugestimmt habe, sei er frei gekommen. Kurz darauf informierte der niedersächsische Flüchtlingsrat das Innenministerium in Hannover über Akbas‘ Tortur. Die Skepsis der Behörde währte nur kurz. In einem Schreiben vom 21. April, das der FR vorliegt, bestätigte sie, daß der Kurde schwer mißhandelt worden sei. Der Vertrauensarzt des deutschen Generalkonsulats führe „die Verletzungen auf Hiebe von Schlagstöcken zurück, die bei der dortigen Polizei verwendet würden“. Akbas Zustand deute darauf hin, daß seine Aussagen „zutreffend seien“. Auch das Bundesinnenministerium befürworte es, ein Visum zu erteilen, um die Entscheidungen über Akbas‘ Asylantrag „einer erneuten Überprüfung zu unterziehen“. Weil ihm türkische Behörden die Ausreise verweigerten, floh der vierfache Vater zunächst in einem Boot nach Griechenland.

Akbas‘ Odyssee ist nach Ansicht von Pro Asyl-Sprecher Kauffmann kein Einzelfall. Immer wieder werde in Deutschland „im Zweifel gegen den Schutz bedrohter Personen“ entschieden. Immer wieder bezeugten Menschenrechtler, daß in der Türkei „systematisch gefoltert wird“. So könne es nicht weitergehen: „Internationale Mindeststandards des Flüchtlingsschutzes müssen in Deutschland wiederhergestellt werden.“ Ob der Appell Akbas‘ Cousin nützen wird, ist fraglich: Ihm droht nach Angaben des Flüchtlingsrats in Kürze die Abschiebung – angeordnet von dem Richter, der auch Akbas in die Türkei schickte.


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